Entwurf aus Hessen: Bürgerrechtler kritisieren Pläne für IP-Vorratsdaten­speicherung

Andreas Frischholz
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Entwurf aus Hessen: Bürgerrechtler kritisieren Pläne für IP-Vorratsdaten­speicherung
Bild: PxHere | CC0 1.0

Wie erwartet hat die hessische Landesregierung aus CDU und SPD einen Gesetzentwurf für die IP-Vorratsdatenspeicherung eingebracht. Im Kampf gegen schwere Kriminalität soll die anlasslose und allgemeine Speicherung möglich sein. Bürgerrechtler kritisieren den Vorstoß.

Indem die hessische Landesregierung den Entwurf beim Bundesrat vorgelegt hat, liegt nun auch der Gesetzestext (PDF) vor. Demnach soll das bis dato als rechtswidrig eingestufte Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung angepasst werden, indem es auf eine „einmonatige Speicherung von IP-Adressen samt eventuell vergebener Port-Nummern zum Zwecke der Bekämpfung schwerer Kriminalität“ begrenzt wird.

Der Kampf gegen Kinderpornografie ist wie gehabt die Begründung. „Unstreitig kann bei im Internet begangenen Straftaten die IP-Adresse der zur Tatbegehung genutzten Internetverbindung der einzige vorliegende Ermittlungsansatz zur Identifizierung des unbekannten Täters sein“, heißt es in dem Gesetzentwurf. Standortdaten sollen nicht erfasst werden. Ebenso will Hessens Landesregierung mit dem Entwurf auch Bestandsdatenauskunft von IP-Adressen festschreiben, damit Internet-Provider die Identität eines Anschlussinhabers übermitteln können.

Der Bundesrat selbst kann solche Gesetze zunächst nicht entscheiden. Sollte der Vorstoß aber eine Mehrheit haben, wird der Entwurf an die Bundesregierung weitergeleitet, die innerhalb von sechs Wochen eine Stellungnahme abgeben muss. Danach geht der Gesetzentwurf in den Bundestag.

IP-Adressen im Ampel-Entwurf ausgeklammert

Dort haben die Ampel-Parteien die Mehrheit – und in der Koalition haben sich die Parteien bislang ausschließlich auf das Quick-Freeze-Verfahren geeinigt. Bei diesem werden Telekommunikations- und Standortdaten nicht allgemein für eine bestimmte Zeit gespeichert. Stattdessen können Sicherheitsbehörden nach einem Verbrechen die Provider auffordern, bestimmte Daten kurzfristig zu speichern und damit „einzufrieren“. Zugang erhalten die Behörden aber erst in einem zweiten Schritt, für den deutlich höhere Auflagen als für den ersten existieren.

Dabei handelt es sich um das Modell, das FPD und Grüne in der Bundesregierung favorisieren, zudem befindet es sich im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Bundesverfassungs- sowie Bundesverwaltungsgerichts. Die SPD-Innenministerin Nancy Faeser will hingegen wie die Innenminister der Länder noch eine IP-Adressenspeicherung, die entsprechend den EuGH-Auflagen für einen absolut notwendigen Zeitpunkt möglich ist. Einig ist sich die Ampel-Koalition in diesem Punkt noch nicht, laut Faeser wurde er vorerst ausgeklammert.

Bürgerrechtler kritisieren den Vorstoß

Bürgerrechtler lehnen die IP-Vorratsdatenspeicherung ab. Der Eingriff in die Grundrechte sei weder gerechtfertigt, noch zielführend, heißt es etwa in einer Analyse bei Netzpolitik.org. Das gelte auch für den Kampf gegen Kinderpornografie. Denn steigende Fallzahlen in der polizeilichen Kriminalstatistik würden letztlich nicht zeigen, dass mehr Kriminalität existiert, sondern dass die Polizei verstärkt in diesem Bereich ermittelt. Das geht auch aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linken aus dem Jahr 2022 hervor. Konkret heißt es dort:

Die starke Zunahme der Entdeckung von Darstellungen sexualisierter Gewalt an Kindern im Netz, welche sich letztlich in der Polizeilichen Kriminalstatistik abbildet, ist ein Ergebnis der verstärkten Aufhellung des hohen Dunkelfeldes.

(…) Durch immer bessere technische Detektionsmöglichkeiten und immer umfangreichere Beteiligung einzelner Provider an der aktiven Suche nach entsprechenden Dateien und Sachverhalten wird immer mehr inkriminiertes Material entdeckt und den Strafverfolgungsbehörden gemeldet.

Steigende Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik sind demnach ein Indikator dafür, dass die zusammen mit der Wirtschaft entwickelten Kontrollmechanismen immer besser greifen, mehr Fälle aufgedeckt und damit auch mehr laufende Missbrauchshandlungen beendet werden.

Antwort der Bundesregierung auf kleine Anfrage aus dem Jahr 2022

Netzpolitik.org bezeichnet die Kriminalstatistik daher auch vor allem als Tätigkeitsbericht der Polizei. Als Alternative zur Vorratsdatenspeicherung fordern die Bürgerrechtler einen „Löschen-statt-Sperren“-Ansatz.

Ähnlich äußert sich Patrick Breyer, Europaabgeordneter für die Piratenpartei. „Echter Kinderschutz wird seit Jahrzehnten vernachlässigt – statt für echte Lösungen zu sorgen wird das Problem als Vorwand für eine Internet-Massenüberwachung genutzt, die pauschal alle Bürgerinnen und Bürger unter Generalverdacht stellen würde“, erklärt er in einer Mitteilung. Er verweist zudem noch auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2023, das die alte Regelung zur Vorratsdatenspeicherung im vollen Umfang – also inklusive IP-Vorratsdatenspeicherung – als rechtswidrig eingestuft hat.