„Recht auf Vergessen“ geht Google zu weit
Dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit dem Suchmaschinen-Urteil ein „Recht auf Vergessen“ beschlossen hat, wird in den Reihen von Google erwartungsgemäß kritisch aufgefasst. Es fehle die Balance zwischen der Informationsfreiheit und dem Schutz der Privatsphäre, erklärt Googles Executive Chairman Eric Schmidt.
„Es besteht ein Konflikt zwischen dem Recht auf Vergessen und dem Recht auf Wissen“, sagte Schmidt im Rahmen einer Anlegerkonferenz. Angesichts der widersprüchlichen Interessen wäre das Urteil „eine enttäuschende Entscheidung für Suchmaschinen und Online-Publisher im Allgemeinen“. Ähnlich wie Schmidt äußerte sich auch Googles Chef-Justiziar David Drummond über das Urteil: „Wir denken, dass es zu weit geht und nicht angemessen berücksichtigt, welche Folgen es für die Meinungsfreiheit hat, bei der es sich um ein bedeutendes Menschenrecht handelt.“
Durch das EuGH-Urteil werden Suchmaschinenbetreiber wie Google verpflichtet, Links unter bestimmten Bedingungen aus den Ergebnislisten zu entfernen, wenn diese die Persönlichkeitsrechte von Personen verletzen – es sei denn, das öffentliche Interesse an einer Information überwiegt die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen. Die entsprechenden Anträge sollen zunächst an die Suchmaschinenbetreiber gehen. Diese müssen dann abwägen, ob der Löschantrag die Anforderungen erfüllt.
Wer einen entsprechenden Antrag stellen will, ist bislang auf E-Mails oder den klassischen Brief angewiesen. Innerhalb der nächsten zwei Wochen will Google aber ein Online-Formular bereitstellen, zitiert das Wall Street Journal aus einer E-Mail des stellvertretenden Hamburger Datenschutzbeauftragten Ullrich Kühn. Dieser hatte sich zuvor mit Google-Vertretern in Hamburg getroffen. Das Unternehmen hätte zwar keine detaillierten Angaben zu dem System genannt, so Kühn. Er gehe jedoch davon aus, dass Google sich an den Systemen orientiert, die bereits für Copyright-Löschanfragen bestehen.
„Armee an Lösch-Experten“
Offiziell wagt sich der Internetkonzern aber nicht so weit vor. Ein Sprecher nennt einige Wochen als Zeitrahmen für die Umsetzung. Ein konkreter Termin soll erst genannt werden, wenn feststeht, wie das System letztlich funktionieren wird.
Ohnehin befürchtet der Suchmaschinenbetreiber, dass „Recht-auf-Vergessen“-Löschanträge mit einem enormen Aufwand verbunden sind. Google müsse eine „Armee an Lösch-Experten“ aufstellen, um die Anträge in den 28 EU-Staaten bearbeiten zu können, zitiert Reuters eine namentlich nicht näher genannte Quelle. Bislang lässt sich auch noch nicht absehen, ob die entsprechenden Mitarbeiter lediglich fragwürdige Links entfernen werden oder selbstständig entscheiden müssen, ob die einzelnen Löschanfragen berechtigt sind.
Doch ganz gleich wie Google intern die Abläufe organisiert, aufgrund der unsicheren Rechtslage werden sich früher oder später die Gerichte mit dem „Recht auf Vergessen“ befassen müssen. Der EuGH hat in dem Urteil zwar konkrete Vorgaben gemacht, eindeutige Kriterien wurden aber nicht genannt.