GDC 2014

Immersion: Virtual Reality ist für Sony kein Selbstläufer

Andreas Schnäpp
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Immersion: Virtual Reality ist für Sony kein Selbstläufer
Bild: Sony

Sony widmete auf der GDC Europe in Köln gleich zwei Vorträge dem Thema Virtual Reality: Nachdem im März dieses Jahres der Hardwareaspekt des hauseigenen VR-Systems in Form des Project Morpheus Prototypen enthüllt wurde, stand nun die dafür notwendige Software und deren Designgrundlagen im Vordergrund.

Zu den wichtigsten Prinzipien bei der Entwicklung von VR-Erlebnissen zählt laut Ian Bickerstaff, technischer Leiter und Gründungsmitglied von Project Morpheus, die Grundregel, dass ein Spiel niemals die Kontrolle über die Kopfbewegungen des Spielers übernehmen dürfe. Insbesondere im Umgang mit actionreichen Spielsequenzen, die vom Spieler aus der Egoperspektive erlebt werden, führe dies zu gravierenden Problemen in der Wahrnehmung und zu Sinnesstörungen, sofern Entwickler diesen Grundsatz missachten. Explizit für Virtual Reality entwickelte Spiele könnten dieses Problem umgehen, indem sie bei besonders hektischen Ereignissen in die 3rd-Person-Ansicht wechseln.

Das Konzept des „Virtual Cinema Screen“, der Wechsel zu einer virtuellen Kinoleinwand, mittels derer der Spieler aus der 1st-Person-Sicht seinem Spielavatar bei problematischen Szenen zuschaut, sei geradezu eine „general get out of jail card“, die Entwickler nutzen könnten, um VR-Nutzer nicht mit ihrem Körper fremden Sinneseindrücken zu überfordern. Um die Immersion nicht zu gefährden, sollte jedoch in diesen Szenen größtenteils auf Post-Processing-Effekte verzichtet werden. Selbst Lens Flare könne Spieler bei unbedachtem Einsatz komplett aus dem VR-Erlebnis herausreißen.

Patrick Connor, Senior Engineer in der Forschungsabteilung von Sony Computer Entertainment Europe und Mitarbeiter bei Project Morpheus, ging auf die technischen Details ein, welche Eigenschaften zu einer guten VR-Engine gehören. Bedingt durch die natürlichen Eigenschaften des menschlichen Auges, das leicht von „hochfrequentem visuellen Lärm“ („high frequency noise“) abgelenkt wird, ist es umso wichtiger Ablenkung minimal zu halten, da diese das Gefühl der Präsenz in der virtuellen Reality gefährdet. „High quality visuals“ seien demnach essentiell für die Immersion, wobei damit nicht zwangsweise Photorealismus gemeint ist, sondern gutes Antialiasing oftmals schon ausreicht.

Das richtige Antialiasing-Verfahren ist laut Connor essentiell, da weniger gute Antialising-Methoden und die daraus resultierenden Artefakte sich beim Stereorendern im VR-Kontext auf noch schlimmere Weise als auf herkömmlichen Monitoren bemerkbar machen. Eine Kombination verschiedener Antialiasing Methoden kann zu besseren Ergebnissen führen, da jede Antialiasing-Lösung unterschiedliche Aspekte des Aliasing-Effekts bekämpft. Ebenfalls habe sich „Specular Antialiasing“ als probates Mittel erwiesen.

Im Laufe des ganzen Entwicklungsprozesses ist eine konsistente, hohe Bildwiederholrate ebenfalls von essentieller Bedeutung. Niedrige FPS erschweren nicht nur das Testing, sondern fühlen sich auch schlecht an. Lassen sich Slowdowns bzw. Framerateeinbrüche bei bisherigen Computerspielen noch relativ einfach in der Wahrnehmung ignorieren, fallen diese bei VR-Erlebnissen viel schwerer ins Gewicht, weil sie zwangsweise die Immersion zerstören. In diesem Zusammenhang macht sich auch die Latenz besonders bemerkbar.

Jed Ashforth, Senior Game Designer bei Sony Computer Entertainment Europe, begann seinen Vortrag über die Neuausrichtung des Spieldesigns im Hinblick auf die virtuelle Realität mit einer markanten Aussage: „We're no longer designing interactive movies, we're imagineering playable theme parks!“. Traditionelle Konzepte des Spieldesigns müssen demnach komplett neu überdacht werden, um Spielern das Gefühl zu geben, sie halten sich in einem virtuellen Freizeitpark auf, statt nur interaktiv auf eine dem Spieler präsentierte Geschichte reagieren zu können.

Je tiefer der Nutzer in das Spiel eintauche, desto fragiler sei dieser Zustand. Dabei können Nutzer während ihres Aufenthalts in der virtuellen Realität zu unterschiedlichen Zeitpunkten unterschiedliche Ebenen der Immersion erreichen, aber „tiefe Immersion“ sei dennoch ein erreichbares Ziel laut Ashforth.

Ashforth erläuterte den Designprozess für Spiele, die auf tiefe Immersion ausgelegt sind anhand einer Anekdote: Eine VR-Demo, die auf Assets des Spiels Driveclub basierte, wurde zwei Gruppen von Testern vorgelegt – eine spielte mit Controller, die andere mit einem Lenkrad. Bei Letzteren fielen aufgrund der tieferen Immersion jedoch Probleme auf, die von der Testern mit Controller gar nicht wahrgenommen wurden. So verursachte die Animation, die beim Schaltvorgang in einen anderen Gang automatisch abgespielt wurde, obwohl die Lenkradfahrer diese nicht selbst ausführten, Konfusion bei den Spielern und führte damit zu einem verminderten Gefühl der Immersion.

Ein anderer Tester wurde allein aufgrund der Diskrepanz zwischen seiner dunklen Hautfarbe in der Realität und der hellen Hautfarbe seines Spielavatars aus der Immersion gerissen, weil er im Spiel seine Arme Bewegungen ausführen sah, die sein Hirn nicht mit seinen bisher gewohnten Wahrnehmungen in Einklang bringen konnte. Eine einfache Lösung für das letztgenannte Problem seien Kleidungsstücke gewesen – im Fall der Schaltanimation müssen sich Entwickler Gedanken darüber machen, in welchem Kontext sie welche Animationen aktivieren oder deaktivieren.

Ganz generell muss laut Ashforth der Komfort des Spielers von Priorität sein: Dazu gehört eine Erfassung des für den Spieler verfügbaren Bewegungsspielraums, besonders im Hinblick auf „PlayStation Move“-Controller, andererseits müssen sich Entwickler nun auch Gedanken darüber machen, mit welchen Eindrücken sie Spieler konfrontieren und welche Ängste darüber ausgelöst werden könnten.

So sei das Größenverhältnis von Spieler, Spielwelt und Gegnern noch wichtiger als zuvor, da VR-Nutzer emotionaler reagieren als normale Spieler vor einem Bildschirm. Trotz gleicher Schadenswerte entscheidet die Größe eines Gegnermodells darüber, ob er vom Spieler als ernsthafte Bedrohung oder eben nicht wahrgenommen wird. In diesem Sinne ist Höhenangst auch ein Faktor, der bei VR-Erlebnissen berücksichtigt werden soll. Muss der Spieler eine hohe Brücke oder beispielsweise Planke überqueren, kann dies bei manchen Spielern zu ernsthaften Stresserscheinungen führen. Insofern sollte betroffenen Spielern immer auch eine Möglichkeit geboten werden, sich diesem Stresserlebnis nicht aussetzen zu müssen, beispielsweise indem die Kameraperspektive in die 3rd-Person-Sicht wechselt.

Klaustrophobie, die Angst vor dem Dunkeln, Angst vor bestimmten Kreaturen (Spinnen, Schlangen etc.) sowie ganz generell intensive Horror-Situationen können sich in VR-Spielen viel stärker auswirken als in traditionellen Spielerlebnissen. Gleiches gilt für die Angst vor Leere, die beim Nutzer das verstärkte Gefühl der Isolation oder des Alleinseins hervorrufen können. „In der virtuellen Realität kannst du eine Vielzahl an Dingen tun, die du in der Realität nicht tun könntest“, so Ashforth.

Im Hinblick auf Project Morpheus erwähnte Ashforth, dass viele Menschen beim Gedanken an Virtual Reality von isolierten Erlebnissen ausgehen, weil nur der Träger des Systems sieht, was in der Spielwelt vor sich geht. Morpheus soll dieses Problem mit dem „Second Screen Erlebnis“ lösen, indem Zuschauer dem Spielverlauf auf dem mit der PS4 verbundenen Bildschirm mitverfolgen können. Ebenso könne man Controller auch im Spiel selbst sichtbar machen, da diese von der PS4 getrackt werden: Als Beispiel nannte Ashforth die Möglichkeit einen auf dem Tisch liegenden „PlayStation Move“-Controller im Spiel selbst anhand seiner Position anzuzeigen – wenn der Nutzer in die Richtung des Controllers blickt, könnte man beispielsweise über diesem schwebend in der virtuellen Spielwelt ein Menü einblenden lassen.

Seinen GDC Vortrag beendete Ashforth mit einem Aufruf an die Entwicklergemeinschaft: „Es werden virtuelle Pioniere benötigt!

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