Netzneutralität: Netzaktivisten feiern „epischen Sieg“ in den USA

Andreas Frischholz
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Netzneutralität: Netzaktivisten feiern „epischen Sieg“ in den USA
Bild: msmariamad | CC BY 2.0

Mit einer knappen Mehrheit hat die US-Regulierungsbehörde Federal Communications Commission (FCC) die Vorgaben zur Netzneutralität beschlossen, die Anfang des Monats offiziell vorgestellt wurden. Während Netzaktivisten die Entscheidung als wegweisend begrüßen, reagieren Provider wie Verizon verärgert.

Mit dem Beschluss werden Internet-Anbieter künftig als öffentliche Versorgungsdienstleister („common carriers“) eingestuft. Rechtlich wird der FCC auf diese Weise ermöglicht, die Datenübertragung sowohl im Festnetz als auch im Mobilfunk strikter zu regulieren. Daher konnten nun drei zentrale Regeln beschlossen werden, die das offene Internet bewahren sollen. Zu diesen zählen:

  • Keine Netzsperren: Breitbandanbieter dürfen nicht den Zugang zu legalen Inhalten, Anwendungen, Diensten und „unbedenklichen“ Geräten blockieren. Bei solchen Geräten handelt es sich etwa um Router und Switches.
  • Kein Drosseln: Breitbandanbieter dürfen den Traffic nicht beeinträchtigen oder verschlechtern, nur weil dieser von bestimmten Inhalten, Anwendungen, Diensten und Geräten (wie etwa Routern) stammt.
  • Keine Bezahldienste: Dieser Punkt betrifft die sogenannten Überholspuren („Fast Lanes“). Breitbandanbietern ist es untersagt, bestimmten Traffic gegen Bezahlung schneller zu übermitteln. Diese Regelung gilt auch für den Traffic von den Tochterunternehmen der Provider.

Es existieren zwar auch Ausnahmen, doch die sollen den Internetanbietern in erster Linie ermöglichen, in das Netzwerk-Management einzugreifen, falls dies technisch erforderlich ist. Zudem werden die entsprechenden Maßnahmen vom FCC kontrolliert. Im Kern handelt es sich bei diesen Vorgaben zur Netzneutralität also um den Plan, den US-Präsident Barack Obama bereits im November 2014 skizziert hat – der Präsident zeigt sich zufrieden.

Regelrecht euphorisch reagieren die Netzaktivisten. Auf der Kampagnen-Webseite Battle for the Net wird der FCC-Beschluss als „Epic Victory“ bezeichnet. Der Guardian beschreibt den Streit um die Netzneutralität als eine der „intensivsten – und seltsamsten – Lobby-Schlachten in der modernen Washingtoner Politik-Geschichte“. Denn: Ein entscheidender Beitrag für diese strikten Vorgaben waren die über vier Millionen – zumeist kritischen – Kommentare, die bei der FCC für den ursprünglichen Plan eingegangen sind. Dieser hätte es den Providern noch ermöglicht, mittels der digitalen Überholspuren ein Zwei-Klassen-Internet einzuführen. So erklärt nun auch der FCC-Vorsitzende Tom Wheeler mit Blick auf die zahlreichen Zuschriften: „Wir haben zugehört und wir haben gelernt“. Aufgrund der zahlreichen Zuschriften sei der Prozess das transparenteste Verfahren in der FCC-Geschichte gewesen.

Hierzulande fallen die Reaktionen von Netzaktivisten ähnlich aus. So erklärt etwa der Bürgerrechtsverein Digitale Gesellschaft, mit dem Beschluss erkenne die FCC das Internet „als besonders schützenswertes öffentliches Gut und als infrastrukturelle Grundlage einer digitalen Gesellschaft an“. Daher müsse Europa nun mit den USA gleichziehen, statt „weiter ein Zwei-Klassen-Netz zu befördern, das die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Online-Wirtschaft bedroht“, fordert Alexander Sander, der Geschäftsführer von Digitale Gesellschaft.

Netzbetreiber geben noch nicht auf

Massive Kritik äußern Netzbetreiber und allen voran Verizon (PDF-Datei). Dem Anbieter zufolge werde das Breitband-Internet nun unter Regeln gestellt, die noch aus der Ära der „Dampf-Lokomotiven und des Telegraphen“ stammen. Dies sei ein radikaler Schritt, der ungewisse Zeiten für Verbraucher, Innovatoren und Investoren nach sich ziehen werde. Bizarrer Randaspekt: Die Pressemeldung wurde in Schreibmaschinen-Optik veröffentlicht und auf den 26. Februar 1934 datiert. Dass Verizon so scharfe Kritik äußert, ist wenig verwunderlich. Der Konzern hatte bereits gegen die ursprünglichen Vorgaben zur Netzneutralität in den USA geklagt und sich vor Gericht durchgesetzt.

Derweil erklärt AT&T, dass der Beschluss noch nicht in Stein gemeißelt sei. Denn die Entscheidung sei mit drei zu zwei Stimmen äußerst knapp ausgefallen. Und dementsprechend könne sich das Kräfteverhältnis innerhalb von zwei Jahren wieder ändern. Darüber hinaus stellt der Provider die Frage in den Raum, ob dieser FCC-Beschluss überhaupt vom Kongress legitimiert ist.

Deutlich wird: Trotz des FCC-Beschlusses geht der Streit um die Netzneutralität und das offene Internet weiter.