GeForce GTX 970: Nvidia bestätigt Limitierungen am Speicher
Nvidia hat bestätigt, dass die GeForce GTX 970 nur auf 3,5 GB GDDR5-Speicher mit höchster Geschwindigkeit zugreifen kann. Käufer der Karte hatten vor knapp drei Wochen zuerst im Forum von Guru3D von Problemen mit dem Speicher berichtet, eine Testsoftware des ComputerBase-Lesers Nai hatte die Diskussion dann weltweit angeheizt.
Das Thema fand seinen Ursprung in der von Kunden am 7. Januar veröffentlichten Beobachtung, dass die GeForce GTX 970 in Spielen, in denen die GeForce GTX 980 die vollen 4,0 GB Speicher belegt, nur auf 3,5 GB zugreift. Einzig in extrem hohen Auflösungen oder unter Einsatz von forderndem Anti-Aliasing oder Downsampling ließ sich auch auf der GeForce GTX 970 mehr Speicher belegen. Zahlreiche Erfahrungsberichte und Videos von Anwendern, die von Leistungsproblemen unter Einstellungen, die mehr als 3,5 GB benötigen, berichteten, entfachten eine Debatte um die Hintergründe und möglichen Auswirkungen.
Am 16. Januar veröffentlichte ComputerBase-Leser Nai ein in CUDA geschriebenes Testprogramm, das den VRAM von GeForce-Grafikkarten in 128-MB-Blöcken beschreibt und den Speicherdurchsatz ermittelt – der Quellcode der Anwendung ist öffentlich. Die Software zeigte in vielen Testläufen ab 3,5 GB genutztem Speicher deutlich abfallende Durchsatzraten auf der GeForce GTX 970 – aber auch auf anderen Grafikkarten meldeten Besitzer Probleme.
Tester berücksichtigten bei der Anwendung oftmals nicht, dass bereits der Fenster-Manager von Windows auf der Grafikkarte Speicher belegt und den Test so schon vor dem Erreichen der 4,0-GB-Marke dazu zwingt, die zuvor abgelegten Daten in den Arbeitsspeicher des Rechners zu laden – was langsam ist. Aber auch beim Booten mit der GPU des Prozessors und damit leerem VRAM der Grafikkarte ließen sich einheitliche Ergebnisse für die GeForce GTX 970 nicht erzielen, was die Verwirrung nur noch größer machte. Handfeste Beweise für die Probleme lieferte die Software nicht.
In einem ersten offiziellen Statement seit Bekanntwerden der Thematik hat Nvidia am Wochenende nun allerdings bestätigt, dass die Einschnitte im GM204 auf der GeForce GTX 970 in der Tat dazu führen, dass nur 3,5 der 4,0 Gigabyte Speicher mit der maximalen Geschwindigkeit angesprochen werden können. Mit den SMMs sei auch die Crossbar, über den der Chip mit dem Speicher kommuniziert, beschnitten worden. Der Treiber versucht deswegen, sämtliche Daten in den ersten 3,5 Gigabyte abzulegen und „nur wenn ein Spiel mehr braucht, erhält es Zugriff auf die restlichen 500 Megabyte“, so der Hersteller.
Laut Nvidia soll es jedoch zu keinem beziehungsweise nur einem sehr geringen Leistungseinbruch kommen, wenn die letzten 512 MB genutzt werden. Der „beste Weg um das zu testen, ist der Blick auf die Leistung in Spielen“, lässt der Grafikchip-Entwickler verlauten und erteilt synthetischen Testprogrammen wie der Software von Nai damit indirekt eine klare Absage.
Um den eigenen Standpunkt zu stützen, hat Nvidia Leistungsmessungen aus drei Spielen veröffentlicht, die belegen sollen, dass die GeForce GTX 970 nur unwesentlich an Leistung durch ihre Limitierung verliert.
In zwei Spielen sind es ein drei Prozent höherer Leistungsverlust auf der GeForce GTX 970 als auf der GeForce GTX 980 beim Wechsel von Einstellungen, die weniger als 3,5 GB benötigen, auf Einstellungen, die mehr Speicher brauchen. In einem anderen ist es ein Prozent.
Einstellungen | Leistung GTX 980 | Leistung GTX 970 |
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Shadows of Mordor | ||
2.688 × 1.512, „very high“ (< 3,5 GB belegt) | 72 FPS | 60 FPS |
3.456 × 1.944, „very high“ (> 3,5 GB belegt) | 55 FPS (-24 %) | 45 FPS (-25 %) |
Battlefield 4 | ||
3.840 × 2.160, 2×MSAA (< 3,5 GB belegt) | 36 FPS | 30 FPS |
3.840 × 2.160, 2×MSAA, DSR 135 % (> 3,5 GB belegt) | 19 FPS (-47 %) | 15 FPS (-50 %) |
Call of Duty: Advanced Warfare | ||
3.840 × 2.160, FSMAA T2x, SSAA aus (< 3,5 GB belegt) | 82 FPS | 71 FPS |
3.840 × 2.160, FSMAA T2x, SSAA an (> 3,5 GB belegt) | 48 FPS (-41 %) | 40 FPS (-44 %) |
Auf die zahlreichen Meldungen von Spielern, Spiele würden unter Verwendung von mehr als 3,5 Gigabyte auf der GeForce GTX 970 stark stottern, geht der Hersteller indes ebenso wenig ein wie auf Anschuldigungen, die beworbenen vier Gigabyte Speicher würden nicht der Realität entsprechen beziehungsweise wären nicht durchgängig (schnell) nutzbar. Auch den Widerspruch zwischen der Vermeidung vom Zugriff auf mehr als 3,5 GB und der Beteuerung, Leistungsprobleme lägen bei mehr als 3,5 GB nicht vor, klärt Nvidia nicht auf.
Es ist nicht das erste Mal, dass eine Grafikkarte von Nvidia den verlöteten Speicher unterschiedlich anspricht. Bei der GeForce GTX 660 Ti waren nur 50 Prozent des 2.048 MB großen Speichers an ein 128-Bit-Interface angebunden, für die anderen 50 Prozent verblieben nur 64 Bit. Nvidia hatte diese technische Eigenschaft zur Markteinführung aber offen kommuniziert.
ComputerBase wird den von Spielern und Nvidia aufgestellten Behauptungen weiter nachgehen. Sowohl der handfeste, unwiderlegbare Nachweis von Problemen in Folge der Speicherlimitierung als auch deren Widerlegung brauchen allerdings Zeit. Hinweise von Betroffenen, auf welchen Systemen und unter welchen Einstellungen es zu den beschriebenen Einschränkungen kommt, sind in den Kommentaren willkommen.
Ein Ingenieur von Nvidia hat gegenüber den US-Medien PC Perspective, Anandtech und The Tech Report mehr Details zur Speicherbegrenzung bekannt gegeben und in diesem Zusammenhang auch bestätigt, dass auf der GeForce GTX 970 gegenüber der GeForce GTX 980 nicht nur der Speicher abgespeckt worden ist, sondern auch der L2-Cache sowie die ROPs – Software-Tools hatten immer wieder auf diese Möglichkeit hingewiesen. Dies sei damit begründet, dass sowohl der Cache-Speicher als auch die Rastereinheiten mit dem Speichersystem verbunden sind.
Schlussendlich sind damit die von Nvidia zur Präsentation angegebenen technischen Spezifikationen der GeForce GTX 970 nicht korrekt. So fehlt der Grafikkarte eine ROP-Partition (acht sind auf dem GM204 vorhanden) sowie ein Achtel des L2-Caches. Damit sind von den physisch vorhandenen 64 ROPs noch 56 aktiv (wobei die SMM auf der GTX 970 ohnehin nur 52 ROPs mit Pixeln versorgen können, die restlichen ROPs sind bei hohen Kantenglättungsmodi hilfreich). Vom L2-Cache bleiben von den 2.048 Kilobyte noch 1.792 KB übrig.
Nvidia bleibt bei der Darstellung, dass die in Spielen zu erwartenden Leistungseinbußen im Vergleich zu einer theoretisch unbeschnittenen GeForce GTX 970 im Schnitt zwischen vier und sechs Prozent betragen – das entspricht dem Faktor zwei der am Wochenende veröffentlichten Beispiele. Probleme wie starkes Ruckeln oder Abstürze in Folge der Eingriffe schließt Nvidia auch weiterhin aus.
Nvidia entschuldigt sich für die falschen technischen Angaben der GeForce GTX 970 und gibt eine Fehlkommunikation zwischen der Entwicklung und dem Marketing als Grund an.
Während der deutsche Handel weiterhin auf eine offizielle Ansage von Nvidia wartet, wie mit Kunden, die die Grafikkarten zurückgeben wollen, umzugehen ist, unterstützt ein Mitarbeiter des Unternehmens Kunden in den USA bei der Rückgabe über den Händler oder Hersteller. Er könne zwar „nichts garantieren“, erklärt Peter Sierant, verantwortlich für den Kundendienst in den USA, auf GeForce.com, „ich biete euch aber an, den Hersteller in eurem Namen zu kontaktieren“. Eine offizielle Ansage an den Handel gibt es auch in den USA noch nicht.
To be clear, if you no longer want the card and can't get the manufacturer to help you out somehow, I'm offering to help by contacting them on your behalf. I can't guarantee anything specific like refund vs credit vs upgrade+cash or whatever as they are independent companies.
Peter Sierant, Nvidia
Erste deutsche Händler haben in der Zwischenzeit damit begonnen, die GeForce GTX 970 gegen Kulanz und ohne Anerkennung eines Sachmangels zurück zu nehmen und den Kaufpreis zu erstatten. Die Masse an Anfragen in den Service-Abteilungen und verärgerte Kunden in den Ladengeschäften hätten den Handel zum Handeln gezwungen. Eine Übersicht findet sich im Forum von ComputerBase.
ComputerBase hat die Auswirkungen der Limitierung beim Speicher inzwischen analysiert. Trotz Treiberoptimierung zeigt sich, dass die GeForce GTX 970 in Szenarien, in denen vier Gigabyte VRAM benötigt werden, deutlich schlechter abschneidet als die GeForce GTX 980 – und die Einschnitte gegenüber im Schnitt vier bis sechs Prozent Leistungsverlust hinaus.
Die Frage nach den Auswirkungen, die die Einschnitte am Speicher haben, ist klar mit der Frage nach Spielen, die vier Gigabyte Speicher benötigen, gleichzusetzen. Und diese Frage kann pauschal nicht beantwortet werden. Programme, die die aktuelle Speicherbelegung anzeigen, helfen bei der Beantwortung nicht weiter.
Dem Eingeständnis einer fehlerhaften Kommunikation zur Markteinführung und der Veröffentlichung der Details zur Limitierung des Speichers auf der GeForce GTX 970 sind auch über das Wochenende keine neuen Äußerungen von Nvidia gegenüber der Presse gefolgt. Verlautbarungen auf Twitter, im Forum des Herstellers und gegenüber Händlern deuten darauf hin, dass es auch kein weiteres Statement mehr geben wird.
Gleich mehrfach hat Nvidia gegenüber Kunden auf Twitter betont, dass die GeForce GTX 970 nicht fehlerhaft sei. Sie verfüge über 4 GB GDDR5, die genau so funktionieren, wie es der Hersteller beabsichtigt habe. „Die GeForce GTX 970 hat kein Speicherproblem“, so Nvidia.
Dieser Auffassung folgt nach Diskussionen über die vergangenen Tage auch der deutsche Handel. Sowohl Caseking als auch Mindfactory haben erklärt, keinen Sachmangel anzuerkennen, da das Produkt nicht schlechter aufgestellt sei, als es in Tests zur Marktstart dargestellt wurde, und vom Handel kommunizierte Eckdaten wie die Taktraten oder das Speichervolumen korrekt gewesen sein. Beide Händler nehmen die Grafikkarte allerdings weiterhin aus Kulanz zurück und erstatten den vollen Kaufpreis. Mindfactory gibt Kunden dafür 30 Tage Zeit, Caseking hat noch kein zeitliches Limit gesetzt. Auch Arlt nimmt Grafikkarten gegen Erstattung des Kaufpreises noch bis zum 14. Februar zurück.
Solltet ihr dennoch der Meinung sein, dass der Kauf der GeForce GTX 970 Grafikkarte nicht mehr die richtige Wahl für eure Anforderungen ist, werden wir als kundennahes und Service orientiertes Unternehmen diese Entscheidung vorbehaltlos akzeptieren und gewähren ein außerordentliches Rücktrittsrecht und die Erstattung des Kaufpreises ohne Abzüge. Dieses Angebot gilt ab heute für die nächsten 30 Tage im Rahmen der Kulanz ohne Anerkennung einer Rechtspflicht.
Mindfactory im Forum von ComputerBase
Dass Nvidia an einem Treiber arbeitet, der die von Anwendern und ComputerBase aufgezeigten Probleme beim Zugriff auf die letzten 512 Megabyte VRAM gezielt angeht, hat Peter Sierant, verantwortlich für den Kundendienst in den USA, inzwischen dementiert. Sein erster Beitrag sei irreführend gewesen. „Wir arbeiten immer daran, unsere Treiber für alle unsere Grafikkarten zu verbessern, inklusive der GeForce GTX 970,“ formuliert Sierant in einem neuen Beitrag deutlich weniger spezifisch.
Besonders verärgerten Kunden, deren Händler die Rücknahme der GeForce GTX 970 verweigern, bietet Sierant auf GeForce.com immer noch seine persönliche Unterstützung an.
Weitere Händler haben sich der Sprachregelung, die GeForce GTX 970 verfüge über keinen Sachmangel und sei vom Handel auch nicht fehlerhaft beworben worden, angeschlossen. Amazon bietet auf Kulanz zwar weiterhin die Rückgabe gegen Erstattung des Kaufpreises an, eine Preisreduktion um bis zu 50 Euro wird Kunden hingegen nicht mehr geboten. „Preisreduktionen haben wir vorgenommen bevor das Statement von Nvidia veröffentlicht wurde und klar gesagt wurde das [sic] es sich nicht um einen Fehler oder ein Defekt handelt“, erklärt Amazon gegenüber dem ComputerBase-Leser tropenshorty. „Ich kann Ihre Enttäuschung persönlich natürlich nachvollziehen, da der Speicher nun nicht wie auf dem Papier, wie bei der 980 angebunden ist [sic]“, wirbt ein weiterer Mitarbeiter um Verständnis.
Die Anwaltskanzlei Bursor & Fisher sucht in den USA mittlerweile Käufer der GeForce GTX 970, die gewillt sind, ihre persönliche Meinung zur Leistungsfähigkeit der Grafikkarte zu teilen. Im Kern sammelt die Kanzlei Hinweise auf negative Auswirkungen der Limitierungen auf die Leistungsfähigkeit im Alltag. Bursor & Fisher hat sich auf Sammelklagen spezialisiert und in der Vergangenheit erfolgreiche Verfahren unter anderem gegen den SIM-Lock im Netz von AT&T angestrebt.