Quo Vadis 2015: „Schlechte Klone zerstören die Marke“
Es ist ein schwerer und nicht selten zutreffender Vorwurf, wenn Spieler, Spielejournalisten und sogar Entwickler einem bestimmten Titel unterstellen, sich allzu sehr beim bisherigen Standard, bei großen Vorbildern bedient zu haben. Ein solcher Vorwurf ist deswegen so schwerwiegend, weil er viele negative Eigenschaften unterstellt: Mangelnde Kreativität, Faulheit, Dreistigkeit – oder einfach Unvermögen.
Die Einordnung dieses „Clonings“ sollte, so könnte man deswegen meinen, vor diesem Hintergrund eindeutig sein: Das Kopieren von Spielmechaniken und Inhalten ist schlecht und verwerflich.
Sind Klone Problem oder Notwendigkeit?
Innerhalb der Branche, das wurde auf der Entwicklerkonferenz Quo Vadis 2015 deutlich, ist die Einordnung allerdings alles andere als klar. Das zeigte sich auch im Rahmen der entsprechenden Paneldiskussion auf der Konferenz. Diese punktete schon mit einer spannenden Besetzung: Zu den Entwicklern Daniel Helbig und Olliver Heins gesellten sich Lies van Roessel vom Humboldt Institute for Internet and Society und der auf Marken- und Patentrechte spezialisierte Rechtsanwalt Claas Oehler.
Oehler kam bedingt durch seinen Hintergrund die Rolle zu, den rechtlichen Rahmen zu beschreiben. „Originalität ist für Spiele nicht klar definiert“, steckte der Rechtsanwalt gleich zu Beginn der Diskussion das juristische Feld ab. So sei die Idee zu einem Spiel selten vom Recht geschützt. Weil so viele Graubereiche existierten, gäbe es verhältnismäßig wenige juristische Auseinandersetzungen, so Oehler. Selbst große Unternehmen würden aufgrund des Aufwandes nicht immer ihr Recht durchsetzen. „Sobald es international wird, wird es teuer.“
Müssen also die rechtlichen Möglichkeiten, die ein Vorgehen gegen dreiste Klone erlauben, verstärkt werden? Oehler ist da skeptisch. Ein allzu scharfes Patentrecht könnte negative Auswirkungen auf die gesamte Branche haben, warnte er. Wenn ganze Spielmechaniken und -grundlagen rechtlich geschützt seien, würde dies viele Entwicklungen abwürgen. Betroffen wären insbesondere unabhängige Entwickler, bei denen rechtliche Erwägungen häufig eine nebensächliche Rolle spielen.
Schwierig ist nicht nur die rechtliche Bewertung
Spätestens an dieser Stelle wurde deutlich, dass nicht nur der rechtliche Bereich aus einer großen Grauzone besteht. Auch inhaltlich ist das Klonen, zumindest ein Stück weit, durchaus wichtig, schließlich kann der Stein der Weisen nicht jeden Monat neu erfunden werden. Hinzu kommt, dass die Kundschaft Bekanntes durchaus schätzt. „Ein originelles Spiel hat es schwer, erfolgreich zu sein“, sagte dazu Lies van Roessel. Dazu müssten die Inhalte vielmehr auf etwas Bekanntem aufbauen, so die Wissenschaftlerin.
Wie vielfältig die Positionen bei der Bewertung des Clonings sind, wurde auch in der rhetorischen Auseinandersetzungen zwischen den Entwicklern Helbig und Heins deutlich. Auf der einen Seite Heins, der ganz pragmatisch darauf hinwies, dass sich Klonen kaum verhindern lasse, und zwar gerade, wenn es um versteckte Konkurrenten aus Asien gehe. Zudem, so Heins, würden auch alle großen Unternehmen nun mal Geld verdienen wollen. Aus diesem Grund sei Marktforschung ein wichtiger Bestandteil bei der Entwicklung neuer Titel: Weshalb war Spiel XY besonders erfolgreich? Und wie können wir diesen Aspekt in unser Projekt integrieren? Die Beantwortung solcher Fragen durch die Auswertung der Konkurrenz sei nur legitim, schließlich ginge es den Unternehmen darum, durch den Erfolg den eigenen Bestand und damit die Arbeitsplätze ihrer Mitarbeiter zu sichern, führte Heins aus.
Auf der anderen Seite der idealistische Helbig, der sich über die Situation aufregte. „Schlechte Klone zerstören deine Marke“, so der Entwickler, dessen Werke bereits Opfer von Kopien aus Asien geworden sind. So sei er immer wieder mit Spielern konfrontiert worden, die nicht mehr zwischen Original und Kopie hätten unterscheiden können und deswegen die Qualität des Originals in Frage gestellt hätten. Der beste Schutz gegen Klone sei daher, dass das Original eine möglichst große Bekanntheit genießt und sich die Kopie so schnell als solche entlarvt.
„Es liegt bei jedem Einzelnen, das nicht zu tun.“ Daniel Helbig, Spieleentwickler
Darüber hinaus wollte Helbig Heins' wirtschaftliche Argumente nicht gelten lassen: „Ich will kein Unternehmen haben, um ein Unternehmen zu haben.“ Der Ansatz, Spiele zu entwickeln, um sich und seine Mitarbeiter durchzubringen, sei falsch und rechtfertige nicht, bei anderen abzukupfern. „Es liegt bei jedem Einzelnen, das nicht zu tun.“
Unterstützt wurde Helbig an dieser Stelle von Wissenschaftlerin van Roessel, die hervorhob, dass das Klonen enormen wirtschaftlichen Schaden bei den Betroffenen verursachen könne. „Viele Entwickler investieren Monate in Details wie das Balancing“, so van Roessel. Diese Arbeit werde einfach mitgenommen, wenn Klone erstellt würden. „Arbeit, die vielleicht ein Jahr gekostet hat, wird so innerhalb weniger Tage kopiert“, sagte van Roessel. Die Folge sei, dass die Kopierer ihr Produkt wesentlich günstiger anbieten und so sogar zu direkten Konkurrenten des Originals werden könnten.
Die Geldfrage ist die Gretchenfrage
Unterm Strich wurde bei der Diskussion deutlich, dass die Bewertung von Klonen außerordentlich schwierig ist. Aus rechtlicher Perspektive fasste Anwalt Oehler die Schwierigkeiten wie folgt zusammen: „Das Recht ist oft keine große Hilfe.“
Doch auch inhaltlich finden sich einige Argumente, die das Abkupfern zumindest bis zu einem gewissen Grad als Notwendigkeit erscheinen lassen. Ob man dabei der Einschätzung des Idealisten Helbig oder des Pragmatikers Heins folgt, ist Ansichtssache. In einem Punkt hat Heins aber sicher recht: „Es kommt ganz auf den Anspruch an. Willst du deine Vision verwirklichen? Oder willst du Geld verdienen?“
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