Doom Beta angespielt: Guter klassischer Shooter trifft zu viel Moderne
Doom Beta
Bethesda testet den Mehrspieler-Modus von Doom in einer Beta-Phase auf Herz und Nieren. Versprochen wird schnelles Gameplay klassischer Arena-Shooter von id Software, das mit zahlreiche Elementen moderner Shooter aktualisiert wird. Nötig wäre das allerdings nicht.
Das Beiwerk stammt aus Halo und Call of Duty
Der erste Kontakt mit Doom fällt für ältere Semester ernüchternd aus. Aus dem schlanken Arenashootern der Jahrtausendwende ist ein moderner Genrevertreter mit einer Menge unnötigem Beiwerk geworden. Abzeichen und Medaillen für erfolgreiches Spielen sowie die Möglichkeit, seinen Charakter mit Rüstungsteilen sowie Farbmustern über allerhand kosmetische Optionen individuell zu gestalten, sind klar von Halo inspiriert, das Levelsystem mit verschiedenen Ausrüstungs-Slots ziert die Handschrift eines Call of Duty. Vom Willen zur unbedingten Modernisierung zeugt auch der durch ein Matchmaking-System ersetzte Server-Browser.
Damit wäre die größte Änderung des Spiels bereits angeschnitten: Waffen liegen nicht länger in Karten herum, sondern müssen ausgerüstet werden; maximal zwei davon darf ein Spieler gleichzeitig während seines Lebens tragen. Dazu kommt ein Gadget, in der Beta eine Granate mit Sprengstoff, ein Vampir-Modell, das Gegnern Lebensenergie stiehlt, oder ein Teleporter. An diese Ausrüstung sind Spieler allerdings bis zu ihrem Tod gebunden, was massiven Einfluss auf das Spielgefühl hat.
Wie früher und doch anders
Aufgrund dieser gravierenden Änderung laufen nicht ein oder zwei Spieler, wie in älteren Shootern von id üblich, sondern mitunter fünf, acht oder alle zwölf Spieler mit der gleichen Primärwaffe herum. Das erzeugt andere Situationen, etwa einen mit Raketen gefüllten Gang, in dem sich Geschossen unmöglich ausweichen lässt. Der ist eine echte Todesfalle und zwingt zu situativem Umdenken. Da nur zwei (beliebige) Waffen mitgeführt werden dürfen, lässt sich theoretisch eine geschickte Konter-Ausrüstung wählen, sofern genug Ausrüstungsslots vorhanden sind und vorkonfiguriert wurden. Während eines Matches lässt sich diese nämlich nicht ändern – eine Unsitte moderner Shooter.
Prinzipiell hat ein solches Design außerdem das Potential, die Kluft zwischen guten und schlechten Spielern zu verringern, weil die taktische Flexibilität verringert wird und Profis von ihrer Kartenkenntnis weniger profitieren; sie können keine neu spawnenden Waffen pünktlich abpassen und sich somit auch größeres vollständiges Arsenal mehr anspielen. Allerdings werden Spieler so auch nie mit einer Situation konfrontiert, in der sie mit einer Waffe vorlieb nehmen müssen, die ihnen nicht liegt.
In der Beta stört das neue System, das letztlich auch eine Frage des Geschmacks ist, aber aus einem anderen Grund: Es hat eine bemerkenswerten Monokultur erzeugt, die überwiegende Mehrheit der Spieler war mit einem Raketenwerfer unterwegs. Verantwortlich dafür ist möglicherweise schlicht der subjektive Eindruck eine starke Waffe gewählt zu haben, der auch durch die Schadensanzeige gestützt wird – so große Ziffern bringt regulär kein anderes Gerät hervor. Ansonsten fühlt sich das aus alten Arenashootern des Entwicklers bekannte Arsenal nicht unbedingt spektakulär kräftig an.
Frag like it's 1999
Trotzdem befindet sich unter dem Berg modischer Modernisierung noch immer ein klassischer Shooter, dessen Wiederbelebung sich in den vergangenen Jahren zahlreiche Studios auf die Fahnen geschrieben haben. Das schnelle Gameplay, das fixe Reaktionen und Kartenkenntnisse immer noch belohnt, grenzt Doom klar von anderen Genrevertretern auf dem PC ab und lässt tatsächlich Erinnerungen an alte Spiele wach werden. Ganz so wie damals fühlt sich Doom aber aus verschiedenen Gründen nicht an; das Bild scheint stets etwas verschoben zu sein.
Sich flüssig und schnell über die Karten zu bewegen, bleibt weiterhin wichtig, ist aber ein wenig einfacher geworden, weil mit Doppelsprüngen und der Option, Kanten emporzuklettern, wie in Halo 5 auch nicht optimale Sprünge gerettet werden können; schon nach wenigen Minuten lässt sich daher mit minimaler Übung geschickt über Kanten und Vorsprünge springen. Nötig ist das richtige Laufen über die Karte, weil Pickups weiter eine zentrale Rolle einnehmen. Sie spenden Heilung, Rüstung, Munition und in Form von Power Ups spielerische Vorteile, etwa vierfachen Waffenschaden, eine höhere Laufgeschwindigkeit, eine besonders mächtige Waffe oder die Möglichkeit, kurzzeitig als übermächtiger Dämon zu spielen.
Power Ups lassen das Balancing kentern
Die Wirkung des Dämonen-Upgrades für das Spielgefühl ist jedoch fatal: Mit hoher Anzahl Lebenspunkten und krassem Waffenschaden erfordert das Höllentier kaum Fertigkeiten, um seinen Besitzer in eine Todesmaschine zu verwandeln. Die Hilflosigkeit des Gegenübers steht allerdings im Gegensatz zum eigentlich kompetitiven Gedanken alter Arena-Shooter und befremdet – selbst gegenüber Spielern mit Power Ups sollte zumindest eine kleine Chance auf einen Sieg im direkten Kampf bestehen. In Doom bedeutet eine Konfrontation mit dem Revenant-Dämon hingegen unausweichlich den Tod, womit das sinnvolle Ungleichgewicht vollständig kentert.
So wird der Eindruck eines echten, in jeder Situation skillbasierten Shooters verwässert. Eine ähnliche Wirkungen haben die Hack-Module. Dabei handelt es sich um Booster, die nach dem Ableben den Wiedereinstieg erleichtern sollen. Die insgesamt 60 Sekunden pro Ladung nutzbaren Hacks werden nach Matches zufällig verteilt und erlauben es unter anderem, mit ein wenig Rüstung zu starten oder kurzzeitig alle Gegner in der Umgebung zu sehen – das, was früher als Wallhack verpönt war, wird nun Teil des Spiels.
Ausblick: Weniger könnte mehr sein
Doom macht Spaß, das ist die gute Nachricht. Dass diese Freude am Spiel von einem steten Unbehagen über die neue Ausrichtung begleitet wird, ist die schlechte. Denn das, was Betehsda in der Beta zeigt, unterhält eher trotz der Neuerungen, nicht wegen ihnen. Verantwortlich ist dafür der klassische Kern der alten Arenashooter von id Software, der sich unter der Haube noch immer erkennen lässt – der aber in seiner modernisierten Form ein Stück seiner Identität verraten hat. Nötig wäre das nicht: Am Ende verfestigt sich der Eindruck, dass Doom mit weniger Standardfeatures aktueller Ego-Shooter ein besseres Spiel sein könnte.
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