Amazon Blended Reality: Spiegel kleidet Betrachter an fernen Orten ein

Jan-Frederik Timm
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Amazon Blended Reality: Spiegel kleidet Betrachter an fernen Orten ein
Bild: Amazon

Amazon will Kunden in Zukunft in anderen Outfits in andere Welten versetzen können – und zwar so realistisch wie nie zuvor. Auf das dafür eingesetzte „Blended Reality Device“ hat der Konzern jetzt ein Patent in den USA zugesprochen bekommen. Im Kern kombiniert es einen Spiegel mit einem dahinter liegenden Display.

Mehr als nur das eigene Spiegelbild

Amazon erklärt in den Ausführungen zur Patentanmeldung (Patent 9,858,719 B2): Über ausgefeilte Spiegel-Systeme sei es zwar bereits heute möglich, weitere Objekte in das Spiegelbild eines Betrachters einzublenden. Das erfordere aber viel Platz und sei wenig flexibel. Auch bereits verfügbare Systeme, die nur auf ein Display setzen wie etwa der Memomi, werden den Anforderungen nicht gerecht. Amazons Zukunftsvision soll mehr Möglichkeiten in nur einem Gerät bieten.

Mit dem Hawaii-Hemd am Strand von Honolulu

Dafür werden ein Spiegel und ein dahinter angebrachtes Display mit „einer oder mehreren“ Kameras und Projektoren kombiniert. Stellt sich der Betrachter vor den Spiegel, sieht er zuerst einmal sein klassisches Spiegelbild inklusive seiner Umgebung. Weil das System über die Kameras inklusive Tiefeninformationen aber exakt weiß, was auf dem Spiegel für den Anwender zu sehen ist, kann es über das Display in zweiter Reihe das eigentliche Spiegelbild auch ersetzen. Das können weitere Gegenstände, vollständig andere Hintergründe um das Spiegelbild des Betrachters oder sogar Objekte auf dem Spiegelbild des Betrachters selber sein – Amazon nennt explizit Kleidungsstücke als Beispiel.

Funktionsweise: Der Betrachter sieht nur teilweise sein echtes Spiegelbild
Funktionsweise: Der Betrachter sieht nur teilweise sein echtes Spiegelbild (Bild: Amazon)

Spiegel und Display könnten dabei ohne weitere Hilfsmittel zum Einsatz kommen, denkbar wäre aber auch der Einsatz einer „aktiven Matrix“, die zwischen beiden Einheiten liegt. Basierend auf Flüssigkristallen, deren Transparenz einstellbar ist, könnte die Intensität, mit der das Display von hinten auf den Spiegel scheint, noch feiner eingestellt werden. Die Matrix könnte dabei separat oder als Teil von Display oder Spiegel vorliegen.

Projektoren für das perfekte Licht auf Pixel-Ebene

Um die Übereinstimmung des echten Spiegelbildes mit dem vom Display angepassten zu perfektionieren, sollen mehrere Projektoren dafür sorgen, dass das, was vom echten Spiegelbild übrig bleibt, im richtigen Licht erstrahlt. Sieht der Betrachter also sein Spiegelbild vor einem Sonnenuntergang am Strand von Hawaii, soll er im passenden Rotton angestrahlt werden – und zwar mit einer Genauigkeit „auf Pixel-Ebene“. Käme hierfür ebenfalls das Display zum Einsatz, würde die Güte der Spiegelung leiden, deshalb will Amazon in diesem Fall direkt vorgehen. Die Ausleuchtung könnte aber nicht nur die verbleibende Spiegelung betreffen, auch das vom Display gezeichnete Bild könnte durch die Spiegelung der Projektion noch verbessert werden – erneut würden verschiedene Realitäten vermischt (to blend). Die dafür zu erhebenden Daten und Berechnungen sind sehr komplex, viel Rechenleistung ist erforderlich.

Alternativ können die Projektoren dazu genutzt werden, nur bestimmte Objekte überhaupt zu beleuchten, um sie im Spiegel abzubilden, während andere im Dunkeln verborgen bleiben. Ferner sei vorstellbar, die Umgebung durch weitere separate Lichtquellen zu beleuchten, deren Genauigkeit wäre aber eingeschränkt, weil es sich um diffuse Lichtquellen handelt: klassische Lampen.

Vom Antrag zur Bewilligung in knapp drei Jahren

Wie für Patente üblich, sind die auf 23 Seiten umrissenen Möglichkeiten umfassend. Auch die Kombination mehrerer Geräte dieser Art wird von Amazon beschrieben. Eingereicht hatte Amazon das Patent bereits vor knapp drei Jahren am 30. März 2015. Bis zur Bewilligung vergehen aber oftmals Jahre. Ankündigungen zu konkreten Produkten hat der Konzern bisher nicht gemacht.