Blizzard: Das nächste Fettnäpfchen ist ein skurriles Diversity-Ranking

Fabian Vecellio del Monego
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Blizzard: Das nächste Fettnäpfchen ist ein skurriles Diversity-Ranking
Bild: Blizzard

Am Wochenende musste Blizzard – mal wieder – einen Shitstorm über sich ergehen lassen. Grund war diesmal ein skurril anmutendes System, um die Diversität von Videospielcharakteren zu quantifizieren. Nachdem sich Außenstehende wie auch Blizzards Entwickler von dem Ranking-Tool distanzierten, folgt eine Stellungnahme.

Eine Kontroverse jagt die nächste

Einst galten famose Videospiele als reichweitenstärkstes Erzeugnis Blizzards, doch in den letzten Jahren gibt es in erster Linie Skandale. Der Publisher scheint kein Fettnäpfchen auszulassen: Noch vor der Pandemie geriet Blizzard im Rahmen der Hongkong-Proteste ins Kreuzfeuer, dann folgten gleich mehrere Sexismus-Skandale, eine Rücktrittswelle und zuletzt Ende 2021 eine Debatte um Gewerkschaften. Dass zwischen alldem jede Menge enttäuschende Neuvorstellungen und Verschiebungen lagen, geht beinahe unter.

Die neueste Kontroverse dreht sich nun um ein absurd anmutendes Diversity-Ranking, mit dem Entwickler Videospielcharaktere hinsichtlich ihrer Diversität kategorisieren sollen können. Blizzard stellte das Tool per Blogeintrag vor, der originale Wortlaut und Bilder sind aber nur noch per Wayback Machine einsehbar.

Blizzard vergibt Punkte für Rasse und Geschlecht

Blizzards eigens gestecktes Ziel mag sogar löblich sein. So geht es laut Blogeintrag darum, sicherzustellen, dass sich ein jeder Spieler mit den Charakteren eines Videospiels identifizieren könne – und besagte Charaktere daher nicht lediglich aus jungen weißen Männern mit braunen Haaren und trainiertem Körper bestehen sollten. Blizzard hingegen wolle fortan systematisch sicherstellen, stets eine diverse Pluralität an spielbaren Charakteren zu bieten.

The Diversity Space Tool is a measurement device, to help identify how diverse a set of character traits are and in turn how diverse that character and casts are when compared to the „norm“ [...]. Once it establishes a baseline for typical character traits [...], it can then weigh new character designs against it to measure their diversity.

During this process, the tool can also uncover unconscious bias, such as why certain traits are seen as „male“ vs. „female“, or why characters from certain ethnic backgrounds are given similar personalities or behaviors.

Blizzards ursprünglicher Blogeintrag

Die konkrete Umsetzung liest sich jedoch als Katalysator zahlreicher Kontroversen. Denn im Blogeintrag heißt es, per Diversity Tool könne auf einer Skala von 1 bis 10 festgehalten werden, wie divers ein bestimmter Charakter ist – und zwar hinsichtlich zehn Kriterien: Kultur, Rasse, Alter, Kognitive Fähigkeiten, Körperliche Fähigkeiten, Körpertyp, Schönheit, Gender Identity, Sexuelle Orientierung und Sozioökonomischer Hintergrund. In der Praxis bedeutet das, dass das Werkzeug verschiedenen Ethnien, Kulturen oder sexuellen Ausrichtungen eine Punktzahl zuweist. Je höher, desto diverser sei ein Charakter in der Disziplin aufgestellt.

Auf einem Screenshot wird beispielhaft Overwatchs Support-Heldin Ana auf diese Weise seziert. Hinsichtlich der Diversität ihrer Kultur schneidet die Ägypterin gut ab, und auch für ihre „arabische Rasse“ [sic!] und hohes Alter gibt es viele Punkte. Da Ana nur über ein funktionierendes Auge verfügt, gibt es eine mittelmäßige Wertung bei den körperlichen Fähigkeiten. Nicht divers seien hingegen ihre schlanke Körperform, ihre Heterosexualität und ihre Schönheit. Dass es sich um eine Frau handelt, wird aber immerhin mit fünf Punkten quittiert.

Es hagelt Kritik – auch von Mitarbeitern

Dass Blizzard folglich nicht nur ein Ranking der Charakter-Diversität, sondern auch ein Ranking der Wertigkeit einzelner Ethnien oder Kulturen erstellt, sorgte am Wochenende für reichlich Aufruhr. Besonders auf Twitter zeigten sich zahlreiche Spieler geschockt, erzürnt oder schlichtweg enttäuscht. Darunter auch Blizzard-Angestellte, so beispielsweise eine Overwatch-Entwicklerin.

Ihr zufolge sei das Overwatch-Team schockiert und nutze das Diversity Ranking gar nicht – Blizzards Blogbeitrag wiederum gab zu Protokoll, dass das Overwatch-Team bereits mit dem Werkzeug experimentiert und enthusiastisch reagiert habe. Verantwortlich ist derweil Blizzard King – also das Studio, das beispielsweise Candy Crush entwickelt.

Stellungnahme bemüht sich um Schadensbegrenzung

Mittlerweile hat Blizzard den Blogeintrag überarbeitet und mit einer Stellungnahme zu den zahlreichen Vorwürfen ergänzt. Dabei rudert der Publisher zunächst zurück und verweist darauf, dass das Diversity Ranking nicht in der Entwicklung verwendet wäre – stattdessen diene es zur nachgelagerten Evaluation der eigenen Spiele. Darüber hinaus wird hervorgehoben, dass es darum gehe, bei den eigenen Charakteren nicht aus Versehen Vorurteile zu bedienen. Das Werkzeug helfe dabei ebenso wie beim internen Diskurs. So sei das Diversity Ranking „eine Brücke zu Gesprächen über durchdachte Inklusion in Videospielen“.

There has been conversation online regarding the Diversity Space Tool, particularly concerning its intent and our commitment to diversity. [...]

Started in 2016, the Diversity Space Tool – currently in beta – was designed as an optional supplement to the hard work and focus our teams already place on telling diverse stories with diverse characters, but decisions regarding in-game content have been and will always be driven by development teams. [...]

The objective of using the tool is to uncover unconscious bias by identifying existing norms in representation and acknowledging opportunities for growth in inclusion. It is not a substitute for any other essential effort by our teams in this regard, nor will it alter our company’s diversity hiring goals. Over the past several years, the development of the tool was done with the support of all our employee Diversity, Equity & Inclusion networks, and we collaborated with external partners to create an even more robust tool.

The tool isn’t meant to be used in isolation; teams would sit down with company Diversity, Equity & Inclusion staff to identify existing norms and then discuss, educate, consult, and collaborate on how a character’s representation is expressed beyond those norms. This process is intended to create a conversation where our developers, assisted by the tool, challenge assumptions, assess choices, and find opportunities for authentic representation to be fostered in our games. [...]

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