Chat-Überwachung: Justizministerium will Hürden für Staatstrojaner erhöhen

Andreas Frischholz
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Chat-Überwachung: Justizministerium will Hürden für Staatstrojaner erhöhen
Bild: Carsten | CC BY 2.0

Das Bundesjustizministerium will den Einsatz des Staatstrojaners beschränken, meldet die Tagesschau. Dem ARD-Hauptstadtstudio liegt ein Gesetzentwurf vor, der vor allem bei der Kommunikationsüberwachung in Fällen mit Alltagskriminalität einschränken soll.

Das aktuelle Staatstrojaner-Gesetz ist im Kern im Jahr 2017 entstanden und ermöglicht Polizei- und Sicherheitsbehörden, auch Messenger-Dienste wie WhatsApp zu überwachen, indem Trojaner direkt auf die Geräte der Verdächtigen eingespielt werden. Das erfolgt im Rahmen der Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) und der Online-Durchsuchung. Bei der Quellen-TKÜ sind die Auflagen für den Einsatz niedriger, dafür dürfen Sicherheitsbehörden auch nur Kommunikationsinhalte ausleiten. Bei der Online-Durchsuchung kann das vollständige Gerät infiltriert werden.

Höhere Auflagen für Kommunikationsüberwachung

Das 2017er Gesetz war äußerst umstritten. Einer der Kritikpunkte bis heute ist, dass die Quellen-TKÜ sich kaum von der Online-Durchsuchung unterscheiden lässt. In diesem Bereich will das Bundesjustizministerium unter Marco Buschmann (FDP) nun nachbessern. So soll die Quellen-TKÜ künftig nur noch laufende Kommunikation umfassen, ein Zugriff auf abgeschlossene Chats will man verhindern. Zudem soll der Staatstrojaner nicht mehr bei Delikten wie Urkundenfälschungen oder Wettbewerbsstraftaten zum Einsatz kommen, heißt es bei der Tagesschau. Bei schwerer Kriminalität wie Mordermittlungen oder Entführungen ist die Chat-Überwachung weiterhin möglich.

Verschärfen will das Bundesjustizministerium auch die rechtliche Kontrolle. Laut dem Gesetzentwurf soll nicht mehr nur ein einzelner Richter, sondern die Kammer eines Landgerichts mit einem hauptamtlichen Richter und bis zu zwei Schöffen über die Quellen-TKÜ entscheiden. Verlängert werden darf der Einsatz dann auch nur noch für einen Monat und nicht mehr für drei.

Bei der Online-Durchsuchung, die eine vollständige Überwachung des Verdächtigen ermöglicht, will man ebenfalls ansetzen. Um das Grundrecht auf Integrität und Vertraulichkeit eines informationstechnischen Systems – das vom Bundesverfassungsgericht beim ersten Staatstrojaner-Urteil im Jahr 2008 artikuliert wurde – besser zu schützen, soll der Kernbereich der privaten Lebensführung von der Überwachung ausgeschlossen werden. Das betrifft also Bereiche wie das Schlafzimmer, die grundsätzlich tabu sind. Entsprechende Vorgaben machte das Bundesverfassungsgericht beim Staatstrojaner-Urteil im Jahr 2016.

Neuer Trend bei Sicherheitsgesetzen

Bislang galt bei Sicherheitsgesetzen tendenziell der Grundsatz, dass Gesetze verschärft werden, bis es ein Gericht – in der Regel das Bundesverfassungsgericht – als rechtswidrig einstuft. In der Folge kommt ein neues Gesetz, das die Auflagen wiederholt ausreizt, um dann erneut vor den Gerichten verhandelt zu werden. Es ist eine über Jahre eingeübte Praxis. In diesem Kontext lässt sich der aktuelle Vorstoß des Bundesjustizministeriums als Trendumkehr betrachten, weil dieser nicht an das Maximum das rechtlich möglichen geht.

Das betrifft auch weitere Bereiche. Neben den verschärften Kriterien für den Einsatz des Staatstrojaners plant das Bundesjustizministerium derzeit, die Vorratsdatenspeicherung durch ein Quick-Freeze-Verfahren zu ersetzen. Noch ist sich die Ampel-Koalition aber nicht einig. Das Innenministerium unter Nancy Faeser (SPD) fordert weiterhin, eine Regelung für die Vorratsdatenspeicherung zu schaffen, die die rechtlichen Grenzen bis zum Maximum ausreizt. Auch das Bundeskriminalamt (BKA) wirbt – mit fragwürdigen Argumenten – für die anlasslose Datenerfassung.