Google als Standardsuche: Kartellverfahren wegen Milliarden-Abkommen mit Apple und Co.

Andreas Frischholz
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Google als Standardsuche: Kartellverfahren wegen Milliarden-Abkommen mit Apple und Co.
Bild: Google

In den USA ist gestern das Kartellverfahren gegen Googles Mutterkonzern Alphabet gestartet. Es geht um das Suchmaschinen- und Werbegeschäft. Der Vorwurf: Der Konzern zementiert seine Vormachtstellung durch Milliarden-Abkommen mit Smartphone-Herstellern wie Apple und Browser-Herstellern wie Mozilla.

Das größte Kartellverfahren seit den 1990er Jahren

Die Klage „US vs. Google“ treibt das amerikanische Bundesjustizministerium voran. Was die Behörde anstrebt, ist eines der größten Kartellverfahren gegen einen Tech-Konzern seit Jahrzehnten. 1998 wurde Microsoft verklagt, der Konzern koppelte damals den Internet Explorer mit Windows und konnte so den damaligen Browser-Krieg für sich entscheiden. Dieser Prozess war seinerzeit wegweisend, zeitweise war sogar die Spaltung von Microsoft im Gespräch. Casey Newton vom Platformer-Newsletter beschreibt dieses Verfahren als kulturelles Event. Im Endeffekt konnte sich Microsoft aber durchsetzen, es lief auf einige Auflagen hinaus. Ein entsprechendes Verfahren gegen AT&T aus dem Jahr 1974 führte aber zu einer Zerschlagung und krempelte den amerikanischen Telekommunikationsmarkt in den 1980ern vollständig um.

Inwieweit die Google-Klage mit diesen Verfahren mithalten kann, bleibt abzuwarten. Doch im Verlauf der nächsten zehn Wochen besteht zumindest die Chance für tiefgehende Einschnitte in der Digitalwirtschaft. „Dieser Fall betrifft die Zukunft des Internets“, sagte Kenneth Dintzer, der das Justizministerium vor Gericht vertritt, zum Auftakt der Verhandlungen.

Googles Dominanz im Werbegeschäft

Im Fokus der Klage steht Googles Suchmaschinen- und Werbegeschäft. Einer der Vorwürfe: Durch Abkommen mit Smartphone-Anbietern wie Apple und Samsung, Netzbetreibern wie AT&T sowie Browser-Herstellern wie Mozilla erreichte Google, dass die hauseigenen Dienste jeweils die Standardlösungen auf den Plattformen sind. So habe Google einen Marktanteil bei den Suchmaschinen von rund 90 Prozent erreicht, den Wettbewerb auf diese Weise aber laut dem Justizministerium rechtswidrig ausgehebelt. Konkurrenten wie Bing würden so auf der Strecke bleiben.

Diese Abkommen sind bekannt. Apple soll von Google etwa 15 Milliarden US-Dollar pro Jahr erhalten, der Samsung-Deal soll sich auf 3 Milliarden US-Dollar belaufen. Wie wichtig dieser dennoch ist, wurde Anfang des Jahres deutlich. Angesichts des KI-Hypes stand zeitweise die Möglichkeit im Raum, dass Samsung bei der Standardsuche zu Microsofts Bing wechselt. Intern sollen Google-Mitarbeiter schockiert gewesen sein, als die Meldung kursierte.

Für Google geht es bei dem Verfahren um den Kern des Geschäftsmodells. So machte der Konzern etwa im ersten Quartal dieses Jahres einen Umsatz von 69,8 Milliarden US-Dollar, wovon knapp 55 Milliarden aus Googles Werbegeschäft stammten. 40,4 Milliarden US-Dollar dieser Werbeeinnahmen – also rund 73 Prozent – erzielt man über die Google-Suche.

Kern des Verfahrens: Wie bedeutsam ist die Standardsuche?

Google bestreitet derweil, dass die Standardverträge besonders relevant sind. Auch auf Windows-Geräten würde die Mehrheit ebenfalls Google nutzen. „Die Standardeinstellungen sind wichtig, aber nicht maßgeblich“, so Walker. Alternativen wären zudem nur wenige Klicks entfernt. Nutzer könnten also einfach wechseln, wollen es aber nicht, so Google in einem Blog-Beitrag.

Nun stellt sich die Frage, warum Google dann so viel für die Abkommen mit führenden Smartphone-Herstellern zahlt. Antworten lieferte bereits der erste Prozesstag, berichtet The Verge. Googles Anwalt John Schmidtlein sagte, die Zahlungen würden die Partner für den Aufwand entschädigen, der nötig sei, um etwa Sicherheitsupdates einzuspielen und Wartungsarbeiten durchzuführen.

Vertreter des Justizministeriums erklären indes, 50 Prozent von Googles Suchanfragen kommen über eine bezahlte Standardlösung. Interessant wird also, wie die Richter am Ende diese Ergebnisse einordnen. Ohnehin gibt es noch einige interessante Punkte. Dintzer, der Anwalt des Justizministeriums, erklärte etwa, Google missbrauche seine Vormachtstellung im Suchmaschinengeschäft seit 2010. Dominant war der Konzern aber bereits zuvor.

Der Kern des Verfahrens dreht sich also um die Frage: Hat die Google-Suche eine marktbeherrschende Stellung wegen der Qualität oder weil der Konzern sich eine Premium-Position auf diversen Plattformen einkauft.

Der Prozess läuft noch einige Wochen. Erwartet werden Aussagen von Google-Prominenz wie dem Alphabet-CEO Sundar Pichai sowie auch Führungspersonal von Apple. Wie das Urteil ausfällt, lässt sich nicht abschätzen, möglich ist vieles. Dass eine Zerschlagung wie im Microsoft-Verfahren ins Gespräch kommt, ist denkbar, als Ergebnis aber unwahrscheinlich. Naheliegender ist ein Urteil, das von Auflagen wie dem Verbot von Browser-Abkommen bis zu einer Niederlage des US-Justizministeriums reicht. Es wäre im Übrigen nicht der erste Rückschlag für die Wettbewerbshüter der Biden-Administration. Zuletzt musste die Regulierungsbehörde FTC eine Niederlage einstecken, als man versuchte, Microsofts Activision-Übernahme zu stoppen.

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