Kritischer EU-Bericht über Vorratsdatenspeicherung
Ob die Vorratsdatenspeicherung zur Kriminalitätsbekämpfung wirklich unverzichtbar ist, lässt sich nicht beweisen – das ist das Ergebnis eines Zwischenberichts der EU-Kommission. Dennoch fordern neben der EU verschiedene Interessensgruppen die Umsetzung und eine Ausweitung auf weitere Straftatbestände.
Das geht aus dem Bericht hervor, der eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war, sondern über die Bürgerrechtsorganisation Quintessenz (PDF-Datei) publik wurde. Es wird eingeräumt, dass die von Befürwortern der Vorratsdatenspeicherung stetig vorgetragene Unabdingbarkeit kaum zu beweisen ist und die EU-Richtlinie neben juristischen Problemen auch mit technischen Widrigkeiten zu kämpfen hat. Nichtsdestotrotz verharrt die Kommission auf dem Standpunkt, dass mindestens eine sechsmonatige Speicherfrist der Vorratsdaten aller EU-Bürger nötig ist. Konsequenterweise steht für die Kommission nicht Lösung der Probleme im Vordergrund, sondern eine Verbesserung der Akzeptanz bei der Bevölkerung für die bestehende Richtlinie.
Der aktuelle Stand fällt für die EU enttäuschend aus: nur in 11 von 27 Mitgliedsstaaten konnte man starke Hinweise für einen Nutzen der Vorratsdatenspeicherung ermitteln. Allerdings ist selbst diese Zahl fragwürdig, das Ergebnis basiert auf „starken Meinungen“ der nationalen Strafverfolgungs- und Justizbehörden – Angaben zur Datenerhebung fehlen. Welchen Wert die Angaben der entsprechenden Behörden haben, zeigt sich beispielsweise alljährlich in Deutschland bei der Veröffentlichung der polizeilichen Kriminalstatistik. Die jeweiligen Ergebnisse werden von Behörden und Bürgerrechtlern zum Teil fundamental gegensätzlich interpretiert.
Für juristische Probleme sorgt die unpräzise Formulierung der Richtlinie. So ist etwa nicht eindeutig, welche Daten von Providern aufgrund der EU-Richtlinie gespeichert werden müssen und welche aus geschäftlichen Gründen ohnehin gespeichert werden. In Kombination mit den Unterschieden bei der nationalen Umsetzung resultiert daraus, dass EU-weit kein einheitlicher Standard bei der Datensammlung besteht. Probleme bestehen auch bei E-Mails, da webbasierte Angebote von der Richtlinie bislang nicht erfasst werden. Kritiker erheben zudem den Vorwurf, dass keine Meldepflicht für Datenpannen besteht.
Strafbehörden geht der bisherige Umfang trotz bestehender Schwierigkeiten noch nicht weit genug, weitere Kommunikationskanäle wie Instant Messanger und Chatfunktionen sollen aufgenommen werden. Eine Ausweitung soll beim Umfang der Straftatbestände erfolgen, damit Vorratsdaten auch bei der Verfolgung von „Hacking-Straftaten“ genutzt werden können. Die Interessensvertreter der Rechteinhaber fordern zudem, auch bei Urheberrechtsverletzungen auf die Vorratsdatenspeicherung zurückgreifen zu können.
Quo Vadis?
Kritiker sehen in dem Bericht wenig überraschend ein Eingeständnis, dass die Vorratsdatenspeicherung keinen nachweislichen Nutzen hat. Malte Spitz, Mitglied im Bundesvorstand der Grünen, sagte: „Die Kommission hält in ihrem Bericht ja selber fest, dass die Notwendigkeit dieser Speicherorgie nicht erwiesen ist, sondern immer nur mit Zurufen der entsprechenden Behörden und Ermittlungsstellen begründet wird.“ Ein wissenschaftlicher Nachweis fehle hingegen.
Frank Herrmann vom AK Vorrat fordert, dass die Richtlinie nun eingestellt werden müsse: „Der Kommission gelingt es auch sechs Jahre nach Einführung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung nicht, deren Notwendigkeit zu belegen. Stattdessen soll nun nach beliebigen Beispielen für die Vorteile von Vorratsdaten gesucht werden.“
Ursprünglich waren die Ergebnisse des Berichts für die Arbeitsgruppe der EU-Kommission vorgesehen, die an einer Reform der Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie arbeitet. Im Juli soll diese Vorschläge machen, wie es mit der Richtlinie weitergeht. Bei der EU-Kommission bestehen offenbar keine grundsätzlichen Zweifel, stattdessen sollen Vorschläge erarbeitet werden, mit denen sich die Notwendigkeit der Vorratsdatenspeicherung für die Öffentlichkeit demonstrieren lässt. Es sollen aber auch Studien über Alternativen erstellt werden, die weniger gravierend in die Grundrechte einschneiden.