Sprachwissenschaftler: Twitter bedroht deutsche Sprache
Der Rat für deutsche Rechtschreibung, allen voran dessen Vorgesetzter Hans Zehetmair, beklagt den nachlässigen Umgang mit der deutschen Sprache. In einem dpa-Interview äußerte sich Zehetmair dabei kritisch gegenüber Diensten wie Twitter und Co., die mit der Beflügelung von „Fetzenliteratur“ zur Degeneration beitragen würden.
Zehetmairs Vorwurf ist dabei simpel: Weil die Jugend heute nicht mehr in ganzen Sätzen schreibe, Wörter oft abkürze und viele Anglizismen verwende, sei die deutsche Sprache bedroht. „Eine junge Generation schreibt heute – um ihre Liebe zum Ausdruck zu bringen – keine Briefe mehr, sondern ,HDL‘– ,Hab dich lieb‘“, so Zehetmair im Interview. Auch Anglizismen seien dabei ein Problem. Die Übernahme von fremdsprachlichen Begriffen sei hierbei nicht prinzipiell ein Problem, aber man solle schon noch wissen, was die jeweiligen Wörter in Deutsch bedeuten, so Zehetmair. Dabei nimmt er auch die Lehrer nicht aus, die teilweise eben auch „Kinder unserer Zeit“ sind. In einer aktuellen Pressemitteilung (PDF) zum Thema formuliert der Rat der deutschen Rechtschreibung das etwas diplomatischer und spricht von didaktisch nicht an die jeweilige Jahrgangsstufe angepassten Konzepten, sodass die Vermittlung von Rechtschreibung erschwert würde.
Für Zehetmair bleibt die Entwicklung der Sprache aber ein Abbild der heutigen Zeit: „Unsere Zeit ist so schnelllebig geworden. Da müssen Sie sich nur die Twitter-Literatur ansehen, in der es keine ganzen Sätze mehr gibt“. Konkret führe diese Entwicklung dazu, dass immer weniger gelesen, immer mehr „Fetzenliteratur“ gepflegt und immer weniger geschrieben werde. Diese Entwicklung fände auch in den höheren Bildungsschichten statt, sodass in den letzten Jahren auch eine Abnahme der Qualität von Bachelor-, Master- oder Diplomarbeiten zu beobachten sei. „Man nimmt sich kaum noch die Zeit, ganze Sätze zu formulieren“, so Zehetmair. Schlimmer noch fällt die Entwicklung aber aus, wenn man sich eine andere Zahl ansieht, die vom Rat der deutschen Rechtschreibung in Umlauf gebracht wird: Demnach müssten rund 20 Prozent eines Jahrgangs der 15-Jährigen als Analphabeten gelten, was auch, aber natürlich nicht nur, auf die Sprachentwicklung bedingt durch Kurznachrichtendienste zurückzuführen sei.
Kritiker sehen in dem von Zehetmair beschworenen Sprachverfall einen Sprachwandel, den es zu jeder Zeit in der Entwicklung der Sprache gab. Der Vorwurf der Degeneration der sprachlichen Fähigkeiten jüngerer Generationen ist dabei auch fast so alt wie die Sprache selbst und kommt mit zuverlässiger Beständigkeit auf.