EuGH: Gebrauchte Software darf weiterverkauft werden
Es ist ein lange erwartetes Urteil mit einiger Signalwirkung: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im Vorabentscheidungsverfahren zum Rechtsstreit zwischen dem US-Software-Riesen Oracle und dem deutschen Unternehmen UsedSoft entschieden, das gebrauchte Software-Lizenzen grundsätzlich weiterverkauft werden dürfen.
Im April dieses Jahres hatte der französische Generalanwalt am EuGH, Yves Bot, in seinem Schlussantrag derlei befürwortet, der EuGH ist nun seiner Ansicht gefolgt.
Die bereits erwähnte Entscheidung gilt nicht nur für physische Datenträger, sondern auch für online erworbene Software, wobei der EuGH der Argumentation von UsedSoft folgte, wonach mit der Vermarktung von Softwarekopien die Verbreitungsrechte des Herstellers an der Kopie erschöpft seien. Wegweisend ist dabei insbesondere, dass die Richter keinen Unterschied mehr zwischen dem physischen und nicht-physischen Erwerb von Software machen, was der Gefahr von mehrfachen Zahlungsforderungen einen Riegel vorschiebt, da der Hersteller ansonsten Kopien „die aus dem Internet heruntergeladen worden sind, kontrollieren und bei jedem Weiterverkauf erneut ein Entgelt verlangen könnte, obwohl er schon beim Erstverkauf der betreffenden Kopie eine angemessene Vergütung erzielen konnte“, so das Urteil.
Der Verkauf von gebrauchten Softwarelizenzen ist nach Ansicht des in Luxemburg angesiedelten EuGH deswegen zulässig, weil das Nutzungsrecht an der erworbenen Kopie an den Käufer übertragen wird: „Stellt der Urheberrechtsinhaber seinem Kunden nämlich eine – körperliche oder nichtkörperliche – Kopie zur Verfügung, und schließt er gleichzeitig gegen Zahlung eines Entgelts einen Lizenzvertrag, durch den der Kunde das unbefristete Nutzungsrecht an dieser Kopie erhält, so verkauft er diese Kopie an den Kunden und erschöpft damit sein ausschließliches Verbreitungsrecht“, heißt es in dem Urteil dazu. Voraussetzung sei aber, dass der Erstkäufer die Lizenz nach dem Weiterverkauf nicht mehr verwende.
Der Weiterverkauf ist demnach auch dann legal, wenn die Software seit dem Erstkauf Updates erfahren habe oder an eine Support-Lizenz gebunden sei: „Selbst wenn der Wartungsvertrag befristet ist, sind die aufgrund eines solchen Vertrags verbesserten, veränderten oder ergänzten Funktionen nämlich Bestandteil der ursprünglich heruntergeladenen Kopie und können vom Kunden ohne zeitliche Begrenzung genutzt werden“, so das Urteil weiter. Unzulässig sei es dagegen, einzelne Elemente aus Lizenzpaketen herausgelöst zu verkaufen.
Zusammengefasst „kann der neue Erwerber der Nutzungslizenz, wie z. B. ein UsedSoft-Kunde, als rechtmäßiger Erwerber der betreffenden verbesserten und aktualisierten Programmkopie diese von der Internetseite des Urheberrechtsinhabers herunterladen“ – ein Urteilsspruch, der für die Hersteller weitreichende Folgen haben dürfte.
Hintergrund der Auseinandersetzung war, dass über UsedSoft gebrauchte Oracle-Lizenzen erworben werden konnten, was dem Oracle natürlich ein Dorn im Auge war.
Das Urteil ist mit der Aktenzahl C-128/11 versehen und hier im Volltext abrufbar.
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Mittlerweile liegt auch eine – erwartungsgemäß skeptische – Stellungnahme des Branchenverbands Bitkom vor, der in Deutschland nach eigenem Bekunden mehr als 1.700 Anbieter von Software und IT-Services, Telekommunikations- und Internetdiensten sowie Hersteller von Hardware und Consumer Electronics und Unternehmen der digitalen Medien vertritt:
Wir begrüßen, dass der EuGH diese wichtige Grundsatzfrage zum Software-Markt zügig geklärt hat. Die bisherige Rechtsunsicherheit wird damit allmählich beendet. Es bleibt jedoch zu befürchten, dass sich diese Entscheidung auf die Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen negativ auswirkt und digitale Geschäftsmodelle in Frage stellt. Bei einem unkontrollierten Weiterverkauf kann aus einer legalen Kopie schnell eine Vielzahl illegaler Kopien werden. Es ist fraglich, ob die ursprünglichen Lizenzbedingungen noch nachvollziehbar sind.
Über das Ergebnis im praktischen Anwendungsfall habe nun der Bundesgerichtshof (BGH) zu befinden, da der EuGH nur abstrakte Rechtsfragen zu beurteilen habe.