Apples Passbook als NFC-Konkurrent?
Schon Anfang 2011 wurde erstmals über den Einsatz des Kurzstreckenfunks NFC im Apple iPhone 4S spekuliert, bewahrheiten konnten sich die Annahmen bekanntermaßen jedoch nicht. Ähnlich wird es allen Vermutungen zufolge auch bei der nächsten Generation des iOS-Smartphones aussehen.
Bei der vermutlich in der kommenden Woche präsentierten sechsten Generation wird die seit längerer Zeit beworbene und unter anderem von Google unterstützte Technik ebenfalls fehlen – auch wenn Apple mit Passbook ein auf den ersten Blick entsprechendes Gegenstück zu Google Wallet einsetzen wird.
Wie Apple Insider jedoch berichtet, wird sich die in iOS 6 integrierte Funktion deutlich stärker als bislang von vielen angenommen von den elektronischen Geldbörsen anderer Anbieter unterscheiden. Denn anders als bei Google oder Microsoft wird Passbook nicht auf NFC, sondern in erster Linie auf sogenannte Location-Based-Services – zu deutsch: ortsabhängige Dienste – setzen und viel mehr als eine simple Anwendung sein. Im Artikel heißt es, dass das Programm viel mehr ein Gerüst für Applikationen anderer Entwickler ist und somit zahlreiche Parallelen zu Apples Game Center aufweist.
Andere Programme sollen durch wenige Zeilen Code in der Lage sein, Passbook-Funktionen zu nutzen und in der Passbook-Anwendung selbst angezeigt werden zu können. Durch die Positionsbestimmung werden passende Elemente, beispielsweise Kundenkarten, Gutscheine oder Tickets, automatisch an prominenter Stelle verfügbar sein – durch die Kombination mit Apples Push-Benachrichtigungssystem können Nutzer optional direkt auf den möglichen Einsatz hingewiesen werden.
Für die Nutzung selbst ist dann anders als bei Google Wallet oder anderen Systemen kein NFC oder eine andere Funktechnik notwendig. Denn die Kommunikation zwischen Smartphone/Sender und Empfänger erfolgt beispielsweise durch simple Barcodes, die auch heute schon auf zahlreichen Karten vorhanden sind. Anstelle dieser wird einfach der Bildschirm des Gerätes „gescannt“. Gerade in Hinblick auf die jüngsten Diskussionen rund um das Thema Datenschutz und NFC könnte sich dies als sicherere Methode erweisen, solange keine weiteren Vorkehrungen beim Kurzstreckenfunk getroffen werden.
Ein weiterer Vorteil, auf den der Autor hinweist, betrifft die Verbreitung von NFC. Denn selbst in den USA, wo die Technik deutlich aktiver vorangetrieben wird, ist man weit von einer flächendeckenden Nutzbarkeit der elektronischen Geldbörsen entfernt. Denn einerseits können Mobilfunkanbieter die Nutzung von Google Wallet deaktivieren oder stark einschränken, zum anderen stellt die Umrüstung der Kassensysteme zahlreiche Händler und auch Filialisten vor finanzielle Herausforderungen, die sie aufgrund der geringen Verbreitung entsprechender Handys nur in wenigen Fällen eingehen. Durch die deutlich weniger umfangreichen Maßnahmen, die für die Passbook-Nutzung von Nöten sind, dürfte die Akzeptanz deutlich höher liegen. Zudem werden von Anfang an Millionen Smartphones kompatibel sein, da keine zusätzliche Hardware erforderlich ist und gleichzeitig selbst das iPhone 3GS iOS 6 inklusive Passbook erhalten wird – die kritische Masse dürfte so sehr schnell erreicht sein.
Abzuwarten bleibt jedoch, wie schnell sich das System auch hierzulande etablieren wird. Nicht zuletzt beim Thema NFC haben deutsche Unternehmen lange Zeit gezögert, abgesehen von örtlich stark begrenzten Pilotprojekten gab es lange Zeit kaum eine Möglichkeit zur Nutzung. Erst vor wenigen Monaten startete man mit Girogo in der Region Hannover, Wolfsburg und Braunschweig einen großflächigen Praxistest, an dem in der Theorie etwa 1,3 Millionen Kunden teilnehmen können.
Ebenfalls unklar ist, wie lange Apple auf NFC verzichten wird. Denn mit der Übernahme von Authentec vor gut einem Monat verfügt man nun über das Know-How, um den Einsatz der Technik sicherer gestalten zu können. Letztendlich könnte mittel- oder langfristig so eine Kombination aus beiden Ansätzen etabliert werden.