Lenovo: „Wir haben die Bedeutung von Touchscreens unterschätzt“
Gerry Smith, Lenovos neuer Präsident für das Nordamerika-Geschäft, sagte in einem Interview mit CNET, die Industrie habe die Nachfrage nach Geräten mit Touchscreens völlig unterschätzt. Weiterhin ist er der Meinung, die Aussage, dass die Konsumenten kaum noch PCs, sondern bevorzugt Tablets kaufen, sei nur teilweise zutreffend.
Lenovo hat nach Aussage von Smith steigende PC-Verkäufe zu verzeichnen, besonders im mittleren Marktsegment. Seine Firma sei aber auch, wie er anmerkt, „etwas abnormal„ in dieser Hinsicht. Lenovo profitiere hier von einer starken Marktpräsenz im Zuwachs-Markt China und von einem traditionell starken Absatz von Computern im Business-Umfeld.
Im dritten Quartal 2012 sehen die Marktforscher von Gartner als auch von IDC bei Lenovo einen Zuwachs von rund 10 Prozent im PC-Geschäft, verglichen mit dem Vorjahr. Das steht im völligen Gegensatz zu den Zahlen von HP und Dell, die beide Prozentpunkte im zweistelligen Bereich einbüßten. Gartner sieht Lenovo gar bereits auf dem ersten Platz weltweit, was PC-Verkäufe angeht, während IDC, die auch Workstations in diesem Segment mitzählt, HP noch knapp vorne sieht.
In den USA will Lenovo allerdings noch aufholen, dort liegt man noch klar hinter HP, Dell und Apple. Laut Smith werde Lenovo in Zukunft der größte PC-Verkäufer in den USA als auch weltweit sein.
Windows 8 habe bisher weder für Lenovo noch für die anderen Hersteller den erwarteten Aufschwung ihrer Geschäfte gebracht, jedoch sieht Smith voraus, dass man in einem halben Jahr den Markteintritt von Windows 8 als „relativ konsistent im Vergleich mit früheren Veröffentlichungen von Windows“ einschätzen wird.
Den einzigen wirklichen Zuwachs durch Windows 8 sieht Smith derzeit bei Geräten mit Touchscreens. Die starken Abverkäufe führen bei den Herstellern zu Lieferproblemen bei den Touchscreens, die laut Smith aber bald behoben sein sollten. Er sieht es als generell schwierig an, einen sich ständig wechselnden Markt im Vorfeld einzuschätzen. „In einem sich bewegenden Markt mit starken strukturellen Änderungen versuchen wir die Akzeptanz einer neuen Technik, wie beispielsweise Touchscreen, im Vorfeld zu bestimmen. Bei den größeren Neuerungen der letzten zehn Jahre lagen wir damit nie komplett richtig. Der Lerneffekt daraus ist, wie wir darauf reagieren, dass wir oft falsch liegen. Wie ändert und entwickelt sich unsere Industrie?“
Gerade im „Segment Touch“ sieht Smith die Fehleinschätzung als eklatant und fragt sich, wie so etwas zukünftig zu verhindern sei. Besserung bei der Beseitigung der Engpässe sieht er erst in den ersten beiden Quartalen 2013. Für Lenovo sieht er voraus, dass in zwei oder drei Jahren rund 50 Prozent der verkauften PCs – Smartphones und Tablets außen vor – Touchscreens haben werden.
Im Endeffekt, scherzt er, freue er sich, so sehr daneben gelegen zu haben mit seiner Einschätzung. Eine schwache Nachfrage mit vielen vorproduzierten Einheiten sei wesentlich desaströser als ein zeitlich begrenzter Lieferengpass bei starker Nachfrage, sofern der Engpass zeitnah aufgelöst werden kann.
Smith ist seit acht Jahren bei Lenovo und war vor seiner Ernennung zum Verantwortlichen für Nord-Amerika global zuständig für die Zuliefererkette, die Auftragsabwicklung und die Planung von Angebot und Nachfrage.