Nokia: Große Nachfrage oder kleine Stückzahlen?
Auch wenn die Smartphone-Auslieferungen zuletzt den tiefsten Stand seit Jahren erreichten und das Image gerade in Deutschland nicht das beste ist: Nokia polarisiert noch immer. Zu einem guten Teil liegt dies nicht zuletzt an einem gewissen Mantel des Schweigens, wenn es um konkrete Zahlen geht.
Denn nach wie vor verzichten die Finnen darauf, den Gesamtabsatz in einzelne Modelle zu unterteilen, der genaue Anteil eines Lumia 820 oder Lumia 920 ist deshalb nicht im Detail bekannt – die gesamte Produktfamilie auf Windows-Phone-Basis erreichte im dritten Quartal etwa 2,9 Millionen Stück. Nichtsdestotrotz wird von verschiedenen Parteien versucht, einen Erfolg oder Misserfolg anhand von Schätzungen, Analysen und ähnlichem zu belegen – die Belastbarkeit solcher Aussagen ist aber unklar.
Nun aber mehren sich die Hinweise, dass beide Seiten Recht behalten könnten. Den Anfang machte Bloomberg vor drei Wochen. Gegenüber dem Wirtschaftsportal erklärte der Danske-Bank-Analyst Ilkka Rauvola, dass sich das Lumia 920 besser als erwartet schlagen würde, in den kommenden Wochen könnten sich die Verkäufe zudem noch weiter steigern – konkrete Zahlen nannte er erwartungsgemäß aber nicht.
Nur drei Tage zuvor hatte Nokia selbst eine Stellungnahme veröffentlicht. In dieser hieß es, dass das Startkontingent in Deutschland ausverkauft sei, zwei Wochen nach der Einführung. Aber auch hier verzichtete man auf die Nennung von Stückzahlen. Rauvola äußerte diesbezüglich als einer der ersten die Vermutung, dass die Nachfrage zwar einerseits tatsächlich höher als bei früheren Lumia- oder Windows-Phone-Modellen sein könnte, gleichzeitig aber auch das „kleine Startvolumen“ eine Rolle spielen könne.
Gestützt wird diese Vermutung von weiteren Zahlen, die nun bekannt geworden sind. So erklärte erst gestern der Leiter des schwedischen Tele2-Ablegers, Thomas Ekman, dass man die Bestände der beiden neuen Lumias komplett verkauft habe. Aber: Tatsächlich hat der wichtigste Mobilfunkanbieter des skandinavischen Staats nach eigenen Angaben nur 2.000 bis 3.000 Geräte erhalten. Angesichts von mehr als vier Millionen Kunden eine verschwindend geringe Menge.
Aber auch aus den USA werden derartige Relationen vermeldet. Für AT&T, mit mehr als 100 Millionen Mobilfunkkunden immerhin die Nummer zwei in den USA, rechnet der Pacific-Crest-Analyst James Faucette mit 10.000 bis 15.000 Exemplaren des Lumia 920 pro Woche. „Wir glauben, dass die Läden den Lagerbestand in einigen Tagen verkauft haben werden; allerdings haben wir erfahren, dass die meisten Läden nur eine Handvoll Geräte bekommen haben.“, so Faucette. Aber auch er kommt zu dem Schluss, dass der Ausverkauf in erster Linie eher durch die geringen von Nokia zur Verfügung gestellten Stückzahlen und nicht durch eine exorbitante Nachfrage zu begründen ist.
Seiner Kenntnis nach, die unter anderem auf Berichten von Händlern basiert, sei das Interesse gerade zum Start sehr groß gewesen. In Deutschland, so sein konkretes Beispiel, seien „einige Tausend“ Geräte, die zum Start zur Verfügung standen, schnell verkauft gewesen. Das Auffüllen der Lager gehe sehr langsam vonstatten, „wir glauben, dass dies in erster Linie eher auf geringe Auslieferungszahlen und nicht eine überraschend hohe Nachfrage zurückzuführen ist“.
Insgesamt erwartet Faucette, dass die Verkäufe des Lumia 820 und Lumia 920 in diesem Jahr in Summe in etwa auf dem Niveau der des Lumia 800 – zusammen mit dem Lumia 710 kam man auf eine Million Geräte im vierten Quartal 2011 – von vor einem Jahr liegen, möglicherweise aber auch darunter.
Eine wirkliche Antwort auf die Frage, ob die Nachfrage wirklich so groß wie von einigen vermutet oder die ausgelieferten Stückzahlen so gering wie von anderen befürchtet sind, dürften erst die Zahlen für das laufende vierte Quartal liefern, die Nokia im Januar präsentieren will.