ARD-Bericht zu Leiharbeitern hat Konsequenzen für Amazon

Update 2 Patrick Bellmer
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Die nun der breiten Öffentlichkeit bekannt gewordenen Arbeitsbedingungen bei Amazon im Generellen sowie im Speziellen für ausländische Leiharbeiter sorgen weiterhin für Reaktionen. Denn nicht nur, dass die Politik Konsequenzen für den Online-Händler und seine Partner angekündigt hat, auch Lieferanten gehen auf Abstand.

An erster Stelle ist hier derzeit ein offener Brief des Verlegers Christopher Schroer zu nennen. In diesem kündigt der Unternehmer an, alle Geschäftsverhältnisse mit Amazon ab sofort beenden zu wollen, „ohne Wenn und Aber und mit allen Konsequenzen.“. Schroer beklagt unter anderem den Umgang mit „Menschen wie Ware“, „Menschen, die in eine Notlage geraten sind, die Arbeit dringend brauchen.“. Allerdings habe nicht nur der in der vergangenen Woche ausgestrahlte ARD-Bericht zu dieser Entscheidung beigetragen, viel mehr sei es der letzte Tropfen gewesen, der „das Fass zum Überlaufen“ brachte.

Denn auch aus wirtschaftlicher Sicht sei eine Zusammenarbeit nicht mehr hinnehmbar. So habe Amazon seine Marktmacht gegenüber Verlagen „rigoros“ ausgenutzt, Vorwürfe, die nicht neu sind. Schon vielfach beklagten sich Geschäftspartner über eine kompromisslose Haltung und verschiedene Drohgebärden, die mitunter im Auslisten von Produkten mündeten. Schroer selbst wirft Amazon aber auch den Einsatz nicht immer ganz legaler Mittel vor. So verlange der Online-Händler Rabatte in Höhe von 50 Prozent – das Maximum, das die deutsche Buchpreisbindung aufgrund kartellrechtlicher Vorgaben erlaubt. Darüber hinaus müsse man aber auch Lagerkosten in Höhe von fünf Prozent entrichten, auch wenn Artikel gar nicht gelagert würden. Ein Vorwurf, der in der Branche als offenes Geheimnis gilt. Was auch für eine eher kreative Art der Buchführung gilt, zu der Rechnungsempfänger im Ausland und „Buchungstricks bei der Umsatzsteuer“ zählen sollen.

Zudem lässt man sich einen „unglaublichen Skontorahmen“ vertraglich zusichern und verkaufe über den Amazon-eigenen Marketplace-Account „neue, frisch angelieferte Titel“ als Mängelexemplare; ein Vorgang, der gleich in mehreren Punkten gegen das Buchpreisbindungsgesetz verstößt und vom Börsenverein des deutschen Buchhandels zudem schon mehrfach beklagt wurde. Den Grund, warum sich – insbesondere kleinere – Verlage dennoch auf diese Vorgaben einlassen, nennt Schroer selbst: „Was es bei amazon.de nicht gibt, gibt’s nirgends“. Zwischenzeitlich habe er aber erkannt, dass sich die Geschäftsbeziehung nicht rentiere, „zu überzogen sind Ihre Forderungen, wir fühlen uns nicht als Partner behandelt, sondern als Bittsteller, der bitte, bitte, bitte seine Bücher über Ihre Plattform vertreiben darf und zwar zu Konditionen und Verträgen, die Sie diktieren.“.

Sein Fazit: „Sie sind, waren es nie und werden es auch wohl zukünftig nicht werden: ein Unternehmen, das Menschen wie Menschen, das Verlage wie Partner, das Kunden wie Könige und Kaiser behandelt. Ein Unternehmen, welches sich u.a. dem Kulturgut „Buch“ verschreibt und soziale und ethische Grundsätze beachtet.“.

Viel schwerer als der Verlust von Lieferanten dürften aber die Konsequenzen sein, die die Politik inzwischen angedroht hat. So soll eine vom Bundesarbeitsministerium initiierte Sonderuntersuchung für Aufklärung sorgen, wie Die Welt berichtet. „Sollte die Sonderprüfung ergeben, dass an den Vorwürfen gegen die Leiharbeitsfirma etwas dran ist, dann steht die Lizenz auf dem Spiel.“, so die zuständige Ministerin Ursula von der Leyen. Zudem dürfte die Untersuchung auch zeigen, inwiefern Amazon über die Vorkommnisse informiert war. Noch am Donnerstag hatte der Online-Händler gegenüber ComputerBase jegliche Kenntnis bestritten.

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Inzwischen hat auch Amazon reagiert. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, hat der Online-Händler für eine Beendigung der Zusammenarbeit mit dem in der Dokumentation erwähnten Sicherheitsdienst gesorgt. Man verfolge eine „Null-Toleranz-Grenze für Diskriminierung und Einschüchterung“ und erwarte „das gleiche von allen Unternehmen, mit denen wir arbeiten“, so Amazon-Sprecherin Christine Höger.

Eine Stellungnahme der US-amerikanischen Unternehmenszentrale steht nach wie vor aus, obwohl auch renommierte US-Tageszeitungen wie die New York Times und die Washington Post über den Umgang mit Leiharbeitern berichtet haben.

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Update

Vor gut einer halben Stunde hat Amazon als Reaktion auf die ARD-Dokumentation weitere Schritte angekündigt. Gegenüber ComputerBase erklärte Unternehmenssprecherin Christine Höger, dass es „eindeutig nicht gelungen“ ist, „die Einhaltung unserer hohen Standards auch durch den Dienstleister, der für Unterbringung, Transport und den Einsatz der Sicherheitskräfte verantwortlich war, zu gewährleisten“. Deshalb habe man sich dazu entschlossen, die Zusammenarbeit mit diesen Partnern zu beenden. Erneut betonte man, dass man die Vorwürfe „sehr ernst“ nehme.