Bundestag entscheidet diese Woche über Leistungsschutzrecht

Andreas Frischholz
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Bereits am Freitag soll der Bundestag über das Leistungsschutzrecht abstimmen. Der von der Bundesregierung zügig anberaumte Termin überrascht, zuletzt häuften sich wieder die kritischen Stimmen an dem von den Presseverlagen vorangetriebenen Projekt. Ein Rechtsgutachten bewertet das Vorhaben sogar als „verfassungswidrig“.

Wegen der zahlreichen offenen Fragen kam es gestern zu einer zweiten parlamentarischen Anhörung, bei der sich von den Parteien geladene Sachverständige vor allem mit technischen Gesichtspunkten befassten. Im Vordergrund stand dabei die Rolle von Google. Der Suchmaschinenanbieter habe mit dem News-Aggregator Google News ein eigenes Geschäftsmodell aufgebaut, das in direkter Konkurrenz zu dem der Verlagsseiten stünde, sagte Thomas Höppner vom Bundesverband deutscher Zeitungsverleger (BVDZ). Beide Seiten würden dieselbe Zielgruppe bedienen, nur „leider mit demselben Inhalt“, den der eine teuer produziere, der andere aber billig kopiere.

Mit den vorsortierten Nachrichten würden Google News und andere Aggregatoren den Verlagen Traffic wegnehmen, nach dem Lesen der Textauszüge bei Google würden nur noch interessierte Nutzer den Weg auf die Verlagsseiten finden. Hier besteht einer der Knackpunkte in der Argumentation beider Seiten. Während Verlage die nicht bezifferbare Zahl an Lesern in den Vordergrund stellen, die auf Google News Textauszüge von Verlagsartikeln lesen, aber die entsprechenden Webseiten nicht besuchen, verweist Google auf den Teil der Leser, der erst über die Dienste des Suchmaschinenanbieters auf die Verlagsseiten kommt – und diese sind bezifferbar. Hierbei handelt es sich schätzungsweise und abhängig von dem Web-Angebot um einen Wert zwischen 20 und 50 Prozent.

Dementsprechend bezeichnet Wieland Holfelder, technischer Entwicklungsleiter von Google Deutschland, das Argument als unsinnig, dass die Verlage nicht von Google profitieren würden. Ohnehin sei das aktuelle Gesetz für Google in der aktuellen Form „nicht implementierbar“, da ein Suchrobot außerhalb von Google News nicht unterscheiden könne, was ein Presseverleger gemäß der Definition des Gesetzesentwurfs sei, erklärte Google Justiziar Arnd Haller. Er ließ zudem offen, ob Google weiterhin auf deutsche Presseverlage verlinken werde, falls das Leistungsschutzgesetz in Kraft trete.

Streit um Rechtesprache

Zudem könne man bereits heute mittels der Robots.txt bestimmen, welche Inhalte einer Webseite von Suchmaschinen abgegriffen werden können – beispielsweise ob Snippets angelegt oder ob Bilder und Dienste wie Google News ausgeschlossen werden sollen. Den Zeitungsverlegern geht die Robots.txt allerdings nicht weit genug, Höppner fordert mehr Differenzierungsmöglichkeiten. Sperre man etwa den Bot von Google News, erscheine die Meldungen auch nicht mehr im Nachrichtenblock der normalen Suche, von der aus aber der meiste Traffic generiert werde.

Die verfügbaren Optionen der Robots.txt kritisieren Verlagsvertreter seit geraumer Zeit. Sie fordern stattdessen eine maschinenlesebare Rechtesprache, die den Rechteinhabern ein umfassenderes Berechtigungssystem bietet, um die Verwertung ihrer Inhalte besser kontrollieren zu können. Bei Artikeln wollen sie etwa die Möglichkeit haben, ob und in welchem Umfang diese von anderen Marktteilnehmern – wie etwa Anbieter von Suchmaschinen und News-Aggregatoren – lizenziert werden dürfen.

Dementsprechend fordert Michael Steidl vom International Press Telecommunications Council (IPTC) eine auf dem bereits verfügbaren Automated Content Access Protocol (ACAP) aufbauende, umfassende Rechtebeschreibung. Bei Google zeigt man sich indes wenig begeistert von solchen Vorschlägen, eine entsprechende Rechtesprache sei für Suchmaschinen nur schwer umsetzbar. Wenn etwa die Übernahme von Snippets beim Verweis auf einen Artikel verbindlich vorgegeben werde, schränke das den Nutzer der Suchmaschine stark ein, so Holfelder.

Leistungsschutzrecht ein verfassungswidriger, rechtspolitischer Eiertanz?

Ebenfalls für Aufsehen sorgte vergangene Woche ein Rechtsgutachten, erstellt von den Berliner Professoren Alexander Blankenagel und Wolfgang Spoerr im Auftrag des Internetunternehmerverbands eco und Google. Demnach ist das Leistungsschutzrecht verfassungswidrig, weil es die Informationsfreiheit der Nutzer einschränkt, die durch Artikel 5 des Grundgesetzes geschützt ist. Hinzu kommen die vielen unklaren Begriffe im Gesetzesentwurf, aufgrund derer es völlig unklar sei, wie gravierend die Folgen sind – damit verstoße der Entwurf gegen das rechtsstaatliche Gebot, dass Eingriffe in die Bürgerrechte genau formuliert werden müssen.

Darüber hinaus werde das wirtschaftliche Betätigungsfeld von Internet-Unternehmen eingeschränkt, weil sämtliche Anbieter von Online-Portalen, die Suchmaschinentechnik oder Kommentar-Möglichkeiten einbinden, Ziel von finanziellen Forderungen der Verlage in nicht kalkulierbaren Ausmaß werden könnten, sollten die Nutzer auf Inhalte der Verlage verweisen. Wolle man dieses Risiko umgehen, müssten entsprechende Angebote in ihrem Funktionsumfang beschnitten werden, woraus ein Wettbewerbsnachteil gegenüber vergleichbaren Diensten aus dem Ausland entstehe. Als weitere „Leidtragende eines Leistungsschutzrechts“ werden in dem Rechtsgutachten Journalisten genannt, die zwar die Urheberrechte an ihren Werken behalten, diese aber nicht mehr nutzen können, weil die Verlage praktisch dieselben Rechte zugeschrieben bekommen. Trotz vorgesehener Entschädigung handele es sich hierbei um eine verfassungswidrige, intellektuelle Enteignung.

Ein harsches Urteil, allerdings bei einem Rechtsgutachten, das von Google und dem Verband für Internetwirtschaft in Auftrag gegeben wurde, letztlich nicht allzu überraschend. Interessant wird es allerdings, wenn Siegfried Kauder – Vorsitzender des Rechtsausschusses im Bundestag und als netzpolitischer Hardliner bekannt – die genannten Punkte ebenfalls anspricht. In einem Beitrag auf seiner Webseite bezeichnet er das Gesetzesvorhaben als „rechtspolitischen Eiertanz“ – neben dem „verfassungsrechtlichen auch europarechtliche und technische Fragen“ geklärt werden müssen.

Abstimmung für Freitag angesetzt

Kauder äußert sich übrigens nicht zum ersten Mal kritisch über das Gesetz, bereits in der Vergangenheit zeigte er sich wenig begeistert von dem Vorhaben der Verlage. Fraglich ist nur, ob seine ablehnende Haltung auf andere Bundestagsabgeordnete abgefärbt hat, wenn dieser am Freitag über das Leistungsschutzrecht abstimmen soll. Entscheidend ist es nun, dass der Entwurf am Mittwoch den Rechtsausschuss passiert, wobei dort trotz dem Vorsitz von Kauder bestenfalls mit kosmetischen Änderungen gerechnet wird – etwa inwieweit Snippets unter das Schutzrecht fallen.

Eine privatwirtschaftliche Einigung wie in Frankreich schließen die Presseverlage übrigens nach wie vor aus, sie pochen auf eine gesetzliche Lösung. Entgegen anders lautenden Spekulationen, die auf Äußerungen von Bundeswirtschaftsminister Philip Rösler zurückgingen, habe es keinerlei Gespräche zwischen deutschen Verlagen und Google über einen Verzicht auf ein Leistungsschutzrecht gegeben, so der BVDZ.

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