Bekannte Überwachung nur „Spitze des Eisbergs“
Die US-Administration kämpft infolge der „NSA-Leaks“ um die öffentliche Deutungshoheit, doch die stetig durchsickernden Informationen erhöhen den Druck auf die NSA und die Obama-Regierung. Aber offenbar sind die bislang aufgedeckten Überwachungsprogramme nur „die Spitze des Eisbergs“.
Das erklärte die Kongressabgeordnete Loretta Sanchez nach einer Sitzung mit Vertretern der NSA im Geheimdienst-Ausschuss des US-Repräsentantenhauses. Ihrer Einschätzung nach ist das Ausmaß der NSA-Überwachung viel größer als die meisten vermuten. Von den NSA-Vertretern hätten die Abgeordneten wesentlich mehr erfahren, als bislang in den Medien kursiert.
Die Besprechung wurde von Kongressabgeordneten gefordert, nachdem im Verlauf der letzten Woche bekannt wurde, dass die NSA Telefondaten von US-Bürgern aufzeichnet und mit dem „Prism“-Programm die Internet-Kommunikation überwacht hat. Bei der Besprechung sollten die Abgeordneten eigentlich davon überzeugt werden, dass die NSA gemäß der Gesetze vorgeht und die Überwachung nötig ist für den Anti-Terror-Kampf. So argumentierten etwa US-Präsident Obama und weitere Regierungsmitglieder.
Laut Sanchez waren die Abgeordneten allerdings verblüfft, in welchen Ausmaß die NSA aktiv ist. Details nannte sie aber nicht, Mitglieder der Geheimdienst-Ausschüsse sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Dementsprechend können die Abgeordneten nur vage Angaben zu den Inhalten machen, die in den Ausschüssen besprochen werden. So äußerten sich bereits in der Vergangenheit zwei Kongressabgeordnete beunruhigt über die NSA-Überwachungsprogramme, doch ohne Belege und konkrete Details verlief die Berichterstattung im Sand. Zumal von Seiten der US-Administration der Eindruck vermittelt wurde, die Befürchtungen wären aus der Luft gegriffen.
Geheimdienstdirektor hat vor Kongress gelogen
Nach wie vor verfolgen die US-Regierung und die Geheimdienste die Linie, Berichte über das Ausmaß der NSA-Überwachung wären übertrieben, außerdem habe der Kongress die Maßnahmen abgesegnet. Was nicht viel heißen muss, so sagte Edward Snowden im Gespräch mit dem Guardian, er wolle mit den Dokumenten aufdecken, dass „die NSA in Befragungen über das Ausmaß der Überwachung in den USA regelmäßig lügt“.
Nun musste Geheimdienstdirektor James Clapper eingestehen, dem Kongress im März nicht die Wahrheit gesagt zu haben – aber nach Ansicht von Clapper zumindest in der am „wenigsten unwahren“ Form. Senator Ron Wyden hatte Clapper aufgefordert, endlich präzise zu beantworten, ob die NSA irgendwelche Daten von Millionen US-Bürgern sammelt. „Nein, nicht wissentlich“, sagte Clapper damals. Es könnte Fälle geben, in denen man möglicherweise irrtümlich Daten von US-Bürgern speichere, bewusst geschehe das aber nicht.
Ein grotesker Widerspruch zu der NSA-“Vorratsdatenspeicherung“, die Telefonanbieter wie Verizon verpflichtet, täglich alle anfallenden Verbindungsdaten – immerhin anonymisiert – an die NSA zu übermitteln. Nun verlangt der republikanische Kongressabgeordnete Justin Amash, Clapper müsse sofort zurücktreten: „Mitglieder des Kongresses könnten keine fundierten Entscheidungen in Geheimdienst-Angelegenheiten treffen, wenn der oberste Leiter der Geheimdienste vorsätzliche falsche Aussagen macht.“