EU-Staaten verschieben Datenschutzreform
Der EU-Ministerrat vertagt die Entscheidung über die EU-Datenschutzreform, deswegen wird das Mammutprojekt die Brüsseler Bürokratie in diesem Jahr vermutlich nicht mehr durchlaufen. Die Delegationen der Staaten schafften es nicht, sich zumindest bei den wichtigsten Aspekte grundsätzlich zu einigen.
Zahlreiche Staaten haben Vorbehalte gegen den Entwurf, den EU-Kommissarin Vivian Reding im Januar 2012 präsentiert hatte. Dieser zielte auf hohe Datenschutz-Standards ab, um den Schutz persönlicher Daten der Bürger zu gewährleisten. Doch der Vorschlag der EU-Kommission sorgt von Anfang an für heftige Debatten und massive Lobby-Aktivitäten, nach wie vor sind die generelle Ausrichtung und der Umfang der Reform umstritten. Wirtschaftsvertreter warnen vor steigenden Kosten und Wettbewerbsnachteilen für europäische Unternehmen bei zu strikten Regeln, entsprechend begründet Großbritanniens Justizminister Chris Grayling die Ablehnung im EU-Rat: „Wir sollten nicht für Microsoft und Google Gesetze erlassen, sondern für unsere mittelständische Industrie.“
EU-Kommissarin Reding widerspricht dem zwar, mit europaweit einheitlichen Datenschutz-Regeln sollen Kosten für Bürokratie in europäischen Unternehmen sogar um 2,3 Milliarden Euro gesenkt werden. Solche optimistischen Prognosen verhallen aber angesichts zahlreicher Kritikpunkte und Detailfragen. So kritisiert etwa Ole Schröder (CDU), Staatssekretär im Innenministerium und für Deutschland bei den Verhandlungen beteiligt, in der aktuellen Vorlage fehlen noch Regelungen für Cloud-Computing und Apps, ebenso wie Bestimmungen für Meinungsäußerungen in sozialen Netzwerken und den Quellenschutz von Journalisten. Außerdem soll präzise festgeschrieben werden, dass Unternehmen Nutzerprofile nur anonymisiert anlegen dürfen.
Zu den zentralen Streitthemen zählt dabei die Zustimmungspflicht von Bürgern, wenn Unternehmen und Behörden ihre Daten weiterverarbeiten wollen. Vor allem Wirtschaftsvertreter fordern eine tendenziell laxere Regelung, die großzügige Ausnahmen von der Zustimmungspflicht bietet und bei der eine „Einwilligung“ der Nutzer für die Weiterverarbeitung von Daten ausreicht. Das wollen Befürworter eines hohen Datenschutz-Standards aber nur nach einer „expliziten“ Zustimmung der Nutzer gestatten. „Wir müssen klarstellen, dass Schweigen nicht das Gleiche ist wie Ja-Sagen“, erklärte Reding. Einigen Staaten warf sie vor, in erster Linie nicht den Schutz der Bürger, sondern den großer Betriebe im Auge zu haben.
Komplexe Verhandlungen verzögern Zeitplan
Erneut erklärte Innenstaatssekretär Schröder die von der Bundesregierung oftmals genannte Befürchtung, mit der neuen EU-Datenschutzverordnung könne das deutsche Datenschutzniveau untergraben werden. Diesen Aussagen verdeutlichen allerdings auch die Schwierigkeiten bei den Verhandlungen, mehrere Staaten fahren zweigleisig. So sprechen sich etwa deutsche Regierungsvertreter öffentlich für ein hohes Datenschutz-Niveau aus, hinter verschlossenen Türen verfolgte man aber ein Konzept der „regulierten Selbstregulierung“, das strikte und einfache Regeln zugunsten Branchen-spezifischer Bestimmungen verwässert, wie durchgesickerte Dokumente von Sitzungen des EU-Rats gezeigt haben.
Derweil melden sich die Macher Crowdsourcing-Plattform LobbyPlag zurück, die Plattform wurde um neue Feature erweitert. Für eine bessere Orientierung wurde eine Überblicks-Funktion integriert, um zu zeigen, ob ein Land, eine Fraktion oder ein/e Abgeordnete sich für ein stärkeres oder schwächeres Datenschutzniveau engagieren.
Nach dem ursprünglichen Zeitplan sollte der zuständige Ausschuss im EU-Parlament noch Mitte bis Ende dieses Monats eine Orientierungsabstimmung über die Änderungsanträge abhalten. Im Herbst sollten dann die Verhandlungen mit der EU-Kommission und dem EU-Rat („Trilog“) stattfinden, zunächst müssen aber die Staaten im EU-Rat eine gemeinsame Position finden. Das verzögert folgenden „Trilog“-Verhandlungen, mit der Einigung rechnen Brüsseler Diplomaten erst im nächsten Jahr. Viel Zeit bleibt dann nicht mehr, bereits im Mai 2014 steht die Neuwahl des EU-Parlaments an.