Politik mit „ja,-aber“-Haltung zur Netzneutralität
Die Netzneutralität soll per Gesetz verankert werden, fordert die Netzgemeinde angesichts der Drosselpläne der Telekom, doch der Politikbetrieb findet keine klare Linie. Die Bundesregierung reagiert nur auf Vorstöße der Telekom, allerdings schafft es die Opposition auch nicht, über eine „Ja,-aber“-Haltung hinaus zu kommen.
Umstritten sind insbesondere die von der Telekom geplanten „Managed Services“, mit denen Anbieter den Traffic ihrer Dienste gegen Gebühren von der Volumengrenze befreien können. Bürgerrechtler und Verbraucherschützer kritisieren das als „Zwei-Klassen-Internet“ und selbst Vertreter der Bundesregierung äußern sich skeptisch bis ablehnend angesichts solcher Geschäftsmodelle. Einschränkungen bei der Gleichbehandlung von Daten im offenen Internet will man nicht zulassen, erklärte Hans-Joachim Otto (FDP), parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, auf der 4. Fachtagung Netzneutralität.
„Die Bundesregierung wird die Netzneutralität wahren und notfalls die rechtlichen Rahmenbedingungen ändern, falls Geschäftspraktiken das Fundament des freien Internets gefährden“, so Otto. Ein Widerspruch zu den jüngsten Äußerungen von Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP), der ein Gesetz ablehnt – der Status Quo wäre ausreichend. Wie dem auch sei, Otto kündigte derweil an, aufgrund zahlreicher offener Fragen zunächst den Bericht der Bundesnetzagentur abzuwarten.
Die Regulierungsbehörde äußerte sich bereits mehrmals kritisch über die Pläne der Telekom, kostenpflichtige „Managed Services“ anzubieten. Der Bonner Konzern könnte so Wettbewerber benachteiligen, vor allem wenn hauseigene Dienste nicht auf das begrenzte Datenvolumen angerechnet werden. Ansonsten gibt sich die Bundesnetzagentur bedeckt, nach wie vor sind die Angaben der Telekom zu unpräzise.
Vage Ankündigungen, teils widersprüchliche Angaben – als „Salamitaktik“ bezeichnet der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Jarzombek die öffentliche Kommunikation des Konzerns. Ohnehin ist für ihn unverständlich, warum der Konzern keine Tarife mit Mindestgeschwindigkeiten für einzelne Kategorien wie „Audiodienste“ oder „Video-on-Demand“ anbieten würde, sondern nur mit einzelnen Anbietern wie dem Streaming-Dienst Spotify kooperiert. Eine Bevorzugung einzelner Dienste lehnt Jarzombek ab: „Ich möchte kein Internet der Deals.“
Pläne der Opposition: Netzneutralität für den Endkunden oder die Netzbetreiber?
Die Haltung der Opposition ist eigentlich recht eindeutig: Ein konkretes Gesetz soll die aktuelle Regulierung ersetzen. Eine entsprechende Gesetzesinitiative will die rot-grüne Landesregierung aus Nordrhein-Westfalen bereits nächste Woche im Bundesrat vorlegen.
Die Grünen sprechen sich, ebenso wie die Linke, für eine „enge“ Netzneutralität aus, Provider dürfen den Traffic einzelner Internetdienste also weder bevorzugen noch benachteiligen. So ein Gesetz benötigt aber die Stimmen der SPD, die ebenfalls die Netzneutralität rechtlich verankern will, aber der von NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) skizzierte Rahmen lässt einige Details offen.
Anlässlich des Medienforum NRW erklärte Kraft, das freie und offene Internet soll erhalten bleiben. „Gute Geschäftsideen“ dürften nicht scheitern, weil „Netzzugang und Nutzung des Netzes zu Hürden werden, die nur mit viel Geld übersprungen werden können“. Das erklärte Ziel müsse „der diskriminierungsfreie Zugang zum Netz“ sein und so verstehe Kraft „auch die jüngsten Äußerungen aus der Deutschen Telekom“.
Mit dem Verständnis für Aussagen aus der Telekom ist es aber äußerst fragwürdig, ob Kraft die Netzneutralität wie die Grünen interpretiert – also aus Sicht der Endkunden. Oder doch die Sicht der Netzbetreiber teilt, wonach die Netzneutralität bereits besteht, wenn kein Internetdienst finanziell bevorzugt oder benachteiligt wird.
Letztlich bleibt abzuwarten, wie die Gesetzesinitiative der rot-grünen NRW-Landesregierung konkret ausfällt. Angesichts dieser Ausgangslage erscheint es aber unwahrscheinlich, dass die Netzneutralität noch vor der Bundestagswahl im Herbst per Gesetz verankert wird – trotz öffentlichem Druck durch die erfolgreiche Petition.