Digitale Total-Überwachung durch „XKeyScore“?
Der Bundesnachrichtendienst (BND) und der Verfassungsschutz sollen das NSA-Programm „XKeyScore“ nutzen, mit dem Analysten von Geheimdiensten offenbar Informationen aus den verschiedenen Datenbanken der einzelnen Überwachungsprogramme zusammenführen können, berichtet der Spiegel in der aktuellen Ausgabe.
Dem Nachrichtenmagazin liegen die entsprechenden Dokumente aus dem Fundus von Edward Snowden vor, zu denen interne NSA-Präsentationen vom Februar 2008 zählen. Denen zufolge handelt es sich bei „XKeyScore“ um ein Analyse-Tool, das etwa die bei Suchanfragen anfallenden Metadaten einer bestimmten Person zuordnen kann. Sucht eine Zielperson zum Beispiel bei Google Maps nach einem verdächtigen Zielort, lässt sich rückwirkend ermitteln, welche Suchbegriffe diese Zielperson zuvor in die Web-Suche eingegeben hat, wie eine von der brasilianischen Zeitung O Globo veröffentlichte NSA-Folie zeigt.
XKeyscore bietet darüber hinaus eine „full-take“-Option, mit der über mehrere Tage hinweg alle ungefilterten Daten aufgezeichnet werden. Die Datenspeicherung beschränkt sich dann nicht mehr auf Metadaten, sondern umfasst zum Teil auch Kommunikationsinhalte. Laut Spiegel ermöglicht das Tool „annähernd die digitale Totalüberwachung“. Allein in Deutschland sollen im Dezember 2012 rund 180 Millionen Datensätze von XKeyScore erfasst worden sein. Insgesamt sammelt die NSA hierzulande pro Monat rund 500 Millionen Verbindungsdaten.
Deutsche Geheimdienste verwenden XKeyScore ebenfalls
Das Analyse-Tool ist dem Spiegel-Bericht zufolge kein exklusives NSA-Werkzeug, sondern auch beim BND und Verfassungsschutz im Einsatz. Demnach soll es der Verfassungsschutz nutzen, um die NSA im Anti-Terror-Kampf zu unterstützen. Der BND war indes dafür verantwortlich, den Verfassungsschutz im Umgang mit XKeySector zu schulen. Auf eine Anfrage des Spiegels wollten sowohl die NSA als auch die deutschen Geheimdienste kein Statement abgeben.
Für letztere und für die Bundesregierung wird die Lage zunehmend brisanter. Nach wie vor hält man an der Aussage fest, man habe vor den ersten Medienberichten keine Kenntnisse über die NSA-Programme wie Prism gehabt – was angesichts der stetig durchsickernden Informationen immer grotesker wirkt. Den Dokumenten zufolge hat die NSA in letzter Zeit sogar die Zusammenarbeit mit dem BND intensiviert, man lobt das Engagement von BND-Präsidenten Gerhard Schindler.
So heißt es in einer Notiz eines NSA-Mitarbeiters aus dem Januar: „Der BND hat daran gearbeitet, die deutsche Regierung so zu beeinflussen, dass sie Datenschutzgesetze auf lange Sicht laxer auslegt, um größere Möglichkeiten für den Austausch von Geheimdienst-Informationen zu schaffen.“ Für das „US-Informationsbedürfnis“ habe der deutsche Auslandsgeheimdienst sogar Risiken in Kauf genommen und in Afghanistan soll sich der BND sogar den Rang „fleißigster Partner“ erarbeitet haben.
All das passt allerdings nicht so recht zu den Angaben der Bundesregierung und den deutschen Geheimdiensten, die sich sowohl öffentlich als auch in den Sitzungen des parlamentarischen Kontrollgremiums ahnungslos präsentieren. Vielmehr klingen die Dokumente nach Aussagen von Edward Snowden: Die NSA und die deutschen Geheimdienste „stecken unter einer Decke“.