US-Regierung verweigert „No-Spy“-Abkommen
Offenbar stehen die Verhandlungen über das geplante No-Spy-Abkommen zwischen Deutschland und den USA vor dem Aus. Die Bundesregierung und der BND gehen nicht mehr davon aus, dass US-Geheimdienste zusichern, deutsche Regierungsmitglieder und politische Amtsträger nicht zu überwachen, berichtet die Süddeutsche Zeitung (SZ).
Die Verhandlungen laufen zwar noch, dennoch soll sich beim Bundesnachrichtendienst (BND) Ernüchterung breit machen. „Die Amerikaner haben uns belogen“, lautet demnach das Fazit eines hochrangigen Beamten. Ein weitreichendes Abkommen, dass NSA-Chef Keith Alexander noch im Sommer in Aussicht gestellt hatte, soll nicht zustande kommen. „Keine gegenseitige Spionage, keine wirtschaftsbezogene Ausspähung und keine Verletzung des jeweiligen nationalen Rechts“, so lautete die Zusage, die eine deutsche Delegation im August erhalten hatte.
Nachdem im Oktober bekannt wurde, dass die NSA das Handy von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) überwacht, wurde das No-Spy-Abkommen zeitweise sogar als Eintrittskarte für den BND in das Geheimdienst-Netzwerk „5 Eyes“ interpretiert. Doch davon ist nicht mehr viel übrig. „Wir kriegen nichts“, zitiert die SZ einen Experten, der mit den Verhandlungen vertraut ist. Selbst bei der Frage, wie lange das Handy von Merkel überwacht wurde, verweigern die US-Vertreter die Auskunft. Nun soll BND-Präsident Gerhard Schindler intern sogar erklärt haben, beim aktuellen Verhandlungsstand die Unterschrift zu verweigern. Lieber verzichte er auf das Abkommen.
Weil das Angebot für das Abkommen von der NSA kam, waren die Bundesregierung und der BND zuversichtlich, die Verhandlungen zeitnah mit einem positiven Ergebnis abschließen zu können. Allerdings soll NSA-Chef Alexander von Anfang an erklärt haben, dass die Verhandlungen unter Vorbehalt vom Weißen Haus stehen. „Das liegt nicht allein in unserer Hand“, so Alexander. Und das Weiße Haus fürchtet, durch das No-Spy-Abkommen mit Deutschland einen Präzedenzfall für andere Staaten zu schaffen. Deswegen sollen keine Sonderregelungen gestattet werden.
Koalition verärgert
Im Kanzleramt hofft man dennoch, in den „nächsten drei Monaten noch etwas hinzubekommen“, heißt es in dem Bericht der SZ. Ähnlich vage fällt das Statement von Regierungssprecher Steffen Seibert aus: „Die Bundesregierung ist in Gesprächen mit den US-Partnern, um die Zusammenarbeit unserer Dienste auf eine neue Grundlage zu stellen. Diese vertraulichen Gespräche dauern an.“ Details zu den Verhandlungen wollte er nicht nennen. Nun liegen die Hoffnungen auf der anstehenden US-Reise von Kanzlerin Merkel.
Deutlicher fallen die Reaktionen von Mitgliedern der Koalitionsparteien aus. Stephan Mayer, innenpolitischer Experte der Unionsfraktion, sagte gegenüber Zeit Online: „Ein Scheitern wäre eine Brüskierung der Bundesregierung.“ Die USA müsse ihre Zusagen gegenüber der Bundesregierung auch ernst nehmen. Ähnlich äußert sich SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. Demnach wäre ein Scheitern der Verhandlungen „nicht akzeptabel.“ und hätte Folgen für die politischen Beziehungen mit den USA. Wie diese Folgen in der Praxis aussehen sollen, sagte er allerdings nicht.
Dass die Verhandlungen nicht den gewünschten Erfolg bringen, ist allerdings seit geraumer Zeit absehbar. Bereits im November sickerte durch, dass die Verhandlungsteilnehmer auf US-Seite kein großes Interesse an einer konkreten Vereinbarung haben. Deutlicher formulierte es CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl nach einer Washington-Reise im Dezember. Dem Focus sagte er, die US-Administration reagiere auf Fachebene nur mit „Arroganz und Desinteresse“ auf die Empörung der Bundesregierung über die NSA-Aktivitäten. Laut Uhl würden US-Geheimdienste die Spionage-Programme wie gehabt weiterlaufen lassen: „Der US-Abhördienst macht grundsätzlich keinen Unterschied zwischen der mit den USA befreundeten Kanzlerin Merkel und einem Ölminister aus Kasachstan. Beide sind schlicht Zielpersonen.“
Die Opposition fordert nun eine schärfere Gangart. Die Bundesregierung müsse sich verstärkt für die EU-Datenschutzreform einsetzen, zudem sollen Datenaustausch-Abkommen wie Swift oder Safe Harbor vorrübergehend ausgesetzt werden. Grünen-Bundestagsabgeordneter Hans-Christian Ströbele sagte laut FAZ: „Wir kommen keinen Schritt weiter, weil die Bundesregierung in den Vereinigten Staaten viel zu zaghaft Antworten einfordert.“