EuGH: Hyperlinks ohne Zustimmung erlaubt
Im Zuge eines Vorabentscheidungsverfahrens hat der EuGH am gestrigen Tage entschieden, dass Hyperlinks auf urheberrechtlich geschützte Inhalte auch ohne die Zustimmung der Rechteinhaber zulässig sein können. Allerdings nur, sofern bestimmte Voraussetzungen eingehalten werden.
Ausgangspunkt des Urteils war eine Streitigkeit zwischen der schwedischen Tageszeitung Göteborgs-Posten und dem Betreiber der Internetseite Retriever Sverige AB. Auf letzterer werden dem Nutzer auf ihn inhaltlich zugeschnittene (Hyper-)Links zu Artikeln anderer Internetseiten offeriert, darunter auch solche zu Artikeln verschiedener Journalisten der Göteborgs-Posten. Die Einholung einer Erlaubnis der betroffenen Verfasser erfolgte nicht.
Dieses Vorgehen stieß bei selbigen auf wenig Begeisterung und führte zu einem Rechtsstreit. Die Journalisten argumentierten, dass nicht klar erkennbar sei, dass Retriever Sverige AB beim Anklicken der Links auf eine andere Seite weiterleite, während der Internetdienst gegenteiliger Ansicht war und hier eine klare Erkennbarkeit für seine Kunden als gegeben ansah.
In erster Instanz mussten die Kläger im Juni 2010 eine Abweisung – also ein inhaltlich negatives Urteil - ihrer Klage hinnehmen. Sie zogen daher mittels Berufung vor die Rechtsmittelinstanz. Dort brachten sie sodann noch die Rechtsmeinung vor, dass Retriever Sverige AB ihr ausschließliches Verbreitungsrecht durch die Verlinkung verletze. Dem hielt die beklagte Partei entgegen, dass die durch sie vorgenommene Verlinkung lediglich einen Hinweis darauf darstelle, wo man besagte Inhalte auffinden könne. Urheberrechtlich relevant sei dies aber nicht. Anlässlich dessen unterbrach das Rechtsmittelgericht sein Verfahren und bat den EuGH um Interpretation der diesbezüglich einschlägigen EU-Norm (Richtlinie 2001/29/EG; [PDF]).
Konkret ging es um folgende Fragen:
1. Liegt eine öffentliche Wiedergabe eines bestimmten Werkes im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 vor, wenn ein anderer als der Inhaber des Urheberrechts an diesem Werk auf seiner Internetseite einen anklickbaren Link zu diesem Werk bereitstellt?
2. Ist es für die Beurteilung der ersten Frage von Bedeutung, ob das Werk, auf das der Link hinweist, auf einer jedermann ohne Beschränkungen zugänglichen Internetseite zu finden ist oder ob der Zugang in irgendeiner Weise beschränkt ist?
3. Ist bei der Beurteilung der ersten Frage zwischen dem Fall, in dem das Werk nach dem Anklicken des Links durch den Nutzer auf einer anderen Internetseite erscheint, und dem Fall zu unterscheiden, in dem das Werk nach dem Anklicken durch den Nutzer in einer Art und Weise erscheint, die den Eindruck vermittelt, dass es auf derselben Internetseite erscheint?
4. Darf ein Mitgliedstaat einen weiter gehenden Schutz des Ausschließlichkeitsrechts des Urhebers vorsehen, indem er zulässt, dass die öffentliche Wiedergabe Handlungen umfasst, die über die Bestimmungen des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 hinausgehen?
Der Gerichtshof fasste die Beantwortung der ersten drei Fragen zusammen und bejaht, dass eine ausreichend große unbestimmte Menge an potenziellen Nutzern die Möglichkeit eines Zugriffes hat. Daher sei der „öffentliche“ Aspekt der öffentlichen Wiedergabe gegeben. Die Verlinkung selbst stellt die Wiedergabe dar. Allerdings richten sich die Links an das selbe Zielpublikum wie die eigentlichen Webangebote der verlinkten Seite. Wesentlich ist der Aspekt, dass auch die Quellseite die Links frei zugänglich anbietet. Es mangle daher an einem „neuen“, vom Verbreitungswillen des Urhebers nicht gedeckten Publikum. Daher ist für eine Verlinkung dieser Art keine Erlaubnis der Urheber notwendig.
Der EuGH hält allerdings fest, dass dies nur dann gilt, wenn damit keine Zugriffsbeschränkungen der Quellseite umgangen werden. Würde also ein Inhalt nur Abonnenten eines Mediums offenstehen und dieser dann durch jemanden für eine breite Öffentlichkeit verlinkt werden, würde letztere ein „neues Publikum“ darstellen. Somit dürfte die Verlinkung dann nur mit Erlaubnis des Urhebers erfolgen.
Zur vierten Frage meint der EuGH, dass die Mitgliedsstaaten kein Recht hätten, eine umfangreichere Definition von „öffentlicher Wiedergabe“ als in der Richtlinie 2001/29 vorgesehen zu etablieren. Er argumentiert dies damit, dass das Ziel der Richtlinie eine Vereinheitlichung des europäischen Rechtsbestandes zum Ziel habe. Dieses würde unterlaufen werden, wenn jeder Staat die Möglichkeit habe, sein eigenes Süppchen zu kochen. Außerdem würden solche Unterschiede Rechtsunsicherheit bei Dritten bewirken und die Wirksamkeit der Richtlinie an sich unterminieren.
Vereinfacht gesagt bedeutet das Urteil also: ist ein Inhalt auf einer Internetseite frei zugänglich, darf man ihn nach Rechtsansicht des EuGH ohne Erlaubnis des Urhebers weiterverlinken.
Das Urteil ist unter dem Aktenzeichen C-466/12 abrufbar. Bezüglich der deutschen Rechtslage ist das „Paperboy“-Urteil des BGH vom 17. Juli 2003 einschlägig. Es findet sich im Volltext hier (PDF) und in gekürzter Form als Pressemitteilung hier.