Multi-Touch-Systeme mit spürbarem Feedback dank „Madgets“
Zahlreiche Forscher beschäftigen sich mit intuitiven Bedienoberflächen der Zukunft, wie beispielsweise Microsoft Research mit „LightSpace“ im Rahmen der UIST 2010 zeigte. Dort stellten auch Forscher der RWTH Aachen ihre Madgets vor, mit denen Multi-Touch-Oberflächen unter anderem ein haptisches Feedback erhalten sollen.
Geräte mit sogenannten Multi-Touch-Screens finden immer mehr Verbreitung. Im Gegensatz zu statischen Eingabegeräten, wie zum Beispiel herkömmliche Tastaturen, bieten sie den Vorteil, sich dynamisch an wechselnde Anforderungen anpassen zu lassen, indem einfach die visuelle Darstellung verändert wird. Allerdings gibt es auch einen Nachteil an der Technik: Das spürbare Feedback der konventionellen Geräte fällt dabei weg. Während ein geübter Schreiber auf einer konventionellen Tastatur blind, also ohne hin zu schauen, tippen kann, ist dies auf einem Touchscreen kaum möglich, da sich die virtuellen Eingabeflächen nicht ertasten lassen.
Mit Madgets wollen deutsche Forscher Multi-Touch-Computing mit spürbarem Feedback ermöglichen. Madgets ist eine Abkürzung für Magnetic Widgets, was man mit „Magnetischen (Kontroll-)Elementen/Vorrichtungen“ übersetzen könnte. Wie bereits zu erahnen, kommen dabei Magnete zum Einsatz.
Bereits 2009 erschuf das Team rund um Dipl.-Inform. Malte Weiss und Prof. Dr. Jan Borchers vom Lehrstuhl Medieninformatik der RWTH Aachen zunächst die Technik SLAP, wobei es sich um greifbare und universelle Eingabegeräte für Multi-Touch-Tische handelt. Die beweglichen Tastaturen, Bedienknöpfe und Schieberegler sind aus transparentem Acryl und Silikon gefertigt und werden vom Computer auf der Tischoberfläche erkannt, so dass dieser passende Informationen auf sie projizieren kann. Die Betätigung der Geräte wird wiederum vom Computer erkannt und die entsprechende Eingabe an die Software weitergeleitet. Somit hatte man bereits eine Technik entwickelt, mit der sich Multi-Touch-Oberflächen ohne hinzusehen bedienen lassen.
Allerdings ließen sich die physikalischen Eingabegeräte nicht vom Computer an Software-seitige Änderungen anpassen oder steuern. Dieses Problem sollen die Madgets nun lösen. Dabei handelt es sich ebenfalls um passive Eingabegeräte, die aber zusätzlich über mehrere Magnete verfügen. Sie werden über eine spezielle Tischplatte geführt, unter der sich ein Feld von hunderten kleiner computergesteuerter Elektromagnete befindet. Über diesem Feld kommt ein umgebauter Flachbildschirm als Tischplatte zum Einsatz. Weiterhin befindet sich in der Konstruktion ein Raster aus Glasfasern, das die „Fußabdrücke“ der Madgets auf der Oberfläche an mehrere Kameras übermittelt, wodurch Position und Zustand des Objekts sowie Fingereingaben erfasst werden.
Mit dieser Technik lässt sich ein Magnetfeld erzeugen, wodurch beispielsweise der Schieberegler oder Schalter eines Madgets per Software in eine neue Position gebracht werden kann. Weiterhin lassen sich die Madgets auch vom Computer auf dem Tisch bewegen, indem ein wanderndes Magnetfeld genutzt wird. Ein Anwendungsbeispiel dafür wäre das Verschieben von nicht mehr benötigten Geräten (Madgets) an den Tischrand. Weiterhin lassen sich auch komplexere Bewegungen von Madgets mittels Magnetgetriebes oder Töne per magnetischem Klöppel einer Klingel erzeugen. Außerdem sei auch Stromübertragung möglich, indem ein schnell wechselndes Magnetfeld innerhalb eines mit einer Spule ausgestatteten Madgets einen Strom induziert. Dadurch sollen kleine Verbraucher wie LEDs, Speicherchips oder Sender betrieben werden können, womit entsprechend bestückte Madgets ohne Batterien auskämen. Die Bedienelemente lassen sich zudem sehr kostengünstig herstellen, da nur Permanentmagnete und Acryl benötigt werden, die bei Bedarf durch günstige elektronische Bauteile ergänzt werden.
Zusammenfassend bieten die Madgets der Aachener Hochschule also eine Möglichkeit, auf interaktiven Oberflächen wie Multi-Touch-Tischen Peripheriegeräte zu nutzen, welche sich sowohl vom Anwender als auch vom Computer steuern lassen. Als praktische Einsatzgebiete für die Technik nennt man beispielsweise die Bereiche der Tontechnik und des Filmschnitts. Ein Tontechniker könnte Madgets mit Schiebereglern zum Abmischen seiner Audiostücke verwenden, während nicht benötigte Regler an die Seite geschoben werden. Beim zweiten Beispiel werden zwei Regisseure genannt, die an verschiedenen Orten gemeinsam über das Internet am Schnitt eines Films arbeiten. Jeder hat dabei einen Tisch mit Madgets vor sich. Verschiebt nun einer der beiden ein Madget um zu einer anderen Filmsequenz zu springen, bewegt sich das Madget des anderen dementsprechend an die gleiche Stelle. Weiterhin wäre auch ein Einsatz z.B. als interaktiver Esstisch in Bars oder als Tabletop-Spiel denkbar.
Wir danken Hilbertraum
für den Hinweis zu dieser News!