Kein Erfolg durch Vorratsdatenspeicherung

Andreas Frischholz
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Die Vorratsdatenspeicherung hatte bislang keine nennenswerten Auswirkungen auf die Kriminalitätsstatistiken, vermeldet der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. Die Gegner der anlasslosen Telekommunikationsüberwachung berufen sich auf die polizeiliche Kriminalstatistik 2009, die kürzlich vom BKA veröffentlicht wurde.

Das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung wurde 2007 vom Bundestag verabschiedet, um bessere „Ermittlung, Feststellung und Verfolgung von schweren Straftaten, wie sie von jedem Mitgliedsstaat in seinem nationalen Recht bestimmt werden“ zu gewährleisten. Die Aufzeichnung der Vorratsdaten erfolgte von 2008 bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes im März 2010, nach der die gesetzliche Regelung als verfassungswidrig eingestuft wurde.

Gemäß der polizeilichen Kriminalstatistik stieg in dem Zeitraum mit Vorratsdatenspeicherung die Anzahl der registrierten schweren Straftaten auf 1.422.968 im Jahr 2009 (2007: 1.359.102). Die Aufklärungsquote hat 2009 mit 76,3 Prozent sogar unterhalb der 77,6 Prozent aus dem Jahr 2007 gelegen. Ebenso stieg die Anzahl der registrierten Internetstraftaten von 167.451 im Jahr 2008 auf 206.909 im Jahr 2009, nachdem die Vorratsspeicherung von Internetdaten erst 2009 in Kraft getreten ist. In diesem Zeitraum sank die Aufklärungsquote von 79,8 Prozent (2008) auf 75,7 Prozent (2009).

Die Änderungen in den Statistiken allein auf die Vorratsdatenspeicherung zurückzuführen, ist mit Sicherheit der falsche Ansatz. Als Rechtfertigung für das umstrittene Überwachungsinstrument dienen die Zahlen aber keinesfalls – weder zur Prävention noch zur Aufklärung von Straftaten. Die Kritiker des Ermittlungsinstrument fühlen sich bestätigt, insbesondere in Bezug auf Äußerungen von Befürwortern wie BKA-Präsident Jörg Ziercke, nach dessen Ansicht nachhaltige Aufklärung ohne Internetüberwachung nicht möglich sei.

Konstantin von Notz, Sprecher für Innen- und Netzpolitik der grünen Bundestagsfraktion, erklärte nun, dass entsprechende Thesen nach Bekanntgabe der Zahlen nicht mehr haltbar sind. So gebe es weiterhin keine „seriöse Rechtfertigung für die massiv in die Grundrechte aller Bürgerinnen und Bürger eingreifende Vorratsdatenspeicherung“, zudem „überwiegen die negativen Auswirkungen der Maßnahme im Vergleich zu den lediglich behaupteten Vorteilen bei Weitem“.

Die alte Regelung zur Vorratsdatenspeicherung wurde am 2. März vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben, die Vorratsdatenspeicherung an sich jedoch nicht als verfassungswidrig eingestuft. Hinzu kommt die Richtlinie der Europäischen Union, welche die EU-weite Einführung der Vorratsdatenspeicherung vorsieht und in zahlreichen Mitgliedsstaaten bereits umgesetzt wurde. Allerdings stehen noch Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof sowie in einigen Mitgliedsstaaten aus.

In Deutschland ist immer noch unklar, wie die zukünftige Regelung aussehen soll. Während CDU und CSU trotz des Bundesverfassungsgerichtsurteils eine strikte Umsetzung fordern, steht die FDP der Vorratsdatenspeicherung weiterhin skeptisch gegenüber. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) wirbt sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene für einen Kompromissvorschlag, das so genannte „Quick Freeze“-Verfahren. Gegenüber der ursprünglichen Regelung ist das Verfahren deutlich abgeschwächt, einige besonders kritische Punkte sind dennoch enthalten.

So sollen die IP-Adressen von anderen Telekommunikationsdaten getrennt werden und für sieben Tage gespeichert werden, um „Bestandsdatenauskünfte, d.h. eine Zuordnung dynamischer IP-Adressen zu Personen, insbesondere zur Bekämpfung von Kinderpornografie im Internet zu ermöglichen“. Nach einer Schätzung des Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (PDF-Datei) wurden im Jahr 2009 allerdings rund 95 Prozent der Auskünfte an private Rechteinhaber zur Abmahnung von Urheberrechtsverstößen erteilt, pornographische Darstellungen machten lediglich 0,1 Prozent aus. Demgegenüber stehen die Zahlen (PDF-Datei) vom BKA, nach denen über 70 Prozent der Auskünfte auf kinderpornographische Inhalte entfallen. Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung widerspricht (PDF-Datei) jedoch diesen Angaben, das BKA habe keine repräsentative Grundlage. Es ist nur in Ausnahmen für strafrechtliche Ermittlungsverfahren zuständig, wodurch die Zahlen des BKA die Kriminalitätswirklichkeit nicht korrekt widerspiegeln würden.

Nicht nur bei der Vorratsdatenspeicherung lassen die Ergebnisse an der Praxistauglichkeit zweifeln, bei den Netzsperren werden ebenfalls die Zweifel genährt, ob eine Umsetzung mit der aktuellen Argumentation zu rechtfertigen ist. So hat die Internetbeschwerdestelle Eco mitgeteilt, dass 652 Websites mit kinderpornographischen Inhalten gelöscht worden, was einer Erfolgsquote von 99,4 Prozent entspricht. Sofern sich die Server innerhalb von Deutschland befinden, sind die Websites binnen 24 Stunden verschwunden. Aber auch die internationale Zusammenarbeit beim Löschen von entsprechenden Websites funktioniert offenbar immer besser, erklärt Eco-Vorstand Oliver Süme. Man könne die Bilder immer schneller abschalten lassen, egal wo die Server sich befinden, da kein Land den Ruf haben wolle, ein sicherer Host von Kinderpornographie zu sein.

Das BKA geht hingegen von einer geringeren Erfolgsquote aus, allerdings soll es seit Oktober einen Anstieg der Quote gegeben haben, die bereits bei deutlich über 75 Prozent lag. Als Erklärung für den Erfolg könnte die Zusammenarbeit von BKA und Eco in Frage kommen, die im Oktober dazu übergingen, die Betreiber von Servern, auf denen die illegalen Inhalte gespeichert wurden, parallel zu kontaktieren. Innerhalb des Bundesinnenministeriums wird die Quote allerdings als „Zufall“ abgetan, das vom CDU-Politiker Thomas de Maizière geführte Ministerium setzt sich weiterhin für die Einführung von Netzsperren ein. Die FDP lehnt Netzsperren dagegen ab, weswegen das Thema im Hinblick auf den Koalitionsfrieden auf die Zeit nach den Landtagswahlen im Frühjahr verschoben wurde.

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