Bundespräsident soll Internetsperren kippen
Der Arbeitskreis gegen Internetsperren und Zensur (AK Zensur), dem sich mehrere Kritiker des bereits von Bundestag und Bundesrat verabschiedeten Zugangserschwerungsgesetzes angeschlossen haben, hat sich in einem offenen Brief an den Bundespräsidenten gewandt. Darin fordert er die Nichtunterzeichnung des Gesetzes.
Der im Auftrag des AK Zensur den Brief verfassende Rechtsanwalt Thomas Stadler weist beim Zugangserschwerungsgesetz nicht nur auf formale sondern auch auf inhaltliche Fehler hin, die in Teilen jedoch schon genügen sollten, das Gesetz als nicht verfassungskonform zu erkennen. So weist Stadler etwa darauf hin, dass der Bund gar keine Gesetzgebungskompetenz besitzt, um eine Rechtsnorm wie das Zugangserschwerungsgesetz zu verabschieden. Da hierbei nämlich ausschließlich der Bereich des Polizei- und Sicherheitsrechts angesprochen werde, liegt die Gesetzgebungskompetenz bei den Ländern. Darüber hinaus besitzt der Bund auch keine Verwaltungskompetenz, weshalb es keine bundeseigene Behörde gibt, die das Gesetz vollziehen soll.
Davon einmal abgesehen gibt es auch schwere Fehler beim Gesetzgebungsverfahren selbst. So wurde das Gesetz in der ersten Lesung des Bundestages noch als „Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen“ geführt. Es sah eine Änderung des Telemediengesetzes, insbesondere eine Ergänzung um einen neuen Paragraphen 8a, vor. In der zweiten und dritten Lesung wurde daraus aber das nun bekannte Zugangserschwerungsgesetz, das allerdings so stark vom ursprünglichen Entwurf abweicht, dass es erneut in einer ersten Lesung eingebracht hätte werden müssen.
Weitere Kritik erfährt das Zugangserschwerungsgesetz hinsichtlich dessen, dass Art und Umfang der Sperren von den Providern selbst zu regeln sind. Dieser wichtige Aspekt hätte jedoch im Gesetz selbst geregelt werden müssen, damit dieses dem sogenannten Wesentlichkeitsgrundsatz entspricht. In der aktuellen Form wird den Zugangs-Providern jedoch nur ein Minimum an technischen Mitteln vorgeschrieben, weshalb die geplanten Sperren providerabhängig unterschiedlich stark ausfallen können, was nicht begründbar ist. Darüber hinaus finden weitere Eingriffe in Grundrechte wie dem der Meinungsfreiheit, der Handlungsfreiheit der Inhalteanbieter, der Informationsfreiheit und in das Fernmeldegeheimnis vor.
Dabei müsse insgesamt jedoch auch infrage gestellt werden, ob das Zugangserschwerungsgesetz seinen Zweck überhaupt erfüllen kann. So werde durch die geplanten Stopp-Schilder überhaupt erst die Aufmerksamkeit auf gesperrte Seiten gelenkt, die andernfalls nur einer Minderheit bekannt wären. Zudem zeigt die Erfahrung mit Sperrlisten aus anderen Ländern, dass diese nicht geheim bleiben und früher oder später im Internet verfügbar sind. Gerade damit würde man aber eine Navigationshilfe für Pädophile schaffen, sodass der Zugang zu Internetseiten mit kinderpornografischem Inhalt letztendlich sogar erleichtert würde. Auch ist nicht ausgeschlossen, dass bei den technisch noch nicht näher definierten, mindestens aber als DNS-Sperre auszuführenden Sperrmaßnahmen nicht auch legale Inhalte mitgeblockt werden.
Das allgemeine Vertrauen in die so zu schaffende Zensurinfrastruktur sei weiterhin nicht besonders hoch, obwohl das Spezialgesetz keine Sperrung von anderen Inhalten als solchen, die Kinderpornografie enthalten, zulässt. Mit der geschaffenen Infrastruktur sei es dennoch möglich, jeden Bundesbürger hinsichtlich seiner Anfragen zu beobachten und diese anhand von Sperrlisten zuzulassen oder zu blockieren.
Aus diesen Gründen erhofft man sich von Bundespräsident Horst Köhler den Unwillen, das Gesetz in der Form zu unterzeichnen.