Telekom präsentiert neue Strategie

Sasan Abdi
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Am gestrigen Donnerstag erläuterte Telekom-Chef René Obermann im Rahmen der Bekanntgabe der Geschäftszahlen für 2006, wie die Zukunft für den ehemaligen Alleinherrscher Telekom aussehen könnte. Neben Zukäufen und einer Breitband- und Mobilfunkoffensive soll auch ein größeres „Web 2.0“-Engagement im Mobile-Bereich dabei helfen, gegenüber der Konkurrenz wieder an Boden zu gewinnen.

Insgesamt fallen die Zahlen ob des allgemeinen Preisverfalls auf allen Gebieten sowie dem immens starken Konkurrenzkampf für 2006 eher durchschnittlich aus: Mit einem Umsatz von 61,3 Milliarden Euro kann die Telekom immerhin einen Zuwachs von 2,9 Prozent vermelden – der bereinigte Konzernüberschuss liegt bei 3,9 Milliarden Euro und effektiv bei den in etwa erwarteten 19,4 Milliarden Euro vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA). Problematisch war jedoch weiterhin das Geschäft in Deutschland. Während gut 47 Prozent des Umsatzes mit Geschäften im Ausland gemacht wurden (Umsatzplus 3,5 Milliarden Euro / 13,6 Prozent / 28,9 Milliarden Euro overall), sank der in Deutschland erwirtschaftete Umsatz um 1,7 Milliarden Euro und fünf Prozent auf 32,5 Milliarden Euro.

Grund für die mittelgroße Misere im Inland waren dabei zumindest in Teilen die schwindenden Kundenzahlen: Auch wenn eine leichte Verbesserung im Breitband-Segment zu verzeichnen ist - allein im vierten Quartal des letzten Jahres konnte T-Com 880.000 neue Breitbandanschlüsse zählen – sorgten vor allem allem die Abwanderung von Anschlusskunden im Breitband- und Festnetzbereich sowie der knüppelharte Preiskampf mit den Mitbewerbern in diesem Segment für einen Umsatzrückgang von 1,1 Milliarden Euro beziehungsweise neun Prozent. Etwas anders gestaltet sich die Situation im Mobilfunkbereich: Zwar kann man bei T-Mobile sogar ein Kundenplus von 6,4 Prozent für sich verbuchen (31,4 Millionen Kunden insgesamt) – dennoch muss auch hier nicht zuletzt aufgrund der gesunkenen Verbindungspreise ein Umsatzrückgang um 4,7 Prozent auf 8,2 Milliarden Euro hingenommen werden.

Vor dem Hintergrund dieser durchwachsenen Zahlen verwundert es nicht, dass die Konzernleitung im gleichen Atemzug die Eckdaten zur neuen Strategie bekannt gab.

Ein genereller Tenor der neuen Strategie impliziert: Die Telekom will weiter wachsen. Vor allem auf dem internationalen Mobilfunkmarkt und im Bereich der internationalen Großkunden soll das Unternehmen, womöglich sogar in völlig neuen Regionen, expandieren. Dabei scheint weiterhin der US-Markt eines der potentesten Mobilfunk-Stücke der Telekom zu sein. Nach der letzten größeren Investition in die eigene Präsenz auf dem wachstumsträchtigen US-Mobilfunkmarkt und der damit verbundenen längerfristigen Verpflichtungen rechnen die Verantwortlichen nun mit einem möglichen Zuwachs von gut fünf Millionen neuen US-Kunden bis 2008. Neben strategischen Partnerschaften werden für ein nicht-organisches Wachstum durchaus auch Zukäufe und neue Investitionen notwendig sein. Die dazu nötigen Mittel sollen unter Umständen aus dem Verkauf von nichtstrategischen Geschäftsbereichen gewonnen werden. Als potentielle Verkaufsposten nannte Obermann die T-Systems-Einheit Media & Broadcast, DeTeImmobilien, das Internetgeschäft in Frankreich und Spanien „Club Internet“ und „Ya.com“ sowie die Restanteile an der Immobiliengesellschaft Sireo und diverse Funktürme in Europa und den USA.

Vor dem Hintergrund von sinkenden Kundenzahlen muss aber auch vornehmlich auf dem deutschen Privatkundenmarkt etwas geschehen. Bis 2010, so die neue Vorgabe aus der Bonner Konzernzentrale, sollen insgesamt gut 1,5 Millionen Kunden für das Internetfernsehen-Angebot der Telekom gewonnen werden. Dazu soll VDSL bis 2008 in bis zu 50 Städten verfügbar sein. Weitaus wichtiger für das Angebot ist aber die Öffnung für ADSL2+-Kunden: Die nächst kleinere Breitbandanbindungs-Variante (DSL 16.000) soll bis Ende dieses Jahres in 750 Städten verfügbar sein und ebenfalls an das IPTV-Angebot angeschlossen werden. Damit gibt die Telekom die IPTV-technische Fokussierung auf die VDSL-Technologie nicht zuletzt aufgrund der aktuell geringen Kundenzahl von geschätzt 20.000 für das VDSL-Angebot „T-Home“, wie im Vorfeld vermutet, grundsätzlich auf. Sollten sich die Pläne tatsächlich wie geplant umsetzen lassen, so würde dies bedeuten, dass die Telekom bereits zum Ende des Jahres hin rund 17 Millionen Haushalte mit dem hauseigenen IPTV-Paket erreichen könnte. VDSL wäre dann nur noch für HDTV zwingend notwendig.

Ähnlich wie im Internet-Zugangsgeschäft will die Telekom auch im Festnetz- und Mobilfunkmarkt wieder deutlich wachsen. Insgesamt lautet die recht ergeizige Vorgabe, 2007 gut 40 Prozent der Neukunden für sich zu gewinnen. Dazu beitragen soll beispielsweise die Implementierung des in den USA recht erfolgreichen „MyFace“, dass es erlaubt, die Benutzeroberfläche des Handys individuell anzupassen. Außerdem soll das „Web 'n Walk“-Angebot weiter ausgebaut werden und auch die Vereinheitlichung der Brands soll dazu beitragen, wieder mehr potentielle Kunden zu erreichen. Vereinfacht gesagt steht zukünftig die Marke „T-Home“ für alles, was mit häuslichen Angeboten wie dem Festnetz- und Internetzugang zu tun hat, während „T-Mobile“ die Marke für alle mobile Anwendungen ist und „T-Systems“ nach wie vor für die Geschäftskundensparte steht.

Auch im Bereich „Web 2.0“ will die Telekom angreifen. „Mobiles Internet wird ebenso ein Mega-Trend wie Web 2.0, Synonym für die aktive Mitgestaltung des Internets und die persönliche und soziale Vernetzung der Nutzer. Deshalb arbeiten wir unter anderem an Angeboten für Communities, also zum Beispiel Familien, Freunde, Interessengruppen“, erklärt Obermann die Gründe für ein eigenes „Web 2.0“-Engagement. Was genau die Telekom für „Web 2.0“-Dienste per Mobilfunk anbieten wird, ist derzeit nicht bekannt. Neben eigenen Entwicklungen will das Unternehmen aber auch auf Partnerschaften mit Drittanbietern und die Integration von anderen Angeboten setzen.

Doch nicht nur beim Angebot will die Führung der Telekom Korrekturen vornehmen. Zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit sollen vor allem auch die Kosten gesenkt werden. Dazu gehört zum einen die geplante Auslagerung von rund 55.000 Stellen. Zum anderen erhofft sich Obermann vom Umbau der Netzinfrastruktur auf eine IP-basierte Technologie, einer Reform der hauseigenen IT-Infrastruktur sowie einer Kosten-Nutzen-Steigerung beim Kundenservice, weitere Einsparungsposten.

Ein Mal mehr steht auch in der neuen Strategie das vielbesagte Thema „Kundenservice“ im Vordergrund. Dieser soll zwar ökonomisch effizienter, zugleich aber auch serviceorientierter werden. Dazu sollen die schnellere Bearbeitung von Kundeneingaben sowie Pünktlichkeit, Termintreue und eine erhöhte Erreichbarkeit der Callcenter beitragen, was für die Beschäftigten zum Einen wohl längere Arbeitszeiten, durch die etwaige Bündlung von Callcenter-Ressourcen zum Anderen sogar Lohneinbußen bedeuten wird.