Gegen Quick-Freeze: Innenminister wollen weiterhin die Vorrats­daten­speicherung

Andreas Frischholz
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Gegen Quick-Freeze: Innenminister wollen weiterhin die Vorrats­daten­speicherung
Bild: tstokes | CC0 1.0

Eigentlich hat sich die Bundesregierung in der letzten Woche auf eine Nachfolgeregelung zur Vorratsdatenspeicherung verständigt, bei der die anlasslose Datensammlung durch einen Quick-Freeze-Ansatz ersetzt wird. Die Innenminister wollen aber an der Vorratsdatenspeicherung festhalten.

Entsprechende Wortmeldungen erfolgten seit dem Ampel-Beschluss, unterstrichen wird die Forderung nun von der Innenministerkonferenz. Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU), Vorsitzender der Innenministerkonferenz, kritisiert den Quick-Freeze-Ansatz laut einem Bericht von Zeit Online. Daten müssten auch auf Vorrat gespeichert werden, verlangt wird eine Regelung, die mit dem EU-Recht vereinbar ist.

Die alten Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung wurden jeweils einkassiert, weil eine anlasslose und verdachtsunabhängige Speicherung von Telekommunikationsdaten gegen das EU-Recht verstößt. Das von der Ampel vorgelegte Quick-Freeze-Verfahren gilt als rechtskonforme Alternative, weil Daten erst „eingefroren“ werden, wenn ein Verdacht vorliegt. Der Abruf erfolgt in zwei Schritten: Bei Straftaten können Sicherheitsbehörden zunächst von Providern verlangen, relevante Daten zu speichern. In einem zweiten Schritt, der höhere Voraussetzungen hat, können diese dann auch abgerufen und ausgewertet werden.

Verständigt habe sich die Bundesregierung laut Bundesinnenministerium aber nur beim Verkehrs- und Standortdaten, IP-Adressen habe man beim Quick-Freeze-Verfahren bislang ausgeklammert. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will die anlasslose Datensammlung von IP-Adressen, Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) lehnt das Vorhaben ab.

Vorratsdatenspeicherung gegen Kinderpornografie

Nötig sei die Vorratsdatenspeicherung laut den Innenministern, um Sicherheitsbehörden im Kampf gegen Kinderpornografie und die Darstellungen von sexuellem Missbrauch zu unterstützen. Ermittler wären demnach auf die Datensammlung angewiesen.

Wie hilfreich die Instrumente tatsächlich sind, ist aber umstritten. Sicherheitsbehörden fordern diese immer wieder. Untersuchungen zeigten aber in der Vergangenheit, dass sich ein Effekt auf die Aufklärungsquoten kaum belegen lässt.

Bürgerrechtler forcieren daher den Lösch-Ansatz, bei dem Inhalte mit Missbrauchsdarstellung direkt entfernt werden. Die vom Internetwirtschaftsverband Eco betriebene Beschwerdestelle für rechtswidrige Inhalte meldete im Jahresbericht für 2023, dass in Deutschland gehostete Webseiten mit kinderpornografischen Inhalten zu 100 Prozent und innerhalb von durchschnittlich rund 1,86 Tagen gelöscht worden sind. Weltweit lag die Quote bei 98,35 Prozent.

Hessische Landesregierung legt Gesetz für IP-Vorratsdatenspeicherung vor

Derweil verhandelt nicht nur die Bundesregierung über das neue Gesetz. Gestern hat die hessische Landesregierung einen Gesetzentwurf für eine IP-Vorratsdatenspeicherung vorgestellt, die kommenden Freitag im Bundesrat verhandelt werden soll. Laut Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) wäre die Quick-Freeze-Regelung der Ampel „bei weitem nicht ausreichend (…) für die Verfolgung schwerer Kriminalität“.

Ohne die IP-Adressdatenspeicherung sei „eine Strafverfolgung vor allem von Kinderpornografie, aber auch von Hate Speech sehr oft nicht möglich“. Hessens Justizminister Christian Heinz erklärte, bei der Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern und der Kinderpornografie müsse man alle Möglichkeiten ausschöpfen.

Der Spielraum ist aber infolge der Urteile vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) und dem Bundesverfassungsgericht äußerst begrenzt. Bei Telekommunikations- und Standortdaten hat der EuGH eine allgemeine und anlasslose Vorratsdatenspeicherung untersagt, Ausnahmen gelten nur bei der Bedrohung der nationalen Sicherheit. Bei den IP-Adressen sind die Vorgaben nicht ganz so strikt.

Das geht aus dem EuGH-Urteil von 2022 hervor, das sich unter anderem mit dem letzten deutschen Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung befasst hat. Demnach ist eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung der IP Adressen nicht rechtswidrig, wenn diese „zum Schutz der nationalen Sicherheit, zur Bekämpfung schwerer Kriminalität und zur Verhütung schwerer Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit für einen auf das absolut Notwendige begrenzten Zeitraum angewendet wird“. Laut dem hessischen Gesetzentwurf sollen IP-Adressen für einen Monat gespeichert werden.