Kommentar: Der Abmahnwahnsinn in Internetforen

Brigitta Herzog
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Kolumne

In Zeiten, in denen keinerlei Rechtsorientierung – geschweige denn Rechtssicherheit – für Forenbetreiber gegeben ist, ist es fast unmöglich, gewisse Themen „richtig“ zu moderieren. Oftmals kann sich nicht einmal ein Rechtsanwalt sicher sein, ob bestimmte Formulierungen abmahnwürdig sind, oder eben nicht, denn die Rechtsprechung kommt Tag ein, Tag aus zu den unterschiedlichsten Urteilen. Eine verlässliche Orientierung ist unmöglich, leider meist auf Kosten der Seitenbetreiber.

So kommt es, dass auch ComputerBase immer häufiger die Aufforderung von beauftragten Anwälten unterschiedlichster Firmen oder Einzelpersonen zugestellt bekommt, Beiträge im Forum zu entfernen.

Untermauert sind diese Forderungen meist mit herausgepickten Entscheidungen von Gerichten und Verweisen auf Gesetzestexte. Wenn jemand genug Zeit hätte, könnte er zu fast all' diesen „Tatbeständen“ exakt gegenteilige Urteile finden und zitieren. Nur – und da komme ich auf die Rechtssicherheit zurück – es nützt nichts. Denn jedes dieser Urteile ist ein Einzelfall. Und jeder weitere Fall wäre wieder eine kostspielige Einzelentscheidung. Hinzu kommt, dass die zeitliche Fristsetzung zur Entfernung der Beiträge gerade für freiwillige Helfer – die wir nun einmal alle sind – meist utopisch kurz ist, um adäquat reagieren zu können. Ein Thema (bzw. Beitrag), welches durch ein anwaltliches Schreiben zweifelsohne in den Blickpunkt geraten ist, müssen wir bekanntlich „ab Kenntnis“ der beinhaltenden Beiträge rückwirkend und zukünftig ständig im Auge behalten, da die Betreiber direkt und ohne eine weitere, vorher erfolgte Mahnung für kommende Beiträge haftbar gemacht werden können.

Anfang September war es wieder einmal so weit. ComputerBase erreichte die Aufforderung der Anwälte eines Komplettsystemherstellers, eine Reihe von Beiträgen aus dem Forum zu löschen. Die Fristsetzung war sehr kurz, der vom Hersteller erbetene Kontakt zu den Verantwortlichen wurde unverzüglich hergestellt. Zwei Firmenmitarbeiter meldeten sich bezüglich weiterer Rücksprache bei ComputerBase an. Der eine um problematische Beiträge zu melden, der andere um Kontakt mit den Kunden aufzunehmen und klärend eingreifen zu können.

Die zuerst beanstandeten Beiträge wurden von uns entfernt, anschließend immer wieder neu vom Hersteller gemeldete Beiträge jedoch nur noch teilweise. Denn nun offenbarte sich das ganze Dilemma der Diskrepanz in der Einschätzung der Beiträge zwischen „Schilderung von Erfahrungen und den persönlichen Konsequenzen“ auf der einen Seite und „geschäftsschädigenden Äußerungen“ auf der anderen Seite.

Nicht, dass hier etwas falsch verstanden wird: Es ist das gute Recht einer jeden Firma, geschäftsschädigende und vor allem nicht belegte Behauptungen aus der Welt zu schaffen oder schaffen zu lassen. Doch wo ist die Grenze? Was ist beweisbar und was nicht? Wer entscheidet was wahr und was unwahr ist?

Und leider gibt es auch noch die andere Seite der Medaille, die ich nicht verschweigen möchte. Das sind Beitragsschreiber, die die vermeintliche Anonymität des Internets gezielt ausnutzen. Ihre Masche: Anmeldungen im Forum nur für einen oder ein paar unsachliche Beiträge, Öl ins Feuer gießen, Links posten und die Sache am Laufen halten. Unsere Forumregeln werden dabei ganz selbstverständlich ignoriert. Auch die unbedarften, einen Begriff aufschnappenden und weitertragenden User des Forums erschweren die Arbeit ungemein, denn Erklärungen im Thread oder über die Persönliche-Nachricht-Funktion werden geflissentlich ignoriert und der größtmögliche Hammer in Form eines Vorwurfes der Zensur kommt ins ernste Spiel.

Die Folgen für die Moderation: Magenschmerzen in jeder Hinsicht, Unsicherheit bei der Einschätzung von einzelnen aber entscheidenden Beiträgen (wie auch, wenn nicht einmal ein Rechtsanwalt entscheidungssicher sein kann?), Kopfschmerzen und unendlich zeitraubende Diskussionen. Manche durchaus notwendig, doch auch viele lediglich durch Unverständnis und Rechthaberei. Zusätzliche Folgen für die Betreiber: Mögliche finanzielle Last bis zur Untragbarkeit.

Fazit und Konsequenz für uns: Wir wollen diese wunderbare Plattform des Hilfe- und Meinungsaustausches zwischen vielen Beteiligten unbeschädigt erhalten. Aber wir wollen uns vor keinen Karren spannen lassen. Weder den Karren einzelner User, noch den Karren einzelner Firmen. Nur, da momentan und auch in absehbarer Zukunft kein anderer Lösungsansatz in Sicht ist, werden wir Threads mit enorm hohem Abmahnpotential schließen müssen. Mit dieser Kolumne möchten wir so weit wie möglich Transparenz in diese Vorgänge bringen und so offen wie möglich mit dem Dilemma umgehen. Und nicht zuletzt bitten wir die User von ComputerBase/ForumBase um Verständnis und Vertrauen in unsere Vorgehensweise, gerade in solch' für uns begründeten Fällen.

Fazit und Konsequenz für den Forenalltag und seine User: Wenn sich alle an die Regeln halten und ihr Anliegen und ihre Erfahrungen sachlich, ohne Schmähkritik, Beleidigungen, Polemik, Nennung realer Namen und ohne ihre Meinung als Tatsachenbehauptung darzustellen wiedergeben, können wir auch hier zum Alltag übergehen. Habt keine Angst, aber seid bitte sensibilisiert und übernehmt Verantwortung für das, was ihr schreibt.

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