Netzpolitik.org: Justizminister Maas hat Zweifel an Landesverrat-Ermittlungen

Andreas Frischholz
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Netzpolitik.org: Justizminister Maas hat Zweifel an Landesverrat-Ermittlungen
Bild: SPD Schleswig-Holstein | CC BY 2.0

Nun geht auch Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) auf Distanz zu Generalbundesanwalt Harald Range. Er habe Bedenken, ob es sich bei den von Netzpolitik.org veröffentlichten Verfassungsschutz-Dokumenten tatsächlich um ein Staatsgeheimnis handelt, das eine Ermittlung wegen Landesverrat rechtfertigt.

In einer offiziellen Stellungnahme heißt es, dass Maas es bezweifelt, ob „die Journalisten mit ihrer Veröffentlichung die Absicht verfolgt haben, die Bundesrepublik Deutschland zu benachteiligen oder eine fremde Macht zu begünstigen“. Ebenso fragwürdig sei, ob „es sich bei den veröffentlichten Dokumenten um ein Staatsgeheimnis handelt, dessen Veröffentlichung die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeiführt“ – dieser Punkt ist entscheidend, um Ermittlungen wegen Landesverrat in die Wege zu leiten.

Angesichts der derzeitigen Ausgangslage begrüßt Maas es daher, dass die Generalbundesanwaltschaft die Ermittlungen vorerst ruhen lassen will. Range hatte diesen Schritt mit der Bedeutung der Meinungs- und Pressefreiheit begründet. Eingestellt ist das Verfahren auf diese Weise allerdings noch nicht. Stattdessen wird nach dem aktuellen Kenntnisstand nun ein Gutachter prüfen, ob es sich bei den veröffentlichten Dokumenten tatsächlich um Staatsgeheimnisse handelt, die ein Verfahren rechtfertigen.

Derweil kündigt Maas an, dass nun auch geprüft werden müsse, ob die strafrechtlichen Vorschriften über Landesverrat reformbedürftig sind. Denn allein das aktuelle Verfahren verdeutliche, wie „schwierig die Abwägung zwischen Pressefreiheit und staatlichem Geheimschutz sein kann“.

Frust der Sicherheitsbehörden führt zu neuer Eskalationsstufe

Anders dürfte man das in den Reihen der Sicherheitsbehörden sehen. Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen, der die Anzeige gegen die Berichterstattung von Netzpolitik.org initiiert haben soll, zeigte sich bereits im Mai verärgert. Auf einer Podiumsdiskussion erklärte er laut einem Bericht von Spiegel Online, dass es ein Skandal sei, wenn geheime Dokumente in Redaktionen landeten, „sobald sie den politisch-parlamentarischen Bereich erreichen“. Doch das gilt nicht nur für den Verfassungsschutz, sondern auch für andere Behörden wie etwa das Außen- und Verteidigungsministerium. Auch dort sind hochrangige Beamte verärgert, dass immer wieder geheime Dokumente in den Medien auftauchen.

Die Lesart der Bundesregierung lautet dabei: Internationale Partner würden mittlerweile das Vertrauen verlieren, weil zu viele vertrauliche oder als geheim klassifizierte Informationen an die Öffentlichkeit gelangen. Diese Vorwürfe erfolgen allerdings nicht offiziell, sondern nur über die diplomatischen Kanäle. Dementsprechend lässt sich von außen kaum nachvollziehen, inwieweit die Aussagen von Regierungsvertretern tatsächlich zutreffen. Dass die Konsequenzen bisweilen nicht so harsch sind, wie es in der Öffentlichkeit dargestellt wird, musste Geheimdienst-Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche allerdings schon im Streit rund um den BND und die NSA-Suchbegriffe eingestehen.

Dennoch lautet das Ziel von Behörden und Ministerien: Die Quellen der Journalisten sollen ausgetrocknet werden. Dementsprechend wird auch gemutmaßt, dass mit den aktuellen Ermittlungen vor allem Whistleblower abgeschreckt werden sollen. „Wir sehen das als Einschüchterungsversuch gegen kritische Berichterstattung, die aufklären will, was unsere Sicherheitsbehörden im Verbund mit NSA und Co. tatsächlich machen“, sagte auch der Journalist und Netzpolitik.org-Betreiber Markus Beckedahl im Interview mit dem Bayrischen Rundfunk. Darüber hinaus sei der Vorgang zugleich „ein Einschüchterungsversuch gegen Quellen und potentielle Quellen, um sie davor abzuschrecken, Journalisten weiter dabei zu unterstützen, Licht ins Dunkle dieser größten Überwachungsmaschinerie in der Geschichte zu bringen“.

Rücktrittsforderungen gegen Generalbundesanwalt Range

Derweil steht Generalbundesanwalt Range immer noch im Zentrum der Kritik. Er muss sich vor allem den Vorwurf gefallen lassen, dass seine Behörde gegen zwei Journalisten von einem vergleichsweise kleinen Portal vorgeht. Doch Ermittlungen wegen der NSA-Spionage werden nicht eingereicht. Dementsprechend reiche es nicht aus, wenn die Ermittlungen vorerst ruhen sollen. Vielmehr müssten diese umgehend eingestellt werden.

Das war auch eine der Forderung von rund 2.500 Menschen, die unter dem Motto „Für Grundrechte und Pressefreiheit – Gegen die Einschüchterung von netzpolitik.org und seiner Quellen“ heute in Berlin auf die Straße gegangen sind. Darüber hinaus wurde im Rahmen der Demonstration auch der Rücktritt von Generalbundesanwalt Range gefordert.

Ähnlich äußerte sich auch Linke-Chef Bernd Riexinger. Im Handelsblatt erklärte er, dass Range seinen Hut nehmen müsse. Riexinger sagte im Wortlaut: „Wie kommt man eigentlich auf die Idee gegen ein paar Journalisten zu ermitteln, aber nichts dagegen zu unternehmen, dass Millionen Menschen ausspioniert werden?“ Ähnlich fällt auch die Einschätzung des SPD-Abgeordneten Christian Flisek aus, der unter anderem Mitglied im NSA-Ausschuss ist. Via Twitter erklärte er:

Verteidigt wird Range derweil noch von CDU/CSU-Abgeordneten. CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach im Handelsblatt: „Wer beim Ermittlungsverfahren kritisiert, hier würde mit Kanonen auf Spatzen geschossen, sollte nicht selber ein so großes Kaliber wählen.“ Zudem müsste bei den Vorwürfen auch die Unabhängigkeit der Justiz beachtet werden.