Amazon Marketplace: Sieg für Bundeskartellamt, EU beginnt Ermittlungen

Michael Günsch
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Amazon Marketplace: Sieg für Bundeskartellamt, EU beginnt Ermittlungen

In puncto Kartellrecht steht Amazon derzeit bei nationalen wie internationalen Behörden im Visier. Auf Druck des Bundeskartellamtes wird Amazon die Geschäftsbedingungen für Marktplatzhändler zu deren Gunsten abändern. Indes untersucht die EU-Kommission mögliche wettbewerbswidrige Verhaltensweisen von Amazon.

Amazon beugt sich Bundeskartellamt und Beschwerden

Ende November hatte das Bundeskartellamt ein Missbrauchsverfahren gegen Amazon eingeleitet, in dem die Geschäftsbedingungen und Verhaltensweisen auf dem deutschen Amazon-Marktplatz geprüft werden sollten. Anlass waren Beschwerden zahlreicher Händler, die die Geschäftspraxis von Amazon in diversen Punkten beklagten: Haftungsregeln zu Lasten der Händler, Regeln zu Produktrezensionen, intransparente Kündigungen und Sperrungen von Händlerkonten sowie der Einbehalt von Zahlungen und verzögerte Auszahlungen.

Wie das Bundeskartellamt heute mitteilt, hat sich Amazon dazu bereit erklärt, seine Geschäftsbedingungen für Händler auf den Amazon Online-Marktplätzen (Amazon Marketplace) zu ändern. Die Änderungen sollen heute in 30 Tagen, also Mitte August, in Kraft treten und nicht nur für den deutschen Marktplatz auf amazon.de, sondern auch den Rest der Welt gelten. Das Verfahren gegen Amazon wird daraufhin eingestellt.

Die Änderungen betreffen den einseitigen Haftungsausschluss zugunsten von Amazon, die Kündigung und Sperrung der Konten der Händler, den Gerichtsstand bei Streitigkeiten sowie den Umgang mit Produktinformationen und viele andere Fragen. Für die auf den Amazon Marktplätzen tätigen Händler haben wir mit unserem Verfahren weltweit weitreichende Verbesserungen erwirkt. Das Verfahren wird eingestellt.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes

Die Zugeständnisse von Amazon im Überblick

Unter anderem wird der Haftungsausschluss von Amazon eingeschränkt, sodass Amazon künftig wie auch die Händler „für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit sowie bei Verletzung wesentlicher Vertragspflichten“ haftet. Bisher sei Amazon „praktisch von jeglicher Haftung gegenüber den Händlern freigestellt“.

Eine weitere Änderung betrifft den Kündigungsschutz: Kann Amazon bislang Händlern fristlos kündigen und deren Konten ohne Angabe von Gründen sperren, gilt künftig eine Frist von 30 Tagen für „ordentliche Kündigungen“. Bei „außerordentlichen Kündigungen“ oder Sperrungen durch Rechtsverletzungen seitens des Händlers, ist Amazon künftig dazu verpflichtet, das Vorgehen zu begründen.

Für Rechtsstreits ist bislang ausschließlich Luxemburg als Gerichtsstand festgelegt, künftig können Händler eine rechtliche Auseinandersetzung mit Amazon auch vor einem anderen inländischen Gericht bei Zuständigkeit anstreben.

Bei aus Sicht des Händlers unberechtigten Retouren besteht zudem zukünftig die Möglichkeit des Widerspruchs und eines Anspruchs auf Entschädigung durch Amazon.

Des Weiteren werden die bisher umfassenden Nutzungsrechte für Produktmaterialien wie Beschreibungen und Bilder, die Händler Amazon einräumen müssen, auf bestimmte Verwendungszwecke eingeschränkt. Die Klausel zur Geheimhaltung der Geschäftsbeziehung zu Amazon soll gelockert werden.

Die Marktplatz-Regelungen sollen für Händler außerdem leichter zu finden sein und etwaige Änderungen an diesen mit einer Frist von 15 Tagen vorab durch Amazon angekündigt werden.

Als angebliches Mittel gegen den Missbrauch von Kundenbewertungen schließt Amazon bisher über Drittanbieter eingeholte Produktbewertungen vom Marketplace aus, lässt diese aber bei Produkten im eigenen Verkauf zu. Für Inhaber einer „bei Amazon registrierten Marke“ werde künftig der Zugang zum Bewertungsprogramm Vine „schrittweise geöffnet“, heißt es weiter.

EU prüft Amazon auf wettbewerbswidriges Verhalten

Schon länger steht Amazon auch bei den Kartellhütern der Europäischen Union im Visier. Heute wurde nun offiziell eine „Untersuchung möglicher wettbewerbswidriger Verhaltensweisen von Amazon“ eingeleitet, teilt die EU-Kommission mit.

Auch hier steht die Beziehung zwischen Amazon und den Marktplatz-Händlern im Fokus. Allerdings soll vor allem ergründet werden, „ob und wie die Nutzung der Daten, die Amazon als Einzelhändler über die Marktplatzhändler sammelt, den Wettbewerb beeinträchtigt“. Amazon nutze offenbar „wettbewerbssensible Informationen über Marktplatzhändler, ihre Produkte und die von den Händlern auf der Plattform vorgenommenen Transaktionen“, so der Eindruck der Kommission.

Als zweiter Schwerpunkt der Untersuchungen wird die Auswahl der in der sogenannten „Buy Box“ angezeigten Händler angeführt, über die Kunden Produkte eines Einzelhändlers direkt in ihren Einkaufswagen legen können.

Der Verdacht der EU-Kommission lautet: „Die untersuchten Praktiken verstoßen möglicherweise gegen die EU-Vorschriften über wettbewerbswidrige Vereinbarungen zwischen Unternehmen (Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)) und/oder die EU-Vorschriften über den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung (Artikel 102 AEUV).“

Die Zuständigkeit für Untersuchungen und Erlasse in diesen Punkten obliegt nun nicht mehr den Mitgliedsstaaten, sondern der übergeordneten EU-Kommission. Sowohl Amazon als auch die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten seien „über die Einleitung des Verfahrens in dieser Sache unterrichtet“ worden. Eine verbindliche Frist für den Abschluss der Untersuchungen bestehe nicht.