Infineon gelingt Durchbruch - Bald Glas statt Silizum?
Forschern des Halbleiterherstellers Infineon ist ein Durchbruch in dem viel versprechenden Forschungszweig der Carbon Nanotubes (CNT) gelungen. Ein in der Halbleiterindustrie erprobtes und bewährtes Verfahren wurde so modifiziert, dass CNTs erstmals an vordefinierten Stellen auf 6-Zoll-Wafern aufwachsen.
Die für viele Anwendungen hoch interessanten Eigenschaften der CNTs wie beispielsweise Stromdichten von bis zu 1010 Ampere pro Quadratzentimeter und eine annähernd doppelt so hohe Wärmeleitfähigkeit im Vergleich zu Diamanten können damit erstmals in Wafer-kompatiblen Prozessen für die IC-Entwicklung genutzt werden. Zahlreiche weitere Features machen CNTs zum Top-Material der zukünftigen Halbleitertechnik mit signifikant höherer Zuverlässigkeit und beträchtlichem Steigerungspotential bei Chip-Taktraten.
Die für die Halbleiterindustrie wohl interessanteste Eigenschaft von CNTs ist ihre extrem hohe Stromleitfähigkeit. Aufgrund des sogenannten ballistischen Elektronentransports wird das Ohm“sche Gesetz außer Kraft gesetzt und der elektrische Widerstand ist eine nahezu längenunabhängige Konstante. Diese bemerkenswerte Eigenschaft der CNTs ermöglicht Stromdichten von bis zu 1010 Ampere pro Quadratzentimeter. Dies ist ein enorm hoher Wert, wenn man bedenkt, dass Kupfer bei einer Stromdichte von etwa 107 A/cm2 zu schmelzen beginnt. Angesichts der Expertenmeinung, dass Halbleiter-Chips in etwa zehn Jahren eine Stromdichte von 3,3 x 106 A/cm2 bewältigen müssen, ist die Tragweite dieser CNT-Eigenschaft nicht hoch genug einzuschätzen. Mit konventionellen Stromleitern ist dies kaum realisierbar, jedenfalls nicht ohne extreme Hitzeentwicklung.
Dadurch, dass in CNTs der Strom praktisch ohne „Reibung“ fließt, entsteht auch keine überschüssige Hitze, die es abzuführen gilt. Hitze entwickelt sich bei Einsatz von CNTs als Stromleiter nur an den Kontaktstellen zu anderen Materialien. Doch hier hilft eine weitere günstige Eigenschaft von CNTs: ihre extrem hohe Wärmeleitfähigkeit. Sie übertrifft selbst die von Diamant, dem Material mit der bislang höchsten bekannten Wärmeleitfähigkeit.
Schon diese wenigen Eigenschaften reichen aus, um CNTs zum Top-Material der zukünftigen Halbleitertechnologie zu machen. Das Problem bislang war nur, dass die Herstellungsverfahren für CNTs - Laserverdampfung oder Lichtbogenentladung - mit der Halbleitertechnik nur schwer zu vereinbaren sind. Das hat Infineon nun geändert und man kann zu Recht von einem großen Schritt vorwärts in der CNT-Technik sprechen. Dem Infineon-Team ist es gelungen, CNTs in einem hochparallelen Batch-Prozess auf einem 6-Zoll-Wafer an vordefinierten Stellen aufzuwachsen. Die Infineon-Wissenschaftler modifizierten dabei erfolgreich ein in der Mikroelektronik weit verbreitetes Abscheidungsverfahren..
Als erste mögliche Applikation der technologischen Innovation kommen Vias in Frage, also Kontaktbrücken zwischen zwei Metallschichten in ICs. Konventionelle Vias tendieren dazu, sich bei größeren Stromdichten aufgrund der Hitzeentwicklung zu verformen und so die Funktionsfähigkeit des Chips zu beeinträchtigen. Diese Gefahr bestünde bei Einsatz von CNTs als Vias nicht mehr, denn sie bewältigen weitaus größere Stromdichten und besitzen überdies eine viel größere mechanische Stabilität. „Im nächsten Schritt wäre denkbar, dass wir mit den gewonnen Erkenntnissen in der Lage sind, sämtliche metallische Leiterbahnen im Chip durch CNTs zu ersetzen“, so Dr. Franz Kreupl. Das würde dann letztlich zu einer beträchtlichen Steigerung der Chip-Taktraten führen.
Die Übernahme der Leiterbahnfunktion durch CNTs ist jedoch nur eine Einsatzmöglichkeit dieses vielseitigen Materials. Ein weiteres bedeutsames Merkmal der Tubes ist die Möglichkeit, dass man sie auch halbleitend herstellen und dotieren kann. So lassen sich auch aktive Schaltelemente wie Feldeffekttransistoren mit CNTs bilden. Bei halbleitenden Tubes kann man durch Einstellung des Durchmessers die Energie-Lücke dimensionieren. Typischerweise beträgt sie 1 Elektronen-Volt bei 1 nm Durchmesser, was etwa den Verhältnissen bei Silizium-Transistoren entspricht. Die Infineon-Forscher arbeiten daran, auch die halbleitenden CNTs gezielt auf einen Wafer zu bringen - unter Einsatz des gleichen katalytischen Abscheidungs-Verfahrens. „Die ganze Thematik geht weit in die Zukunft. Es ist durchaus denkbar, dass diese Technologie als Gesamt-Substitut für die Silizium-basierte Halbleitertechnologie in Frage kommt“, so Teamchef Dr. Hönlein. In dem Fall könnte das relativ teure Silizium als Substrat abgelöst werden, zum Beispiel durch Glas. Doch damit nicht genug. Infineon-Visionäre spielen bereits Szenarien durch, mit CNTs die heutigen planaren Mikroschaltungen zu einer echten 3D-Technologie zu erweitern.