Prozessoren: Bald 120 Watt Verlustleistung?
Das Spiel ist altbekannt: Alle Jubeljahre kommen die Hersteller mit neuen Prozessorachitekturen auf den Markt, in etwas kleineren Zeitabständen werden die bestehenden generalüberholt. Zumeist ist eine wichtige Neuerung die weitere Optimierung der Fertigungsstruktur.
So startete beispielsweise der Pentium 4 aus dem Hause Intel mit einer Strukturbreite von 0,18 μm (Willamette) und wurde später mit dem Northwood auf 0,13 μm verfeinert. Mit dem Prescott, einem komplett überarbeiteten Kern, wird Intel gegen Ende des Jahres dann den Schritt auf 0,09 μm wagen und auch AMD hat den Schritt von 0,18 µm auf 0,13 µm in der Vergangenheit beim Wechsel vom Palomino- auf den Thoroughbred-Kern (beide Athlon XP) vollzogen. Feinere Fertigungstechniken bedeuten zugleich jedoch (fast) immer einen gesunkenen Strombedarf der Rechenknechte und so hat sich oftmals die Idee gefestigt, der Umstieg auf einen neuen Prozessor würde für einen Rückgang der thermischen Verlustleistung sorgen. Relativ gesehen, also z.B. Willamette und Northwood bei einem Takt von 2 GHz verglichen, trifft dies zwar auch zu, ein Aspekt wird hierbei jedoch zumeist außer Acht gelassen: Die gestiegenen Taktraten und eventuell neu hinzugekommene bzw. erweiterte Recheneinheiten oder Zwischenspeicher (Cache).
Den letzten Aufschrei gab es hier erst vor ein paar Tagen in Anbetracht neuer Hiobsbotschaften rund um den Intel Prescott. Denn trotz Shrink auf 0,09 μm soll die CPU nun in ihrer ersten Ausführung (Sockel 478) mit bis zu 103 Watt deutlich mehr verbrauchen, als der aktuell bis 3,2 GHz getaktete Penitum 4 (Northwood). Dass der Prescott allerdings mit einem doppelt so großen L2-Cache (1MB) und Taktraten von vorerst bis zu 3,6GHz an den Start gehen wird, bleibt oftmals unerwähnt. Doch die Entwicklung der letzten Jahre hat eins recht deutlich gezeigt: Die Rücknahme im Stromverbrauch bzw. der erzeugten Verlustleistung, die die neue Architektur erreichen kann, wird durch die hinzugewonnene Leistung überkompensiert. Schon zur CeBIT2003 hatten wir AMD nach der Verlustleistung der ersten Athlon 64 gefragt. Damals hielten sich Gerüchte, die CPU könne durchaus mit einem passiven Kühlkörper im Zaum gehalten werden. Für einen Athlon 64 mit einer zu einem XP2000+ vergleichbaren Geschwindigkeit mag dies vielleicht sogar zutreffend gewesen sein. Doch da der neue Kern mit Ratings von 3400+ an den Start gehen wird, winkte AMD schon zu Messezeiten ab: "Der Athlon 64 wird da ansetzen, wo der Athlon XP aufgehört hat". Und so wird es auch mit Northwood und Prescott kommen.
Vorerst wird sich also an der Tatsache, dass der Stromverbrauch mit jedem neuen Prozessor und jeder neuen CPU-Genration steigen wird, bis auf Ausnahmefälle nichts ändern. Im Falle des Prescotts hatte man bei Intel allerdings mit einem weitaus kleineren Sprung gerechnet. Wie wir aus sicherer Quelle erfahren haben, stuften frühe Simulationen des Kerns (auch in der CPU-Industrie wird ein Prozessor vor der eigentlichen Produktion in leistungsfähigen Großrechnern simuliert) den Leistungsverbrauch als wesentlich geringer ein. Aus den damals simulierten 89 TDP (Thermal Design Power) für den 3,6 GHz Prozessor wurden so nun 103 Watt und die Richtlinie für Prescott-konforme Mainboards musste von FMB1 auf FMB1.5 erneuert werden. Der Grund, warum offiziell erst seit ein paar Tagen mit entsprechenden Mainboards zu rechnen ist. Eine nun aufgetauchte Roadmap aus dem Hause Intel zeigt die Folgen dieses Fehlers auf. Denn mit der gestiegenen Verlustleistung der Prescotts der ersten Generation werden auch die Modelle ab 3,6 GHz nicht mehr mit den vormals simulierten Werten auskommen. So wird auch die für solche CPUs geschaffene Richtlinie FMB2 nochmals überarbeitet werden - Daten unbekannt. Doch waren für diese Prozessoren bisher maximal 100 Watt TDP geplant, stößt der provisorische Pfeil auf der Intel-Roadmap nun schon gegen die 110 Watt-Marke und der darauf folgende Tejas könnte sich anschicken, als erste Intel-CPU 120 Watt-Verlustleistung zu produzieren. Das wären gut 46% mehr, als der aktuelle Pentium 4 3,2 GHz verbraucht.
So lange die Industrie auf Verlangen der Anwender immer weiter nach neuen Leistungsrekorden sucht, wird es also vorerst kaum einen Rückgang der TDP geben. Zwar können neue CPUs ihren Vorteil in der Architektur nicht verleugnen, doch wird dieser ökonomische Fortschritt durch Zugaben in der Leistungsfähigkeit schnell wieder zunichte gemacht.