Microsoft Encarta 2005 gegen Wikipedia: Wissen ist Macht

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Rouven Balci
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Inhalte

Sprechen wir nun also über den Inhalt, bei dem in manchen Bereichen nur recht schwierig ein gänzlich eindeutiges Urteil gefällt werden kann. Klickt man sich durch die Inhalte Encartas, fällt auf, dass der Fokus hier offenbar besonders auf gesellschaftliche und eher allgemeinere Themen gelegt wurde, was von den Themenbereichen der enzyklopädischen Karten untermauert wird. Insofern tut sich Encarta hier entsprechend schwer, die Artikel mit wissenschaftlicherem Belang konkreter bzw. detailreicher anzugehen, was angesichts der Zielgruppe - eben der „ganzen Familie“ - jedoch nicht verwunderlich ist. Encarta ist ohnehin dafür ausgelegt, dass auch jüngere Kinder ihren Nutzen aus dem Programm ziehen können, was sich eindeutig im Inhalt widerspiegelt.

Die Wikipedia hat hingegen explizit was wissenschaftliche Themen anbelangt teilweise exzellente Inhalte vorzuweisen. Der Einsatz von LaTeX ist als alles andere als spärlich zu bezeichnen, und auch sonst sind die jeweiligen Artikel dieser Sparte sehr elaboriert.

Inhaltsvergleich ("CMOS"): Wikipedia
Inhaltsvergleich ("CMOS"): Wikipedia
Inhaltsvergleich ("CMOS"): Encarta
Inhaltsvergleich ("CMOS"): Encarta

Man nehme aus dem Computer-Bereich zum Vergleich etwa den Begriff „CMOS“. Der Wikipedia-Artikel wartet hier mit einem recht ausführlichen und gut bebilderten Artikel auf, der nicht nur auf die Technik dieser Halbleiterart eingeht, sondern auch etwas zu seinen Eigenschaften sowie speziellen Arten hergibt. Au contraire findet sich innerhalb von Encarta lediglich ein einziger Absatz an Text. Zu den Programmier- bzw. Skriptsprachen Perl und PHP existiert in Encarta gar überhaupt kein Inhalt; zu Java, C und Fortran lediglich ein Absatz. Die Wikipedia offeriert hier hingegen seitenlange Beschreibungen inklusive Hintergründen sowie teilweise gar komplexen Code-Beispielen samt Erläuterungen.

Was sich bei Computern bereits am Horizont abzeichnete, lässt sich bei den Sektionen Mathematik, Physik und Chemie - also grundsätzlich naturwissenschaftlichen Themen - bestätigen: Hier hat Wikipedia die Nase vorn. Der massive Einsatz von LaTeX sorgt nicht nur für mehr Übersicht, sondern schlicht für komplettere Artikel. Bestenfalls reicht Encarta hier knapp an Wikipedias Artikel heran, wird jedoch oft schlicht vom Open-Content-Monster überrannt:

„Masse“: „Vektor“: „Säure“
Inhaltsvergleich ("Gehirn"): Wikipedia
Inhaltsvergleich ("Gehirn"): Wikipedia
Inhaltsvergleich ("Gehirn"): Encarta
Inhaltsvergleich ("Gehirn"): Encarta

Im Rahmen medizinischer Begriffe unterscheidet sich die Qualität der Wikipedia-Artikel teilweise sehr. Partiell kann die Wikipedia oftmals mit mehr Sinn für's Detail aufwarten, was jedoch nicht immer von Vorteil ist: Zu oft ist der Leser an solchen Stellen gezwungen, sich weitere Fachbegriffe anzueignen, ehe der ursprüngliche Text halbwegs verstanden werden kann. Hier sind simplere - wenn auch nicht so tiefgründige Formulierungen - Encartas manchmal die bessere Wahl. Oft bieten die Inhalte der Encarta-Redaktion jedoch auch übersichtlichere und komplettere Inhalte, etwa bei etwas grundlegendem wie dem menschlichen Gehirn (siehe Bilder). Zwar bietet die Wikipedia auf den ersten Blick ebenfalls eine Hand voll Verweise, hinter denen jedoch meist nur ein paar Sätze stecken.

Inhaltsvergleich ("Kunstgeschichte"): Wikipedia
Inhaltsvergleich ("Kunstgeschichte"): Wikipedia
Inhaltsvergleich ("Kunstgeschichte"): Encarta
Inhaltsvergleich ("Kunstgeschichte"): Encarta

In Sachen Kunst und Kultur wandelt sich das Blatt jedoch wieder: Die freie Enzyklopädie bietet hier in Relation zu Encartas Inhalten sehr ausführliche und fundierte Texte sowie Auflistungen. Nimmt man etwa etwas fundamentales wie die allgemeine Geschichte der Kunst, stellt Microsoft eine Reihe an Absätzen mit einigen Querverweisen zur Verfügung, während Wikipedia eine sehr komplette Auflistung der jeweiligen Epochen bietet, die so gut wie alle sehr detailliert ausgearbeitet sind. Encarta nennt hingegen einige Literaturwerke zum Thema und geht eher auf spezielle Fälle ein. Insgesamt bietet Wikipedia hier eindeutig die bessere Übersicht.

Inhaltsvergleich ("Demokratie"): Encarta
Inhaltsvergleich ("Demokratie"): Encarta
Inhaltsvergleich ("Demokratie"): Encarta
Inhaltsvergleich ("Demokratie"): Encarta

Sehr schwach zeigt sich Encarta zudem bei Begriffen wie „Demokratie“. Die eigentliche Thematik bzw. unmittelbaren Zusammenhänge werden hier nur extrem grob angekratzt; der Leser kann sich allenfalls einen sehr allgemeinen Überblick verschaffen. Wikipedia verbreitet im Gegenzug einen Artikel, der bei einem solchen Begriff adäquat erscheint. Er durchleuchtet nicht nur die Geschichte sondern unter anderem auch die verschiedenen Formen der Demokratie, zu denen es jeweils noch eigene Artikel gibt. Bei Encarta hat man den Eindruck, der Artikel könne aus Encarta Kids stammen - und wäre selbst dort recht knapp gehalten. Die Ironie: Selbst bei Encarta Kids finden sich mehr Informationen zur Geschichte sowie konkretere Beispiele.

Was Wikipedia zweifellos (noch?) nicht bieten kann, ist Encartas Weltatlas bzw. die enzyklopädischen Karten. An diesem Punkt kann eindeutig Encarta punkten.

Dass Karl Marx Recht hatte und Quantität tatsächlich Qualität bewirkt, lässt sich anhand der Wikipedia möglicherweise bestätigen: Hinsichtlich der Artikelanzahl kommt Encarta sowohl in der Standard- als auch Professional-Version ganz schön ins Schwitzen - über drei Mal so viele Artikel wie die Multimedia-Giganten weist Wikipedia derzeit vor. Und an eben dieser Stelle ist das Hauptaugenmerk auf „derzeit“ zu legen: Wikipedia wächst dauerhaft mit einer äußerst steilen Tendenz. Insofern steigt nicht nur die Quantität der Artikel, sondern früher oder später auch schlicht die Qualität, da sich immer mehr Nutzer finden, die zum Projekt kontributieren.

Artikelanzahl
    • Wikipedia (CD)
      100.000
      Stand: Herbst 2004
    • Wikipedia (Internet)
      100.000
      Stand: 05.12.2004
    • Encarta 2005 Professional (USA)
      68.000
    • Encarta 2005 Professional
      50.000
    • Encarta 2005 Standard
      44.000
Einheit: Artikel

Interessant ist an dieser Stelle, dass die US-amerikanische Version offenbar ein gutes Stück weit mehr an Inhalt bieten kann, als die deutschsprachige Encarta-Version. Ein solcher Zahlenunterschied lässt sich auch bei multimedialen Inhalten sowie den Karteneinträgen et cetera feststellen. Die englische Wikipedia hat übrigens über 400.000 Einträge.

Der Vorteil Wikipedias überhaupt ist natürlich das Konzept selbst: Jedermann kann seine Finger mit ihm Spiel haben - und das haben die Meisten. Immer mehr Leute trauen sich angesichts der partiell sehr gut ausgearbeiteten Hilfestellungen, Artikel zu erweitern. Dies ist auch verständlich: Wenn man etwas besser weiß und - vom positiven Effekt abgesehen - absolut ohne Konsequenzen bearbeiten kann - warum sollte man es nicht tun? Sicher, die Wiki-Syntax ist irgendwo gewöhnungsbedürftig, aber hat man erst einmal den Dreh 'raus, wagt man sich an nahezu alle Artikel heran - und sei es nur eine stilistische Verbesserung. Microsofts MSN Encarta ist hier jedenfalls nahezu ein Witz: Zwar mag dieser Service ebenfalls aktuell gehalten sein, doch werden nur die Wenigsten 29,99 Euro pro Jahr zahlen, wenn ein paar Mausklicks weiter Wikipedia mit kostenlosen Inhalten auf den User wartet.

Ebenso gewichtig ist der Nachteil der Abstinenz jeglicher redaktioneller Überprüfung der Inhalte: Es ist nie garantiert, dass das, was auf den Seiten der Wikipedia zur Verfügung steht, auch nur ansatzweise korrekt ist - und an der Rechtschreibung und Grammatik hapert es gerade in neueren Artikeln teilweise gewaltig. Je populärer ein Artikel ist, desto wahrscheinlicher ist eine solche Überprüfung allerdings, wenngleich eine Garantie nie gegeben sein wird.