SAP versus Oracle: Übernahmeschlacht in spe?
Es will nicht so recht Ruhe einkehren, in die Branche der Business-Software-Hersteller. Weit über ein Jahr lang hatte die Übernahmeschlacht zwischen Peoplesoft und dem letztlich siegreichen Oracle gedauert. Jetzt wagt sich das scheinbar gestärkte Oracle womöglich in ein Scharmützel mit der Branchen-Nummer-Eins aus Deutschland, SAP.
Dabei geht es nüchtern betrachtet zunächst um ein wenig spektakuläres Objekt der Begierde. Das US-Software Unternehmen Retek wurde bereits gegen Ende der Peoplesoft-Schlacht von SAP umworben. Während Oracle sich letztlich eher mit der Brechstange denn mit überzeugenden Mitteln das kleinere Peoplesoft aneignete, versuchte es SAP bei Retek auf die gutbürgerliche Tour - mit Gesprächen und angebrachten Angeboten.
Um das folgende zu durchschauen, muss man sich Retek dann aber doch etwas genauer anschauen. Denn: So unspektakulär ist das Unternehmen dann eigentlich doch nicht. Immerhin ist es der Hauptlieferant von Logistik- und Handelssoftware; weltweit organisieren vor allem kleine- und mittelständische Betriebe ihre Abrechnungen, Gehalts- und Warenlisten mit Retek-Softwareprodukten.
Eine harmlose, kleine Nischenbranche also, die aber jede Menge Geld einbringt. Das hat man jetzt auch bei Oracle bemerkt und versucht nun, versäumtes nachzuholen. Dabei schien der SAP-Retek-Deal schon so gut wie in trockenen Handtüchern: Ende Februar verlautete man bei SAP, dass man das US-Unternehmen für insgesamt rund 486 Millionen US-Dollar übernehmen werde und zudem die Billigung des Retek-Managements besäße.
Das Management aber scheint nicht für die Aktionäre gesprochen zu haben. Am Dienstag verkündete Oracle, dass man seinerseits das Unternehmen zu einem Preis von 515 Millionen Dollar kaufen wolle. Damit bietet Oracle den Aktionären mit 9 Dollar exakt 50 Cent mehr pro Aktie. Ferner ließ Oracle mitteilen, dass man bereits im Besitz von rund 10 Prozent der Aktienanteile sei.
Die Situation gestaltet sich seit dem als etwas undurchsichtig, da es allzuviele mögliche Szenarien gibt. Zunächst könnte einer der beiden Kontrahenten einen Rückzieher machen. Hierbei wäre aber vor allem das Unternehmensprestige wahrscheinlich eher hinderlich. Weitaus denkbarer ist indes eine rasante Übernahmeschlacht, die allerdings einmal mehr die Branchenintegrität ins Wanken bringen würde. Nutznießer bei diesem Szenario wären die Retek-Aktionäre, die schlussendlich vielleicht sogar mehr als 9 Dollar kassieren könnten.
Ein Ausgang ist also derzeit noch nicht zu prognostizieren. Bei SAP wollte man sich auf der CeBIT in Hannover bislang alle Wege offenhalten. Vorerst fährt man die Abwartetaktik, die auf eine Reaktion des Retek-Managements zielt: „Sobald diese da ist, werden wir uns diese anschauen und dann entscheiden, wie wir weiter vorgehen.“