SAP erwägt Übernahmen
Nach dem gescheiterten Versuch, den Hersteller von Handels- und Verwaltungssoftware Retek zu übernehmen, sucht man beim deutschen Business-Softwarehersteller SAP jetzt wieder verstärkt nach neuen Übernahmezielen. Mittlerweile scheint man dort aber nicht mehr ganz so wählerisch zu sein.
„Das können etwa Akquisitionen speziellen Technologie-Know-Hows sein oder Zukäufe, um uns in bestimmten Branchen zu ergänzen,“ erklärte Unternehmenschef Kagermann gegenüber der Wirtschaftswoche (WiWo). Dabei wären Unternehmen aus ganz unterschiedlichen Segmenten für die Walldorfer von Interesse. So kämen potentielle Übernahmekandidaten aus den Branchen der Finanzdienstleistung, der Software-Entwicklung und Vertrieb für die öffentlichen Verwaltungen aber auch im Bereich der Telekommunikation. „Vorstellbar sind auch Käufe in bestimmten Ländern, etwa Schwellenländern, um einen schnelleren Marktzutritt zu erreichen“, zitiert die WiWo Kagermann weiter. Dabei gehe man allerdings von kleineren Übernahmen aus, als die noch bis vor kurzer Zeit angepeilte und letztlich durch den großen Konkurrenten Oracle vereitelte Übernahme Reteks. Damit dürfte sich das Budget für anstehende Übernahmen auf deutlich weniger als 670 Millionen US-Dollar – soviel hatte Oracle letztlich für Retek zahlen müssen – belaufen.
Dabei könnte eine Expansion der Walldorfer-Gefilde durchaus gut tun. Denn nach der Mega-Übernahme von Peoplesoft kaufte sich Oracle mit Retek nicht nur ein hochprofitables Unternehmen in einem umkämpften Markt, sondern versetzte SAP zugleich einen Schlag ins Gesicht. Denn noch während man bei Oracle mit dem widerspenstigen Peoplesoft, das im Übrigen zu dieser Zeit die letzten selbstständigen Atemzüge tätigte, rang, versuchte man sich bei SAP auf die weiche Tour bei Retek einzukaufen. Der Vorstand Reteks hatte sogar schon zugestimmt; da sprengte Oracle – Peoplesoft bereits übernommen – die Verhandlungen mit einem Kampfangebot. Das kurze Wettmessen endete bei 670 Millionen Dollar – der Prestigegewinn Oracles, das SAP auf der Zielgeraden noch die Medaille wegschnappte, ist wohl unbezahlbar.
Umso mehr lohnt es sich jetzt für SAP – gerade auch in Hinsicht auf das eigene Image – einige solide und wenig spektakuläre Übernahmen in die Wege zu leiten. Dabei ist sogar eine Fusion, selbst mit dem Erzfeind Oracle, nicht von vornherein ausgeschlossen. So antwortet Kagermann dann auch auf die Frage, was er tun würde, wenn ihn Oracle-Boss Larry Ellison anrufen würde: „Ich würde ihm zuhören.“ Denn: „Unabhängigkeit ist kein Selbstzweck.“ Auch wenn eine Fusion der beiden Branchengrößen wohl mehr als utopisch ist - ein Monopolist unbekannter Größe würde entstehen – erteilt Kagermann mit diesem Statement doch eine klare Absage an all jene, die in dem Clinch zwischen den beiden Unternehmen auch einen Kampf zwischen den beiden Lenkern sehen wollen.