Datenschützer: EU öffnet Büchse der Pandora
Die Justizminister der Europäischen Union (EU) einigten sich am vergangenden Freitag, dem 2. Dezember 2005, auf eine Art „Kompromissvorschlag“ bei der Speicherung von Telekommunikationsverbindungsdaten. Jetzt kommt die erwartete Kritik der Datenschützer: „Die Justizminister sind dabei, die Büchse der Pandora zu öffnen“.
In dem von der EU ausgehandeltem Kompromiss wurde festgelegt, dass sämtliche sogenannte Verkehrsdaten über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten gespeichert werden müssen. Dies soll Strafrechtsbehörden die Ermittlungen erleichtern. In der Praxis sähe es aber so aus, so das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein, dass damit ein gläserner Bürger geschaffen werde. Denn keine staatliche Institution habe demnach noch das Recht oder Spielraum, das im Grundgesetz zugesicherte Telekommunikationsgeheimnis für seine Bürger aufrecht zu erhalten. Dies sei ein unverhältnismäßiger Eingriff in die in die Verfassung, und deshalb lehnten es die Datenschützer von Bund und Ländern gemeinsam kategorisch ab.
Dr. Thilo Weichert, Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) und zur Zeit auch Vorsitzender der Konferenz der Datenschutzbeauftragten, hält dazu fest:
Es ist erschreckend, welche grundrechtliche Verrohung bei den europäischen Justizministern festzustellen ist: Es wird als Sieg der Bürgerrechte verkauft, dass bei der auf Vorrat vorgenommenen Telekommunikationsüberwachung keine Inhalte und keine Bewegungsprofile erstellt werden sollen. Unseren Verfassungsministern ist wohl nicht klar, dass unsere freiheitlichen Verfassungen verbieten, die Menschen anlasslos staatlich bei ihren alltäglichen Verrichtungen zu überwachen und zu kontrollieren. Dr. Thilo Weichert
Seinen Ausführungen zufolge, verstoße dieser Beschluss der EU-Justizminister genau gegen dieses Verbot. Wenn lange Zeiträume hinweg detailliert nachvollzogen werden könne, „wer wo im Internet gesurft hat, wer wann mit wem per Telefon, Handy oder E-Mail kommuniziert hat, wer wann welche Online-Dienste in Anspruch genommen hat“, so Weichert, sei damit die „Schwelle von der freiheitlichen Informationsgesellschaft zum digitalen Überwachungsstaat überschritten“.
Die Datenschützer selbst haben Vorschläge eingebracht, sogenannte „Quick Freeze“, um beiden Interessensgruppen zu entsprechen, aber eine teure „grundrechtszerstörende Vorratsdatenspeicherung vermeiden“. Diese seien aber in ihren Augen nicht ernsthaft erörtert worden.
Abschließend sagte Weichert noch, dass Menschen, die überwachungsfrei leben wollen, dazu gezwungen werden, Telefon und Internet nicht mehr zu nutzen. Er hofft nun auf Europaparlament, Bundestag und die Verfassungsgerichte in Europa, damit diese „dafür sorgen, dass diese Büchse verschlossen bleibt.“