Phonoverbände fordern Ende des Sendeprivilegs
Für Internetradios könnte schon in naher Zukunft in Deutschland eine harte Zeit anbrechen. Denn im Zusammenhang mit einer erneuten Reform des Urheberrechtsgesetzes fordert der deutsche Phonoverband eine Abschaffung des sogenannten Sendeprivilegs unter anderem auch für Internetradios. Mit schwerwiegenden Folgen für die Medienlandschaft.
Explizit machen sich die deutsche Landesgruppe des Plattenfirmenverbandes IFPI und der Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft für eine solche Maßnahme stark. Würde man mit diesem Vorhaben Erfolg haben, wäre dies gleichbedeutend mit dem sicheren Tod für eine Vielzahl der deutschen Internetradios. Denn das Sendeprivileg regelte bislang die uneingeschränkte Ausstrahlung bereits erschienener Tonträger und die damit verbundene Vergütung der Künstler und deren Plattenfirmen. Wörtlich fordert man:
[Die] Eingrenzung des Sendeprivilegs auf traditionellen Hörfunk. Die Begrenzung der Rechte von ausübenden Künstlern und Tonträgerherstellern auf einen reinen Vergütungsanspruch ist für neue Übertragungsformen (Near-on-Demand-Dienste und Internet-‚Radio’) wegen des damit verbundenen Eingriffs in die Erstverwertung nicht hinnehmbar.
IFPI
Seit 40 Jahren existiert dieses Privileg bereits und soll nun – wenn es denn nach dem Willen der Phono-Lobby geht – abgeschafft werden. An dessen Stelle soll laut ersten Äußerungen von Branchenvertretern ein Modell mit exklusiven Vermarktungsrechten treten, das man ähnlich auch schon in der Filmindustrie anwendet. Dies würde zur Folge haben, dass die Plattenfirmen von nun an selber entscheiden könnten, welches Stück auf welchem Radiosender laufen dürfte und welches nicht. Eine entsprechende Genehmigung müsste für jedes Stück einzeln (!) eingeholt werden. Ein bürokratischer Aufwand ungeahnten Ausmaßes, schließlich ist ein Musikstück im Schnitt nicht einmal vier Minuten lang und im Laufe eines Sendetages werden hunderte dieser gespielt. Was bei Spielfilmen noch seine Daseinsberechtigung haben mag, klingt auf Musik bzw. auf Radios umgemünzt einfach nur absurd.
Den Kürzeren werden dabei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wieder einmal die Hörer ziehen, wird doch gerade in vielen Internetradios dem musikalischem Einheitsbrei der Massen-Radios an breiter Front der Kampf angesagt. Denn den mit einem solchen Modell einhergehenden Aufwand wird sich kaum ein Internetradio leisten können, was zwangsläufig zur Schließung selbiger führen würde. Daher erwarten Branchenkenner und -experten auch nach der Einführung eines solchen Modells eine rasche Verödung des ohnehin schon sehr mager besetzten deutschen Radiomarkts. Auch der musikwirtschaftliche Standort Deutschland würde so erneut einen herben Rückschlag hinnehmen müssen.
Weitere Forderungen, die die IFPI in einer Erklärung aufstellte, lauten wie folgt:
- Begrenzung der Privatkopie: Eine solche soll in Zukunft nur noch erlaubt sein, wenn sie vom Original und ausschließlich zum persönlichen Gebrauch angefertigt wird.
- Beschränkung des Mitschneidens aus Radio- und Internetprogrammen auf zeitversetztes Hören und Verbot „intelligenter“ Aufnahmesoftware.
- Streichung der sogenannten „Bagatellklausel“: Der Diebstahl geistigen Eigentumes soll nicht straffrei werden. Dies könne man nicht hinnehmen. Die davon ausgehende Signalwirkung würde das Urheberrecht dramatisch schwächen, so die IFPI.
Bleibt also nur zu hoffen, dass die Lobbyarbeit der Musikindustrie erfolglos bleibt und ein entsprechendes Modell nicht in das ohnehin schon stellenweise verbraucherfeindliche und von wirtschaftlichen Interessen geprägte Urheberrechtsgesetz aufgenommen wird.
Wie die Kollegen von laut.de nun berichten, hat das Bundesjustizministerium diesem Ansinnen der Musikindustrie eine deutliche Abfuhr erteilt. Dazu Ulf Gerder, Sprecher des Bundesjustizministeriums (BMJ), wörtlich:
Die IFPI hat in den Beteiligungsrunden zum zweiten Korb als Maximalposition die Abschaffung des Sendeprivilegs insgesamt gefordert. Diese Forderung hat das BMJ stets abgelehnt, weil eine vollständige Abschaffung des Sendeprivilegs angesichts der Masse von Musiktiteln, die täglich in deutschen Radiosendern gespielt werden, absolut unpraktikabel wäre. Sendeunternehmen müssten dann nämlich für jeden einzelnen ihrer Hunderter täglicher Titel vorab eine individuelle Erlaubnis einholen. Das ist in der Praxis nicht vorstellbar.
Die gestrige IFPI-Forderung beschränkt sich auf die Abschaffung des Senderechts für Internetradios. Sie muss aus denselben Gründen abgelehnt werden. Was unpraktikabel für Sender auf herkömmlichen Übertragungswegen ist, ist genau so unpraktikabel für Internetradios. Hierfür können nicht zwei unterschiedliche Maßstäbe gelten.