Weltweit erster Quantenprozessor vorgestellt
Bislang basierten Prozessoren stets auf der Berechnung einzelner Bits, also Werten, die entweder einer 1 oder einer 0 entsprechen. Ändern wird sich das erst durch die Einführung so genannter Quantenprozessoren, die unsere Computerwelt revolutionieren sollen. Nun wurde das erste kommerzielle Modell einer solchen CPU vorgestellt.
Denn bereits am Mittwoch stellte das kanadische Start-Up-Unternehmen D-Wave Systems im US-amerikanischen Mountain View, Kalifornien, den – laut Unternehmensangaben – ersten, weltweit funktionstüchtigen, kommerziell einsetzbaren Quantenprozessor vor. In einer Präsentation zeigte das Unternehmen der versammelten Fachpresse die Vorzüge, die eine solche Recheneinheit gegenüber konventionellen, bislang eingesetzten digitalen Prozessoren besitzen soll.
Der dort vorgestellte Prototyp hat eine Rechenleistung von 16 Qubits, einer Einheit, die grundsätzlich eine Kurzform von „Quanten-Bits“ darstellt. Im Gegensatz zu einem normalen Bit, das entweder eine 1 oder eine 0 darstellen kann, kann ein Qubit gleichzeitig eine 1 und eine 0 sein (so genannte quantenmechanische Superposition). Die Qubits sollen laut Angaben der Entwickler dazu in der Lage sein, die Werte anderer nachzuahmen und so für eine Vervielfachung der bislang bekannten Prozessorleistung sorgen. Dies führt dazu, dass ein normaler Computer mit 16 Bits bislang nur einen von 65.536 möglichen Binärwerten berechnen kann. Ein Quantenprozessor vom Typ des in Kalifornien vorgestellten, kann mit seinen 16 Qubits hingegen 65.536 binäre Werte gleichzeitig verarbeiten und kann damit mit einer Nichtdeterministischen Turingmaschine bzw. einem Nichtdeterministischer Endlicher Automat vergleichen werden.
Die Leiterbahnen auf dem Chip sind dabei in einer Art Schachbrettmuster angeordnet und bilden so ein System aus insgesamt 16 gekoppelten Qubits. Diese einzelnen Bauteile beeinflussen sich über ihre Magnetfelder dabei gegenseitig. Berechnungen werden durchgeführt, indem man die einzelnen Stromschleifen zunächst gezielt mit Strom versorgt und so einen der beiden möglichen Zustände hervorruft. Während Stromfluss im Uhrzeigersinne „1“ bedeutet, bewirkt Stromfluss gegen den Uhrzeigersinn die „0“-Stellung. Um daraufhin die Antwort eines speziellen Optimierungsproblems auslesen zu können, bedarf es einer Wartezeit, in der die einzelnen Qubits quasi sich selbst überlassen werden und darauf gewartet wird, bis das System der gekoppelten Magnetnadeln ihre Energie minimiert hat. Wie der Gründer von D-Wave Systems Geordie Rose zu berichten weiß, würde eine Berechnung derzeit rund eine Millisekunde dauern und in 90 Prozent der Fälle das richtige Egebnis liefern.
Die Betriebstemperatur der CPU liegt bei 5 Millikelvin, also bei umgerechnet -273,145 Grad Celsius nur 0,005 Grad über dem absoluten Nullpunkt. Zur Kühlung nutzt man flüssiges Helium. Dargestellt werden die 16 einzelnen Qubits durch eine kreisförmige supraleitende Stromschleife aus dem Metall Niob. Wie D-Wave betont, sei das eigene System durch weitere Qubits-Einheiten erweiterbar, so dass man davon ausgeht, bis Ende des Jahres bereits eine Recheneinheit mit 32 Qubits vorstellen zu können. Ende 2008 möchte man bereits 1024 Qubits erreicht haben.
Mit Hilfe solcher Prozessoren soll es in Zukunft möglich sein, so genannte „NP-vollständig“-Probleme einfacher lösen zu können, der der Prozessor selbst einer Nichtdeterministischen Turingmaschine ähnelt. Dabei handelt es sich grundsätzlich um die Grenzen, an die aktuelle digitale Prozessoren stoßen, wenn sie vor die Aufgabe gestellt werden, Dinge zu berechnen, die eine sehr große Datenmenge und viele verschiedene Variablen besitzen, die es wiederum nicht erlauben, solche Berechnungen in einer wirtschaftlich angemessenen Zeit durchzuführen. Beispiele dafür sind unter anderem die Biometrie, parametrische Datenbanksuchen und weitere kommerzielle Aufgaben wie die Berechnung komplizierter quantitativer Finanzmodelle.
Als Beispiel für die Vorzüge der Quanten-CPU nannte D-Wave Berechnungen nach der Schrödinger Gleichung, die Grundgleichung der nichtrelativistischen Quantenmechanik. Sie beschreibt die zeitliche Entwicklung des Zustands eines Quantensystems. Genutzt wird diese unter anderem dazu, Modelle komplizierter Nano-Strukturen, zum Beispiel einzelne Moleküle eines Medikaments, zu berechnen. Mit jedem zusätzlichen Elektron verdoppelt sich allerdings der Rechenaufwand, so dass bisherige (Super-)Computer aufgrund dieser exponentiellen Skalierung bei einer Elektronenzahl von 30 an ihre Grenzen stießen. Ein einzelnes Koffein-Molekül hat allerdings schon über 100 Elektronen, so dass eine Berechnung dieses circa 10^44 Mal aufwendiger ist als die Berechnung eines 30-Elektronen-Systems.
Quanten-Computer können allerdings die Schrödinger-Gleichung durch lineare Skalierung einfacher berechnen und brauchen dabei gleichzeitig auch exponentiell weniger Hardware. Für die Berechnung eines weiten Elektrons muss der Arbeitsaufwand bei Quanten-Computern lediglich um ein kleines, zugleich fixes Maß erhöht werden, so dass selbst kleine Exemplare der neuen Technologie dazu in der Lage sein werden, selbst große Super-Computer bei der Berechnung der Schrödinger-Gleichung zu überholen.
Nach Meinung diverser Experten seien die bislang erreichten 16 Qubits aber noch lange nicht genug Rechenleistung, um konventionellen Computern schon jetzt den Rang abzulaufen. Demnach bräuchte man schon einige hundert Qubits, um derzeit im Einsatz befindlichen Supercomputern das Wasser reichen zu können und zum Knacken komplizierter Geheimcodes bedürfe es sogar einiger tausend Qubits. Dementsprechend kann man die neu vorgestellte Quanten-CPU noch nicht als den Beginn einer neuen Ära feiern, jedoch als ersten Schritt auf dem wahrscheinlich noch recht langen Weg zu einem Supercomputer auf Quanten-Basis.
Erste marktreife Produkte möchte man im Laufe des kommenden Jahres vorstellen. Mehr technische Informationen zum neuen Quantenprozessor von D-Wave Systems gibt es im Blog des Unternehmens.