Kommentar: Microsofts leeres Versprechen der Ultimate Extras
Kolumne
Der Sommer ist für uns in Anbetracht der kühlen Temperaturen und verregneten Tage schon längst vorbei, seit dem letzten Sonntag steht nun auch kalendarisch der Herbst vor der Tür. Viele Käufer des Betriebssystems Windows Vista nehmen den Wechsel der Jahreszeiten zum Anlass und erinnern sich dieser Tage an das großmundige Versprechen des Redmonder Softwareriesen, sich gut um sein Klientel kümmern zu wollen. Ganz oben auf der Liste sollten die Kunden stehen, die die Luxus-Version des neuen Vorzeige-Betriebssystems ihr Eigen nennen können: Windows Vista Ultimate. Doch schon zum Verkaufsstart wurden Käufer der teuren Vorzeigeversion damit vertröstet, dass es (leider erst) „in Kürze“ viele einzigartige Anwendungen geben würde. Zum Teil eher Spielereien, zum Teil aber auch der eine oder andere sinnvollen Beitrag zum laufenden Betriebssystem sollten darunter sein. Nachdem das „in Kürze“ aber schnell in Monate ausgeufert war, wurde schlichtweg der „Sommer 2007“ als Erscheinungstermin für weitere Neuerungen angegeben. Und hier schließt sich der Kreis. Der Sommer ist ebenfalls Vergangenheit und ohne eine einzige Neuerscheinung verstrichen. Die Anzahl der Anwendungen, die Microsoft bisher unter dem „Ultimate Extras“-Label veröffentlicht hat, bewegt sich somit eher gen Null als gegen einen zweistelligen Zahlenwert. Wir wagen eine detaillierte Bestandsaufnahme.
Zum Start im Januar konnte Windows Vista (inklusive Windows Vista Ultimate) groß auftrumpfen. Schnell waren Kunden von Windows XP gewonnen, die gern experimentierten und etwas Neues ausprobieren wollten. So verwunderte es anfangs kaum, dass Windows Vista bereits vier Tage nach dem offiziellen Verkaufsstart das auf ComputerBase zweitstärkstes Betriebssystem war – fast 10 Prozent in vier Tagen, es sah richtig gut aus. Bereits wenige Tage später waren auch die ersten zwei Extras für Ultimate verfügbar und auch ein Paket mit insgesamt 16 Fremdsprachen wurde veröffentlicht. Ende Februar gab es das Pokerspiel „Hold 'Em“ sowie die BitLocker- und EFS-Verbesserungen auch für die deutsche Version von Vista Ultimate. Doch danach, nur wenige Wochen nach dem Vista-Start, machte sich das erste Mal Ernüchterung breit. Während Microsoft vorerst den Raubkopierern die Schuld an den mangelnden Verkäufen von Windows Vista gab, blieb die angekündigte Unterstützung für die Ultimate Extras auf der Strecke. Der Zuwachs an Vista-Nutzern auf ComputerBase stagnierte – nur zwei Prozent Wachstum in den folgenden 30 Tagen. Die folgende Darbietung an Extras im März ist eigentlich einer Erwähnung kaum würdig. Microsoft veröffentlichte Anfang März zwei Hintergrundbilder (!), die wir der Vollständigkeit aber mit aufführen wollen. Am 13. März folgte schließlich der bisher letzte Auftritt der Vista-Extras mit Windows DreamScene, das aber auch im September 2007 weiterhin nur in englischer Sprache als Beta-Version vorliegt. DreamScene sollte ursprünglich das Vorzeigeobjekt der Ultimate Extras von Microsoft werden, hat es bis heute aber immer noch nicht ins finale Stadium und somit auch nicht in die deutsche Version geschafft. Was nach Mitte März folgt, war Schweigen. Monatelanges Schweigen. Und keine neuen Extras.
Nachdem der Unmut der Kundschaft größer wurde und erste Beiträge aus Foren und Blogs zu Microsoft wanderten, gab es die erste und bisher einzige Stellungnahme des Konzerns zu diesem Thema. Am 2. Juli äußerte sich Barry Goffe von Microsoft in einem Statement an die Community. Er versprach, dass das für die Ultimate Extras zuständige Team weiterhin mit Hochdruck an den zusätzlichen Tools arbeite. Allerdings verschlinge die Entwicklung ihre Zeit, da sie den hohen Anforderungen und Ansprüchen an Microsoft-Produkten gerecht werden müsste. Dies sei unter anderem der Grund dafür, die optisch eindrucksvollste Spielerei für Windows Vista (DreamScene) vorerst nicht als finale Variante zu veröffentlichen. Dies sollte, zeitgleich mit 20 neue Sprachpakete für Windows Vista Ultimate, erst zum Ende dieses Sommers hin geschehen.
Die erste Stellungnahme nach vier Monaten Funkstille war eine Reaktion auf den aufkeimenden Unmut der Käufer, die nicht mehr von einer Umsetzung weiterer Ultimate-Extras ausgegangen waren. In einschlägigen Foren und Blogs wurde gar schon über die Auflösung des für die Extras zuständigen Teams spekuliert, womit der träge Fortschritt in der Entwicklung eine Erklärung gefunden haben sollte. Mit dem Beitrag versuchte Microsoft die Ultimate-Kunden zu beruhigen, doch dürfte nach weiteren fast drei Monaten des Stillschweigens der Status der anfänglichen Begeisterung für Vista Ultimate nie wieder zu erreichen sein. Die Frage liegt zweifellos auf der Hand: Was macht das zuständige Team, wenn es denn noch existiert, die ganze Zeit? Einen Einblick in das, was das Team macht – oder eben nicht macht –, wird derzeit inoffiziell gegeben und Microsoft setzt dem Thema Vista Ultimate Extras mit dem Service Pack 1 (Beta-Version) für Windows Vista vorerst die Krone auf.
Das Service Pack 1, das im Januar 2008 für jedermann bereit stehen soll und derzeit im „Ready to Manufacture“-Status (RTM) als Beta-Version im Netz umher geistert, zeigt, wie viel von den Extras übrig geblieben zu sein scheint: Von den vollmundigen Umschreibungen der Luxus-Zugaben im Control Panel von Windows Vista ist kaum noch etwas übrig geblieben. Stattdessen wurden alle Unterpunkte, die die Extras genauer beschrieben hatten, erst einmal entfernt. Gähnende Leere herrscht nun dort, wo ursprünglich alles voll von mehr oder minder notwendigen Anwendungen und Extras sein sollte.
Beschreibung der Ultimate Extras im Control Panel von Windows Vista
vor und nach der Installation des Service Pack 1
(Mouseover zeigt Vorher-/Nachher-Status)
Was wird den Ultimate-Kunden in den folgenden Monaten erwarten? „Je weniger der Mensch erwartet, desto weniger kann er enttäuscht werden“, heißt es in einer alten Binsenweisheit, die wohl auch hier Anklang finden dürfte. Doch der Unmut der Ultimate-Käufer liegt nicht nur in überzogenen Erwartungen, die Microsoft zu einem großen Teil mit geschürt hat, begraben. Er spiegelt jedoch auch noch ganz andere Fronten wieder, an denen Microsoft derzeit mit Windows Vista zu kämpfen hat: So bieten erste Hersteller von Komplett-PCs ein Downgrade von Windows Vista auf Windows XP an, woraufhin gar die Möglichkeit des Downgrades von Microsoft über den Sommer still und heimlich geändert wurde. Fujitsu hatte beispielsweise bereits damit begonnen, Tablet-PCs und Laptops mit einer zusätzlichen Windows-XP-CD auszuliefern. Hewlett-Packard, Dell und Lenovo hingegen erweiterten den Lieferumfang bei neuen PCs um eine Windows-XP-Recovery-CD. Seit Juni erlaube Microsoft den PC-Herstellern nun sogar, Rechnern mit Windows Vista von Haus aus gleich eine XP-Ausgabe beizulegen. Es wird jedoch betont, dass es sich lediglich um eine reine Vorsichtsmaßnahme handelt, mit der man Kunden ermöglichen möchte, eventuellen Problemen beim Umstieg auf Vista aus dem Weg gehen zu können.
Nach über acht Monaten Vista kommt dieses Eingeständnis nicht nur Laien mehr als merkwürdig vor, zumal noch eine ganz andere Zahl im Raum steht: Microsoft verpflichtet laut Internetberichten alle großen PC-Hersteller, ab dem 31. Januar 2008 keine Rechner mehr mit Windows XP auszuliefern. Es sollen jedoch fast alle Hersteller daran interessiert sein, diesen Zeitpunkt nach hinten zu verschieben. Das erste Eingeständnis des Riesen in Form der Reanimierung von Windows XP als beigelegte Downgrade-Option dürfte den Herstellern bei ihren Unternehmungen wohl in die Karten spielen.
Was genau mit den Vista Extras passieren wird, weiß derzeit wohl nicht einmal Microsoft mit Sicherheit. Eines steht jedoch fest: Wir werden es erleben. Vielleicht spätestens Ende des nächsten Sommers? Möglich. Oder eben auch nicht.
Update 26. September 2007: DreamScene für Windows Vista Ultimate steht ab sofort in einer finalen Version zum Download zur Verfügung.
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