Elf CPUs von Athlon bis Phenom im Test: Vier Kerne für ein Halleluja?

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Volker Rißka
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Beurteilung

Nachdem die Neuvorstellung des AMD Phenom bereits vor gut vier Monaten ohne Samples von AMD über die Bühne ging, fassen wir heute mit inzwischen eigens beschaffter Handelsware ein Fazit. Und Zahlen lügen bekanntlich nicht.

Die erste Erkenntnis: Alle Stabilitäts- und Kompatibilitätsprobleme, auf die wir während der mehrwöchigen Testphase gestoßen sind, waren nicht dem Prozessor in die Schuhe zu schieben, sondern überwiegend dem Mainboard, sehr oft auch dem verwendeten Speicher. Genau an diesen Punkten sollte generell mit der Fehlersuche begonnen werden, bevor der Prozessor ohne Beweise abgeurteilt wird – ein derzeit häufig begangener Fehler.

Doch zurück zur CPU. Größtes Problem des AMD Phenom X4 ist und bleibt die Taktfrequenz. Profitiert eine Anwendung nicht von mehreren Kernen, ist der Prozessor, insbesondere unterhalb eines Takts von 2,3 GHz, einfach zu schwach auf der Brust. Wirklich Freude macht der Phenom schlichtweg erst ab 2,4 oder gar 2,6 GHz - doch genau diese Modelle kommen erst jetzt in den Handel. Also bleibt aktuell eigentlich nur der Griff zu einem AMD Phenom 9600 BE, wenn man sich denn zutraut, diesen per Multiplikator um ein, zwei oder gar drei Stufen nach oben zu drehen. Dafür gibt es aber keinerlei Garantie, so dass es immer einem kleinen Glücksspiel, natürlich mit dem Risiko beim Käufer, gleicht. Ab 2,5 GHz erwartet den Käufer dann aber eine durchweg gute Performance, die in einigen Bereichen gar einem 3-GHz-Prozessor mit vier Kernen von Intel gefährlich werden kann, zumindest aber die taktgleichen Modelle Q6600 oder Q6700 in Schlagdistanz behält. In Schlagdistanz zu den Flaggschiffen von Intel wird AMD aber erst mit der Einführung der Phenom-FX-Prozessoren wieder kommen können, deren Start für das dritte Quartal geplant ist.

AMD Phenom
AMD Phenom

Bei all den Analysen wollen und können wir den TLB-Bug natürlich nicht vergessen, der mit AMDs Ankündigung vom 26. März 2008 zum Glück der Vergangenheit angehört. Die Empfehlung kann, schaut man sich alle Benchmarks noch einmal in Ruhe an, eigentlich nur lauten, den TLB-Fix bei B2-Steppings auf eigene Gefahr im BIOS zu deaktivieren. Da allein AMD OverDrive nicht ausreicht, um den TLB-Fix komplett zu umgehen, ist ein gutes Mainboard mit einer entsprechenden Option die zwingende Voraussetzung. Dies schränkt aktuell die Liste der Probanden sehr stark ein, ältere Mainboards, auf denen theoretisch ein Phenom lauffähig ist, sind darunter quasi nicht zu finden. Ist der Fix erst einmal dauerhaft aktiviert, wie es laut Vorgabe von AMD auf allen Mainboards der Fall sein sollte, sind teilweise massive Performanceverluste die Folge. Das Packen mit WinRAR dauert (als extremstes Beispiel unserer Testreihe) satte 159 Prozent länger. Bei kleineren Dateien mag dieser Wert noch zu verschmerzen sein, jedoch kann es bei größeren Datenmengen schnell den Unterschied ausmachen, ob das Prozedere 30 oder 80 Minuten dauert. Aber nicht nur dort schlägt der Performanceverlust massiv zu. Auch Spiele und Anwendungen laufen mit deaktiviertem Fix bis zu 30 Prozent schneller. In den meisten theoretischen Tests macht sich der TLB-Bug in Performanceverlusten von bis zu 10 Prozent bemerkbar – ein Wert, den AMD zur Vorstellung der Spider-Plattform angegeben hatte.

Fazit

Betrachtet man alle Analysen der letzten Seiten, fällt eine Kaufentscheidung zu Gunsten der aktuellen Phenom-CPUs nicht leicht. Wer sich nicht traut, den Prozessor zu übertakten, der muss quasi auf das fehlerfreie B3-Stepping warten, da mit dem B2-Stepping in vielen Lebenslagen einfach zu viel Performance verloren geht, oder gar nicht erst zur Verfügung steht. Wer hingegen experimentierfreudig ist, der darf gerne zu einem Phenom X4 9600 BE greifen.

All' diese Aussagen gelten allerdings nur für den Fall, dass der TLB-Fix im BIOS deaktiviert werden kann. Denn nur dann macht der Prozessor Spaß und darf zeigen, zu welchen Leistungen er wirklich im Stande ist. Preislich liegt der Phenom durchweg auf sehr gutem Niveau, wenn man denn weiß, wie man das volle Potential des Prozessors ausschöpfen kann. Allen nicht so versierten Lesern bleibt nur Warten, bis in Kürze, ungefähr Mitte April, die fehlerfreien AMD Phenom-CPUs im B3-Stepping auf dem Markt erhältlich sein werden. Dann weiß mit Sicherheit nicht nur der Phenom X4 9150e als Preis-Leistung-Sieger mit vier Kernen zu überzeugen, sondern auch der schnelle Phenom X4 9850 mit freiem Multiplikator als Konkurrent zum Intel Core 2 Quad 9450.

Und zu welcher Hauptplatine soll man nun greifen? Zwar besteht die Möglichkeit, einen neuen AMD Phenom auf einem älteren Mainboard zu betreiben, doch ist die Unterstützung für schnellen DDR2-Speicher meist nicht gegeben – geschweige denn, dass ein neues BIOS zur Deaktivierung des TLB-Fixes bereit steht. Also bleibt eigentlich nur der Griff zu einem neuen Mainboard aus AMDs 7-Serie übrig, die aber, wie unser Test gezeigt hat, derzeit noch nicht frei von Fehlern sind. Abschließend lässt sich sagen, dass zwei von drei Vertretern der Spider-Plattform leider immer noch in den Kinderschuhen stecken und versuchen, diesen zu entwachsen. Die kommenden Wochen werden zeigen, ob es gelingt.

Einen durchweg positiven Eindruck hinterlässt abseits der Spider-Riege der alte Athlon 64 X2 6000+. Für knapp über 100 Euro erhält man sehr viel Performance für einen äußerst fairen Preis. Die CPU wird im Preis-Leistung-Verhältnis nur vom geringer getakteten Modell übertroffen. Um eine wirklich abschließende Aussagen über die besten Prozessoren unter 100 Euro zu treffen, bedarf es jedoch weiterer Analysen, die wir in den kommenden Wochen angehen werden. Dann werden die neuen AMD Athlon 4x50e auf Basis des Brisbane-Kerns mit einer TDP von nur 45 Watt in den Ring steigen, während Intel den neuen Pentium E2220 ins Rennen schickt. Beide werden das Rennen um den performantesten Prozessor in dieser Preisklasse mit einigen anderen Bewerbern unter sich ausmachen.

Anmerkung: Mit einem sehr kurzfristig anberaumten Briefing vor zwei Tagen am 26. März 2008 hat AMD einige Aussagen des in wochenlanger Arbeit angefertigten Artikels zumindest teilweise über den Haufen geworfen. Diese Änderungen bleiben jedoch nicht unbeachtet und werden in Kürze als Update erscheinen. Die Kernaussagen sowie die Benchmark-Ergebnisse und das wichtige Preis-Leistung-Verhältnis sind davon jedoch nicht betroffen, weshalb wir unseren Lesern diesen umfangreichen Artikel nicht vorenthalten wollten.

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