AMD Phenom X4 9850 Black Edition im Test: Hitzkopf ohne grünen Daumen
23/27Sonstiges
Leistungsaufnahme
Wie üblich möchten wir an dieser Stelle betonen, dass die TDP-Angabe des Herstellers nichts mit der Leistungsaufnahme im Alltag zu tun hat. Anhand der TDP kann ein OEM-Hersteller vielmehr sicherstellen, dass er ein System baut, das die maximal abgegebene Wärmeleistung des Prozessors über das Kühlsystem abführen kann.
Wie üblich messen wir bei unserem System die Leistungsaufnahme des gesamten PCs. Dazu messen wir mit dem „Voltcraft Energy Check 3000“ die Leistungsaufnahme im BIOS, bei keiner Anwendung (Leerlauf) in Windows und unter Volllast. Um den Rechner unter Volllast auch wirklich komplett auszulasten, bedarf es eines Programms, das sowohl alle Prozessorkerne anspricht, als auch die Grafikkarte vollends fordert. In unserem Fall wird der Quad-Core-Prozessor mit vier Instanzen von Prime 95 beansprucht, während parallel dazu die beiden Grafiktests „Firefly Forest“ & „Canyon Flight“ aus dem 3DMark06 in einer Endlosschleife laufen. Alle Stromsparfunktionen, die ein Prozessor beherrscht (Cool'n'Quiet, Enhanced Intel SpeedStep Technology (EIST)), sind aktiviert.
Zur Überprüfung haben wir den Test unter Windows Vista noch einmal ohne Belastung der Grafikkarte mit Prime 95 durchgeführt. Dafür wurde nach dem Windowsstart lediglich dieses Tool gestartet und mit dem Leistungsmesser nach einigen Minuten die Aufnahmefunktion betätigt.
Der neue Phenom X4 9850 erstürmt mit seiner auf 1,3 Volt gestiegenen Eingangsspannung sofort die Spitze des Feldes. Er schlägt in jeder Disziplin, in der es auf die volle Performance ankommt, den Intel Core 2 Extreme QX6850, der bisher ungeschlagen als leistungshungrigster Prozessor an der Spitze jedes Testfeldes stand. Ein einsamer Ausschlag führt uns beim AMD Phenom X4 9850 BE auf seinem Referenztakt von 2,5 GHz erstmal über 560 Watt vor Augen – kein wirklich rühmlicher Rekord. Die auf 125 Watt gestiegene TDP liegt gute 30 Prozent höher als bei einem Phenom 9600, der eine TDP von 95 Watt ausweisen kann. Nimmt man diese 30 Prozent als Grundlage für die Messwerte, dann bewegt sich der neue Prozessor Phenom 9850 durchaus im Rahmen seiner Spezifikation. Jene Angaben sind jedoch rein theoretischer Natur, da es keinerlei genaue Angaben seitens eines Herstellers über den Verbrauch eines Prozessors gibt. All’ diese Angaben werden für den Handel über die TDP abgewickelt.
Dass sich die sehr hohe Leistungsaufnahme auch auf die Temperaturen niederschlägt, ist nur logisch. Auch dort wird der schnellere Phenom erstmals den Core 2 Extreme von Intel gefährlich, wie das Diagramm auf der folgenden Seite zeigt.
Bevor wir uns allerdings den Temperaturen widmen, wollen wir noch der Behauptung, das neue B3-Stepping würde generell mehr Leistung fressen, auf den Grund gehen. Aus diesem Grund haben wir unseren Phenom 9600 Black Edition (B2) auf das Niveau des Phenom 9850 (B3) getaktet (Spannung des Prozessor (1,3 V), Chipsatz (1,3 und 1,25 V) und alle Taktraten der Northbridge, des HT-Links (je 2.000 MHz) wurden berücksichtigt). Die Performance des so eingestellten Phenom 9600 BE ist identisch mit der des original Phenom X4 9850. Zum Vergleich nehmen wir aber auch einen Phenom X4 9850 mit 1,25 und 1,2 Volt in die Tabelle auf.
Dass AMD an dem Prozessor etwas geändert haben muss, steht außer Frage; wie das genau passiert ist und welche kleineren Nachteile dafür in Kauf genommen wurden, wird AMD jedoch nicht verraten. Die knapp 30 Watt Unterschied (bei einer gesamten Leistungsaufnahme von über 300 Watt) zu einem auf identische 1,3 Volt getakteten Phenom 9600 BE in unserem Test mit Prime zeigen, dass der Leistungsbedarf des neuen Steppings zwar nicht markant gestiegen ist, zwischen B2- und B3-Stepping aber definitiv ein Unterschied abseits der Spannung besteht – zumindest bei unseren Exemplaren. Die Behauptungen, dass der B3-Phenom stromsparender sein soll als die bisherigen B2-Modelle, können wir somit keineswegs unterstützen.
Verallgemeinern wollte man bei AMD unsere Erkenntnisse nach einem regen E-Mail-Verkehr (auch mit Ingenieuren) allerdings nicht. Offiziell heißt es weiterhin, dass es zwischen dem B2- und dem neuen B3-Stepping keine Änderungen gibt, die die Leistungsaufnahme über die Anhebung der Spannung hinaus direkt beeinflussen.
Meldungen von Prozessoren mit sehr hoher als auch mit angeblich außerordentlich geringer Leistungsaufnahme und unsere Ergebnisse beim Vergleich einer B2- mit einer B3-CPU seien schlichtweg auf die unterschiedlichen „Roh-Prozessoren“ zurückzuführen, so AMD.
Der Hersteller unterscheidet zur Klassifizierung der CPUs direkt aus der Produktion „kalte“ und „heiße“ Prozessoren. Beim so genannten „Binning“ testet der Hersteller unter anderem, welche CPU mit welcher Taktfrequenz, Spannung und folglich mit welcher Leistungsaufnahme lauffähig ist. Für jedes CPU-Modell gibt es dabei eine Bandbreite, in der sich ein Prozessor bewegen darf. Für den AMD Phenom X4 9850 beispielsweise kann die Spannung zwischen 1,20 und 1,30 Volt liegen, die TDP kann bis zu 125 Watt betragen. Je nachdem wie das „Binning“ verläuft, kann aus einem Prozessor direkt aus der Produktion heraus ein Phenom X4 9550, weil er mit 1,20 Volt läuft, oder ein Phenom X4 9850 werden, der 1,3 Volt benötigt und somit eine Klasse höher gestuft wird. Ist das Sortieren abgeschlossen, werden die Prozessoren entsprechend markiert, damit sie die notwendige Spannung und Taktfrequenz für den Betrieb direkt dem BIOS mitteilen können.
Durch diese Unterschiede kann es nun aber vorkommen, dass ein Phenom X4 9850 mit 2,5 GHz durch die Produktion geht, der mit 1,2 Volt läuft und so sogar die 95 Watt TDP einhält. Ein solcher Prozessor wäre natürlich für jeden Overclocker ein kleiner Schatz; jedoch dürften diese Modelle selten sein. Da kommt die kaufmännische Entscheidung von AMD ins Spiel, denn aktuell werden AMD Phenom X4 9550/9650 viel dringender benötigt als die 9850er. Anstatt also den sehr guten Prozessor (in den Augen eines Overclockers) als schnellstes Modell zu verkaufen, wird er in den meisten Fällen zu einem Phenom 9605/9550 markiert. Genau dies erklärt die unterschiedlichen Ergebnisse der bisherigen Tests der neuen Phenom X4 9850 weltweit. Während die einen ihren Phenom X4 bis fast auf 3,5 GHz übertakten konnten, scheiterten andere bereits bei 2,8 GHz. Hier erklärt sich auch das Modell der „temperierten“ Prozessoren: Die Tests mit den sehr stark übertaktbaren Varianten dürften einen „kalten“ Prozessor erwischt haben, während wir (wie viele andere Seiten) eher ein „heißes“ Modell bekommen haben könnten. AMD vermeldet an dieser Stelle auch, dass die High-End-CPUs der 9850er-Serie wohl eher zur „heißen“ Sorte gehören.
Unser Vergleich eines Phenom 9600 mit einem neuen Phenom X4 9850 kann deshalb in puncto Leistungsaufnahme und Temperatur nur bedingte Schlüsse zulassen. AMDs hat uns attestiert, dass wir wohl eines der heißesten Modelle erwischt haben – was letztendlich aber auch zeigt, dass der Prozessor selbst mit dem Boxed-Lüfter bei vollem Ausreizen der Spezifikationen seinen Dienst verrichtet. Auch zeigen unsere Ergebnisse wieder einmal, wie differenziert man Tests dieser Art sowohl im Internet als auch im geschriebenen Blatt betrachten muss. Schnell werden Ergebnisse, die man, vielleicht sogar noch mit einem Vorserienmodell, das so niemals in den Handel gelangt, ermittelt hat, für bare Münze genommen und als alleingültiges Faktum für das serienreife Produkt verkauft. Dass es deshalb schnell zu Fehlinformationen oder gar Vorverurteilungen kommen kann, ist nicht von der Hand zu weisen.