Spore im Test: Von der Ursuppe bis in den Weltraum
4/4Fazit
Ohne den zuletzt behandelten Weltraum-Abschnitt müsste „Spore“ ein eher durchschnittliches Fazit ausgestellt werden. Dabei fängt das Spiel vielversprechend an. Die Ursuppe ist zwar mehr Mini-Spiel als vollwertiger Inhalt, stimmt aber wunderbar auf das dann Folgende ein und macht zudem auch noch richtig Spaß. Auch die Landphase ist gut gelungen, da sie mit weiteren interessanten Neuerungen aufwartet und den Spieler zudem erleben lässt, was mit dem Editor alles möglich ist. Dieser gehört mit seinen vielen individuellen Gestaltungsmöglichkeiten und seiner einfachen Bedienung ohne Zweifel zu den ganz großen Features von „Spore“, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die dann folgenden Epochen den Tiefpunkt in der „Spore“-Evolution bedeuten. Während die Stammesphase noch von dem „Neu-Effekt“ und der Verwunderung über den Genre-Sprung profitiert, gestaltet sich die Stadt-Epoche als wahres Trauerspiel, das mehr als einmal zum Abbruch motiviert. Bleibt man aber bei der Stange, so wird man mit einem fulminanten Finale belohnt. Im letzten Abschnitt zeigt „Spore“ noch einmal, was es kann und lässt den Spieler spüren, dass man es hier eben doch nicht nur mit einem lauen Echtzeitstrategiespiel inklusive ordentlichem Prolog zu tun hat.
Die schwache KI und die manchmal hakelige Steuerung werden von einer zumeist angemessenen, wenn auch nicht hervorragenden Grafik sowie einer ausgezeichneten Sound-Umsetzung wieder gut gemacht. Überdies ist „Spore“ für alle Interessierten eine große Kommunikationsplattform, da das Spiel die eigenen Kreationen, einen entsprechenden Account samt Internetanschluss vorausgesetzt, automatisch in die Welten anderer Spieler integriert und auch einen Austausch über die Objekte ermöglicht.
Letzten Endes bleibt zu sagen, dass Will Wright und sein Team vieles richtig machen. Ob ihnen mit „Spore“ tatsächlich ein die Branche veränderndes Meisterwerk à la „SimCity“ oder „Die Sims“ gelungen ist, darf nach aktuellem Stand zwar bezweifelt werden. Dies bedeutet im Umkehrschluss aber nicht, dass es sich bei „Spore“ um 0815-Kost handelt. Stattdessen stößt man im Verlauf des Spiels immer wieder auf gut durchdachte, innovative Ansätze, die quasi nur durch eine eher schwache und eine sehr schwache Phase unterbrochen werden. Vor dem Hintergrund der kurzen Verweildauer, die in diesen zwei Epochen durch ein zielstrebiges Spielen erreicht werden kann, sollte dieses Defizit vergeben werden. Mit Blick auf den vorab formulierten Anspruch, Evolution erlebbar zu machen, kann man Wright und Co. übrigens attestieren, dass dies – sofern im Rahmen eines auf eine breite und eher junge Zielgruppe angelegten PC-Spiels überhaupt möglich – weitgehend gelungen ist.
Insofern ist „Spore“ für alle experimentier- und innovationsfreudigen Spieler eine gute Möglichkeit, aus dem Einheitsbrei, den viele aktuelle Titel gemeinsam bilden, auszubrechen.
Persönliches Fazit von Jirko Alex:
„Spore“ will so viel mehr sein als ein gewöhnliches Spiel und damit dem Einheitsbrei ein Schnippchen schlagen. Die komplette Evolution nachspielen zu können, bietet gewiss auch die richtige Rahmenbedingung – viel mehr Stoff wollte bisher wohl kaum jemand in einem Spiel verweben. Damit das Geschehen dabei nicht nur zeitlich variiert, setzt Maxis zudem auf gleich mehrere Spielgenres, die die verschiedenen Entwicklungsphasen verknüpfen. Ein viel versprechendes Rezept eigentlich, das nicht scheitern kann, oder doch?
Der Kunstgriff, der hierbei über das Gelingen oder Scheitern entscheidet, ist jedoch der Schwierigkeitsgrad. Spore will sich auf der einen Seite den „Casual-Gamer“ erschließen, der kaum Erfahrung mit einem Computerspiel und dessen Steuerung hat. Für diesen – wie auch jeden anderen, der etwas Neues sucht – ist die Zellenphase zweifellos spaßig. Auf der anderen Seite setzen vor allem die späteren Phasen darauf, dass man – wenn auch auf eine simple Art – Strategieelemente spielen kann und will. Während dies selbst für einen Gelegenheitsspieler noch schaffbar ist, verliert „Spore“ gleichzeitig den Charme, den es sich in den ersten beiden Phasen angeeignet hat: Wuchs man anfangs noch mit der Kreatur, kann man sie später bestenfalls neu einkleiden. Statt einen winzigen Einzeller ins Zentrum des Ursuppenuniversums zu stellen, verkommen die später ausgewachsenen Kreaturen zu Pixelhaufen, die kaum mehr relevant sind – ja, nicht einmal mehr direkt gesteuert werden können.
Das mag prinzipiell nicht falsch sein – schließlich denkt „Spore“ zuletzt global, wenn nicht gerade universal. Doch stellt sich die Frage, wer letztendlich an dem Spiel Gefallen finden soll. Der von der Zellen- und Kreaturenphase faszinierte Spieler fühlt sein Machwerk erster Stunde vernachlässigt. Ein Strategiespieler ist von der Stammes- und Zivilisationsphase heillos unterfordert und – falls ihn das nicht stören sollte – muss er sich zuerst durch zwar innovative, für den weiteren Spielverlauf aber nicht essentielle Phasen schieben. Das Spiel vertraut quasi darauf, dass der Spieler vieles will und mit sich machen lässt, dabei aber quasi niemals zu tief in die Materie einsteigen möchte. Für erfahrene Spieler ist „Spore“ daher vermutlich zu kurzweilig. Umgekehrt könnten Gelegenheitsspieler an einer der späteren Phasen keinen Gefallen finden.
„Spore“ ist damit letztendlich kein Einheitsbrei. Aber der Versuch, alles unter einem Dach zu vereinen, muss deshalb nicht besser schmecken.
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