Online-Durchsuchung (quasi) verabschiedet
Die große Koalition hat sich Mittwochabend auf die Novelle des Gesetzes für das Bundeskriminalamt (BKA) verständigt. Demnach könnte der Gesetzesentwurf schon in der nächsten Woche verabschiedet werden und noch in diesem Jahr in Kraft treten. Zahlreiche Kritiker sehen jedoch weiterhin eklatante Mängel im Gesetzespapier.
Das neue Gesetz erweitert die Befugnisse des BKA und gibt der Polizeibehörde Kompetenzen zur bundesweiten Rasterfahndung, der vorsorglichen Telekommunikationsüberwachung – auch von Internettelefonie – sowie der heimlichen Online-Durchsuchung in die Hand. Gegenüber dem zuletzt scharf kritisierten Gesetzesentwurf zogen jedoch leichte Änderungen in den Gesetzestext ein. So setzte die SPD durch, dass gesammelte Daten nicht nur durch zwei Polizeibeamte, sondern auch durch einen Datenschutzbeauftragten der Behörde überprüft werden müssten. Dieser solle sicherstellen, dass der „unantastbare Kernbereich privater Lebensgestaltung“ unversehrt bleibe. Ist dies nicht gegeben, muss der Datensatz einem Richter zur Überprüfung übermittelt werden. Dafür muss der Datenschutzbeauftragte jedoch Zweifel an der Integrität der gesammelten Daten anmelden. Kritiker sehen in diesem Punkt einen großen Makel bezüglich der Sicherheit privater Daten.
Der Ruf nach justizieller Kontrolle wird umso lauter, als dass sich die Koalition ebenfalls darauf einigte, dass in besonders dringenden Fällen der BKA-Präsident eine Eilbefugnis aussprechen könne, die die heimliche Online-Durchsuchung ohne Richterspruch legitimiert. In der Regel ist der Gang zum Richter Pflicht, ehe über das Eindringen in vernetzte Rechner nachgedacht werden könne. Kritisiert wird bereits der Gedanke hinter der Eilbefugnis, entziehe man die Online-Durchsuchungen so doch jeder richterlichen Kontrolle. FDP-Fraktionsvize Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ergänzte überdies, dass Online-Durchsuchungen „technisch und zeitlich so aufwendig [seien], dass gar keine Eilfälle denkbar sind.“ Dies bestätigte indirekt auch BKA-Chef Jörg Ziercke auf einer Tagung für Sicherheitsexperten in Nürnberg. Demnach sei jede Online-Durchsuchung ein sorgsam programmiertes Unikat. Es müssten stets verschiedene Virenscanner, Firewalls und Spyware-Filter umgangen werden, die natürlicher einer Anpassung durch Programmierer bedürfen.
Die Koalition einigte sich am Mittwoch ebenfalls darauf, Online-Durchsuchungen vorerst auf einen Zeitraum von zwölf Jahren, also bis zum Jahre 2020, zu begrenzen. Eine derart lange Frist sei aber „eine Farce“, so Leutheusser-Schnarrenberger weiter. Auch Vertreter der Grünen und der Linken sehen in der Novelle viel Konfliktpotential mit geltendem Grundrecht. So nannte der Geschäftsführer der Grünen im Bundestag, Volker Beck, die Einigung der großen Koalition einen „weiteren dramatischen Abbau der Bürgerrechte“. Der Innenexperte der Linken bezeichnete den Gesetzestext gar als „betriebene Demontage des Rechtsstaats“. Ex-Innenminister Gerhart Baum hat derart große Bedenken, dass er erneut vor das Bundesverfassungsgericht ziehen will, um die Novelle des Gesetzestextes überprüfen zu lassen. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, inwiefern die per Gesetz geschaffene „Superbehörde“ BKA noch dem verfassungsrechtlichen Trennungsgebot zwischen Nachrichtendiensten und Polizei entspricht.
Zurückhaltender äußerte sich der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar, der in dem Gesetzesentwurf „einige Verbesserungen“ sieht. Er müsse den genauen Wortlaut des Gesetzestextes allerdings noch prüfen. Glücklicher mit der Novelle gibt sich der Innenexperte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Peter-Uhl, der in dem Entwurf das „qualifizierteste Polizeigesetz Deutschlands“ sieht. Auch BKA-Chef Ziercke ist mit dem gefundenen Kompromiss zufrieden und könne etwa mit der Hinzunahme eines Datenschutzbeauftragten leben. Er referierte unter dem Thema „Tatort Internet“ erst heute über aktuelle Probleme im Netz, darunter auch die terroristische Gefahrenlage. Ziercke betonte, dass der Datenzugriff bereits bei der Festnahme der „Sauerland-Gruppe“ eine wichtige Rolle gespielt habe. Dort sei zum ersten Mal der Fall eingetreten, dass die Gruppe auch bei erkannter Observation weiter geplant hätte, da sie Vertrauen in ihre Verschlüsselungs- und Verschleierungstechniken gehabt hätten.
Auch der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, begrüßte den Kompromiss: „Wir hoffen, dass das BKA-Gesetz nunmehr alsbald in Kraft treten kann, um die zunehmende Bedrohung durch den internationalen Terrorismus wirksam abwehren zu können.“ Eine Entscheidung über den Gesetzesentwurf im Bundestag ist für den 12. November geplant. Wird der Gesetzestext danach auch im Bundesrat verabschiedet, könnte die Gesetzesnovelle noch in diesem Jahr in Kraft treten.