Tomb Raider: Underworld im Test: Lara fängt den Flair der alten Serie

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Sasan Abdi
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TRU auf einen Blick

„Tomb Raider: Underworld“ (TRU) knüpft in etwa dort an, wo der Vorgänger „Legend“ aufgehört hat. Lara Croft ist also weiterhin auf der Suche nach Hinweisen zum Schicksal ihrer Mutter. Für diejenigen, die zumindest „Legend“ (oder aber noch besser das komplette „Tomb Raider“-Universum) kennen, dürfte der Einstieg in die Handlung somit keine allzu großen Schwierigkeiten bereiten. Der Start des Spieles ohne Intros oder anderer erklärender Elemente – hier Verweisen die Macher von Crystal Dynamics einfach auf die Videosektion, wobei selbst das dort befindliche Video Nicht-Kennern nicht allzu viele Aufschlüsse liefern dürfte – macht es insbesondere für Neulinge enorm schwer, den Hintergrund des Plots zu verstehen. So braucht es selbst für „Legend“-Kenner einige Sekunden, bis man realisiert, was es mit Laras alten Freunden und Feinden sowie dem gesamten Drumherum eigentlich auf sich hat.

Freund oder Feind? Für Neulinge eine schwere Frage
Freund oder Feind? Für Neulinge eine schwere Frage

Glücklicherweise kommt nach dem Einstiegslevel in der brennenden Croft Manor, in der es hauptsächlich um das Erlernen der Steuerung geht, langsam aber sicher mehr Licht in die Handlung. So verschlägt einen TRU in die mitunter schönsten Teile der Welt: Auf der Suche nach der Ausrüstung von niemand geringerem als dem Donnergott Thor geht Lara Croft im Mittelmeer auf Tauchfahrt, erkundet zugewachsene Tempelanlagen in Thailand und macht obendrein auch noch Mexiko und die Andamanensee unsicher. Abgerundet wird das Set-Hopping von Abstechern auf das erwähnte legendäre Croft-Anwesen, auf die norwegische Insel Jan Mayen sowie ins Nordmeer.

Ruft man sich den Anspruch in Erinnerung, wonach TRU den alten Flair von Tomb Raider aufleben lassen soll, so scheint mit den unterschiedlichen Handlungsorten ein erster Schritt in die richtige Richtung gemacht. Geschmackssache ist und bleibt dabei, wie die Glaubwürdigkeit des Plots auf den Spielspaß wirkt: Um nach Avalon und somit zu näheren Hinweisen zum Schicksal der geliebten Mutter zu gelangen, sucht Lara Croft zunächst nach Thors Handschuhen und seinem Gürtel, um damit später seinen Hammer schwingen zu können. Dass die Suche nach derlei nordischen Kriegsutensilien quer über den gesamten Globus verläuft, dürfte nicht nur Historikern übel aufstoßen. Hier findet man aber kein Argument gegen ein Leveldesign, das in vielen verschiedenen Umgebungen angesiedelt ist. Stattdessen stellt sich die Frage, ob mit Blick auf diese Vielfalt nicht eine etwas andere Handlung – auch für ein Mehr an Authentizität – gut getan hätte. Diese Frage ist auch deswegen berechtigt, weil der Plot – sofern man ihn denn zumindest rudimentär hinterfragt – aufgrund der ziemlich unglaubwürdigen Ausgestaltung relativ schnell fade zu werden droht.

Ob und wie die archäologische Märchenstunde wirkt, ist letztlich vom Spielertyp abhängig. Fest steht aber, dass die äußerst schwach konzipierte Suche nach stets identischen Schätzen, die man vor allem in zu zertretenden Vasen aufspüren kann, keinerlei Abwechslung oder Aufwertung des Spielinhalts darstellt. Sieht man von diesen Überlegungen ab, so kann man der Handlung von TRU alles in allem eine ordentliche Stringenz ohne große Logikfehler attestieren. Überdies kommt über einige Strecken trotz der inhaltlichen Bedenken Spannung auf, was sich im Besonderen in einem fulminanten, actiongeladenen Finale niederschlägt.

Von Anfang bis Ende – einige visuelle Eindrücke zum Plot

Ähnlich positiv fällt die Betrachtung des Level- und Missionsdesigns aus. Letzteres gestaltet sich erwartungsgemäß linear: Zwar kann sich der geneigte Spieler auf den teils recht weitläufigen Karten durchaus mal verlaufen; letztlich aber führt in der Regel immer nur ein Weg zum Ziel. Und dieser ist so sicher wie das Amen in der Kirche mit mindestens einem großen Rätsel gespickt. Die Denkaufgaben machen in „Underworld“ einen überraschend großen Anteil aus und halten sich mit den Tätigkeiten „Klettern“ und „Schießen“ inhaltlich in etwa die Waage, was auch völlig in Ordnung ist, da ein Action-Adventure von eben diesen Aspekten lebt. Umso besser ist dabei, dass die Rätsel alles in allem spannend und abwechslungsreich aufgebaut sind: So müssen Druckplatten beschwert, Hebel entdeckt und riesige Statuen in die richtige Position gedreht werden.

Dank der guten Ausgestaltung der Denk-Abschnitte zählen diese zu den spaßigeren Minuten der – je nach Schnelligkeit des Spielers – zwischen 10 und 15 Stunden variierenden Spielzeit von TRU. Auch die obligatorischen Kletterpartien machen zumindest anfangs jede Menge Spaß. Dies liegt zu einem großen Teil auch an der enormen Beweglichkeit und Grazie, die Lara Croft in TRU aufweist: Egal ob beim Klettern, Abseilen oder Springen – die Pixel-Archäologin macht eine gute Figur (und damit ist übrigens nicht ihre geschlechtsspezifische Darstellung gemeint, die in nicht wenigen Fällen die Grenze von ästhetisch zu plump deutlich überschreitet). Hierbei macht sich auch das neue Seil-Feature positiv bemerkbar, bei dem sich der Spieler beispielsweise zwecks der Überquerung eines Abgrundes an einen Haken hängen oder aber Strukturen wie Mauern oder Tore – einen entsprechenden Haken vorausgesetzt – einreißen kann.

Abseits dieser positiven Aspekte müssen auch Schwachpunkte vermerkt werden. Die größten Schwächen offenbart „Underworld“ immer dann, wenn es gewalttätig wird. Dies liegt nicht etwa daran, dass die Nutzung von Schusswaffen, bei denen einem übrigens von Anfang an mit zwei Desert Eagles, einer Shotgun, einem Sturmgewehr und einer Harpune das komplette Repertoire zur Verfügung steht, in keinem Zusammenhang zu „Tomb Raider“ steht. Im Gegenteil: Das Spiel lebt schon immer auch von eben diesen Momenten, in denen sich Lara Croft gegen fiese Schergen und blutrünstige Tiere aktiv wehren muss. Hier wurde nichts anderes eine actionreiche Abwechslung zum erwähnten Klettern und Überlegen geschaffen. Doch werden die entsprechenden TRU-Szenen dem nicht im Mindesten gerecht. Stattdessen erlebt man hier ein monotones Geballer, das seine Ursache in zwei Umständen hat: Zum einen gestaltet sich die KI der TRU-NPCs als unterirdisch (siehe KI-Abschnitt). Zum anderen sind eben diese Abschnitt grausam inszeniert.

TRU - Motorrad in Aktion
TRU - Motorrad in Aktion

Das beste Beispiel hierfür findet sich gleich zu Beginn der Handlung. Nachdem Lara im Mittelmeer nach Thors Handschuh gefahndet hat und von ein paar Söldnern beraubt und verschüttet wurde, taucht sie wieder zu ihrer Yacht auf. Glücklicherweise findet sich, quasi in Rufweite, gleich nebenan der riesige Frachter der Diebe. Auf diesem angekommen – niemand nimmt auch nur ansatzweise Notiz von der Ankunft eines fremden Schiffes oder dem Entervorgang –, muss man es dann mit zwei Dutzend dümmlichen Matrosen aufnehmen, die trotz ihrer Maschinengewehre überhaupt keine Gefahr darstellen und obendrein auch noch immer gleich aussehen – Authentizität und Spielspaß adé! Da ändert übrigens auch der Motorrad-Abschnitt nichts (ja, Lara Croft kann bei TRU auf ein Fahrzeug zu greifen, siehe Bild oben), da hier zusätzlich zur schwachen Inszenierung eine schwache Kollisionsabfrage sowie ein alles andere als realistisches Fahrverhalten zu addieren sind.

Alles in allem hätte es hier wohl deutlich mehr Sorgfalt bedurft, um auch diesen Teil des Spiels ansprechend zu gestalten. Unter Umständen ist auch das nahezu gänzliche Fehlen von Boss-Kämpfen dafür verantwortlich, dass TRU mit Blick auf die Action bestenfalls seichte Unterhaltung bietet. Einen Unterschied hätten hier die letzten Minuten machen können, da sich der Spieler dort mit einer wahren Flut von Gegnern konfrontiert sieht. Doch selbst hier will sich keine rechte Freude einstellen, da die Horden ohne weiteres mit dem nunmehr im Besitz von Miss Croft befindlichen Thor-Hammer durch die Gegend geschleudert werden können.