BVerfG: Wahlcomputer sind verfassungswidrig

Andreas Frischholz
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Das Bundesverfassungsgericht hat sich ein einer aktuellen Entscheidung gegen den Einsatz von Wahlcomputern ausgesprochen – die derzeitigen Maschinen seien schlicht zu unsicher. Grundsätzlich wäre die Nutzung von Wahlcomputern allerdings möglich.

In der Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit der Bundestagswahl 2005 erklärte das Gericht, Bürger müssten bei der Stimmabgabe zuverlässig prüfen können, ob die Stimme vom Computer korrekt erfasst wurde, um gezielte Manipulation oder Programmierfehler der Software erkennen zu können. Eine mögliche Lösung sei dem Gericht zufolge etwa ein für den Wähler sichtbares Papierprotokoll.

Die Wahlgeräte der niederländischen Firma Nedap haben allerdings nicht diesen Anforderungen der Bundeswahlgeräteverordnung entsprochen, womit gegen die Transparenz und damit einer der Grundsätze des Wahlrechts verstoßen wurde. Die Wahlcomputer haben rund zwei Millionen Wähler in 39 der insgesamt 299 Wahlkreise in den Bundesländern Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt genutzt. Die Bundestagswahl 2005 bleibt aber gültig, da es keine Hinweise auf Manipulation oder Fehler in der Software der Wahlmaschinen gibt und zudem der Bestandsschutz der gewählten Volksvertretung dem Wahlfehler überwiegt.

Für Städte und Gemeinden bereitet diese Entscheidung mit Hinblick auf das Superwahljahr 2009 mit der Bundestags- und Europawahl sowie vier weiteren Landtags- und acht Kommunalwahlen Schwierigkeiten, da diese zunehmend Probleme haben, Wahlhelfer zu finden. Zudem hat allein die Stadt Dortmund vor Jahren 290 Wahlcomputer von Nedap gekauft, die nun mehr oder weniger unbrauchbar sind. Noch ist unklar, ob die Geräte nachgerüstet und so an die aktuellen Anforderungen angepasst werden können.

Die Meinungen zu dem Urteil fielen erwartungsgemäß unterschiedlich aus. Der Rechtsexperte der FDP, Max Stadler, glaubt weiterhin an die zukünftige Nutzung von Wahlcomputern, der Durchbruch sei nur „aufgeschoben, nicht aufgehoben“. Der Chaos Computer Club, seit Jahren einer der Wortführer in der Kampagne gegen die Wahlcomputer, zeigt sich zufrieden mit dem Urteil. „Wer jetzt noch mit dem digitalen Zeitgeist oder der angeblich besseren Effizienz elektronischer Wahlen argumentiert, hat nicht verstanden, was das Wesen von Demokratie ist und sollte nicht weiter mit wesentlichen Aspekten des Wahlvorgangs betraut werden", teilte Dirk Engling, Sprecher des Chaos Computer Club, in einem öffentlichen Statement mit.

Mit Dank an Robert „derwaldrandfoer“ Schulz
für den Hinweis zu dieser Meldung!

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  • Andreas Frischholz E-Mail
    … ist Politikwissenschaftler und berichtet seit 2004 über Netzpolitik, Tech-Ökonomie und den digitalen Wandel der Gesellschaft.
Quelle: Spiegel

Ergänzungen aus der Community

  • MountWalker 03.03.2009 20:58
    ...Immer weniger Leute wollen diese Aufgabe wahrnehmen.
    ... "Purdy, post: 5685391
    Wie ich bereits sagte, gibt es auch Gemeinden, wie bspw. den Bezirk Berlin Mahrzahn-Hellersdorf, wo es deutlich mehr Wahlhelfer zur Verfügung stehen, als eingesetzt werden - ich kenne nur diesen Bundestags-Wahlkreis, aber ich könnte mir vorstellen, dass es damit zusammenhängt, dass das bei uns kein reines Ehrenamt ist, weil Angestellte im Öffentlichen Dienst für die Teilnahme einen anderen Arbeitstag ihrer Wahl frei kriegen. Ich kann mir vorstellen, dass die Gemeinden, die Probleme haben, Wahlhelfer zu bekommen, solche Angebote nicht machen. Wäre vielleicht mal eine Idee. ;)

    Solche Angebote kosten Geld, aber das kosten Computer auch. Darüberhinaus erfordert jeder Wahlcomputer prinzipiell eine permanente sichere Überwachung, und nicht den Schwachsinn, der auf dem Chaos Communications Congress Dec2007 offengelegt wurde ("Wie, das Siegel ist jetzt, wo die Wahl schon seit Stunden läuft nicht unterschrieben? Na dann unterschreib ich doch einfach mal schnell" :rolleyes:) und die Überwachungsperson kostet auch Geld - und zwar richtig, weil der Computer nicht nur zur Öffnungszeit des Wahlbüros überwacht werden muss - also so schlecht ist die Idee, den Wahlhelfern für ihren Einsatz auch irgendwas, wie beispielsweise den Freizeitverlustausgleich, zu bieten, gar nicht. ;)
  • Mr. Dende 03.03.2009 22:00
    Na da hat die Firma Nedap ja mal RICHTIG Glück gehabt..

    Nun enwickeln die auf die schnelle so ein Papierzettelgedöns - "ein Backup, falls mal der Strom ausfällt oder sich der CCC meldet (xD)" - und verscheuern das für einen unglaublich hohen Preis - gekauft werden wirds - wer will schon die schönen bereits angeschafften Wahlcomputer wegschmeißen, wenn man sie auch einfach "updaten" kann?

    Danke, BVerfG... IHR zahlt den Mist ja nicht...

    Hätte man auch mal früher drauf kommen können.... "RubyRhod, post: 5685589
    Nicht "man" hätte früher drauf kommen können, das Bundesministerium des Innern hätte früher drauf kommen müssen. Ebenso der Wahlprüfungsausschuss des Bundestages. Das Bundesverfassungsgericht kann nicht aus eigener Initiative tätig werden und musste erst von zwei Privapersonen angerufen werden. Wahlen soweit wie möglich nachvollziehabr zu machen ist elementarer Bestandteil einer Demokratie.
    Insofern schließe ich mich an: Danke BVerfG!