Sperrung von Kinderporno-Seiten eilt voran
Deutlich schneller als man erwarten könnte, schreiten die Bemühungen verschiedenster Regierungsvertreter voran, eine gesetzliche Basis für die Sperrung von Internetseiten mit kinderpornografischem Inhalt durchzusetzen. Mittlerweile hat auch der Bundeswirtschaftsminister einen Gesetzesentwurf vorgelegt.
Bereits seit Monaten verfolgt die Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen einen harten Kurs, wenn es um die Sperrung kinderpornografischer Seiten im Internet geht. Bereits im November des letzten Jahres brachte sie eine gesetzlich reglementierte Sperrung entsprechender Seiten ins Gespräch, nachdem Verhandlungen mit Providern für sie ergebnislos blieben. Anfang des Jahres sah man sich einer Sperre für Kinderpornografie im Netz wieder einen Stück näher, was vor allem daran lag, dass einige offene Fragen – etwa die Haftung bei der Sperrung legaler Angebote – geklärt wurden. Dennoch schrecken einige Provider davor zurück, auf rein vertraglicher Basis die Sperrung der in einer durch das Bundeskriminalamt (BKA) erstellten Liste genannten Internetseiten vorzunehmen. So verkündete etwa die Telekom, nicht ohne ein Gesetz tätig werden zu wollen. Andere Provider wie Kabel Deutschland und Vodafone sollen bereits einige vertragliche Einigung mit dem Familienministerium erzielt haben, widersprachen diesen Meldungen jedoch vehement.
Diesen Eiertanz wollen einige Minister nun anscheinend nicht mehr mitmachen. Bereits Anfang dieser Woche einigte sich die Bundesregierung auf sieben Eckpunkte, die als unverbindlicher Rahmen für einen Gesetzesentwurf gelten sollen. Die Eckpunkte sehen etwa vor, dass die Provider etwaige Haftungsansprüche nicht tragen müssen und im Falle einer Sperre entsprechend der rechtlichen Vorgaben handeln sollen. Zudem sind die Provider nicht dazu angehalten, eigenständig nach Internetseiten mit den illegalen Inhalten zu suchen. Ebenfalls festgeschrieben wurde, dass die Nutzer darüber informiert werden sollen, weshalb ihnen der Zugang zu den betroffenen Internetseiten verwehrt wird. Diese vorgeschaltete Seite soll zudem an einen „Informations- und Beschwerdeweg“ geknüpft werden. Gerade die vom Provider betriebene Stopp-Seite ist es aber, die ihrerseits für Probleme sorgt. So kritisieren sowohl die Zugangsanbieter als auch das BKA, dass für eine derartige Seite das Speichern von IP-Adressen zumindest kurzfristig notwendig sei. Dies bedeute hingegen einen Eingriff in das Grundgesetz, den niemand bisher rechtfertigen und tragen will. Über die technische Umsetzung der Sperre – so heißt es in den Eckpunkten – wolle man sich hingegen erst nach der Schaffung des gesetzlichen Rahmens einigen.
Um den eigenen Willen, die Gesetzeslage zu verändern, zu unterstreichen, veröffentlichte die SPD-Bundestagsfraktion am Dienstag einen Beschluss, in dem man sich ebenfalls zum Ziel setzt, die gesetzliche Sperrung kinderpornografischer Seiten voranzutreiben. In dem Beschluss wird speziell die Sperrung ausländischer Websites erwähnt, die „den sich ausbreitenden kommerziellen Markt stören“ sollen. Zudem kündigte die Fraktion einen eigenen Gesetzesentwurf an, den man in Kürze vorlegen wolle. Dieser soll nicht nur die Diskussion im Bundestag vorantreiben, sondern auch sicherstellen, dass nur kinderpornografische Seiten im Netz gesperrt werden. Gleichwohl wird eine untergesetzliche Lösung – also eine solche auf Vertragsbasis – begrüßt, so sie denn durchsetzbar ist. Auch ein solcher Vertrag zwischen den Providern und dem Bundesfamilienministerium muss aber verfassungskonform ausfallen, so der Beschlusstext weiter.
Einen Schritt weiter ist hingegen Bundeswirtschaftsminister Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg. Er legte bereits gestern einen Gesetzesentwurf vor, der über eine Änderung des Telemediengesetzes die Sperrung kinderpornografischer Seiten realisieren soll. Guttenberg will damit das Prozedere deutlich beschleunigen und idealerweise noch in dieser Legislaturperiode eine gesetzliche Regelung verabschiedet wissen: „Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, damit noch in dieser Legislaturperiode auch der gesetzliche Rahmen für eine Sperrung des Zugangs kinderpornographischer Seiten geschaffen wird. Das in der Zuständigkeit des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie liegende Telemediengesetz ist ein geeigneter Ort, um eine solche Sperre gesetzlich zu regeln.“ Er dürfte mit diesem Vorstoß der Bundesfamilienministerin deutlich entgegenkommen, die mittlerweile Druck mit emotionalen Argumenten aufzubauen sucht. Laut von der Leyen müssten sich die Provider entscheiden, ob sie „weiterhin uneingeschränkt die Vergewaltigung von Kindern zeigen lassen.“ Provider seien ihrer Meinung nach fast schon kriminell, da hinter dem Kinderporno-Markt „mächtige Geldinteressen“ stünden, um die nun mit harten Bandagen gekämpft würde.
Unterdessen warnen Experten vor der Unwirksamkeit einer solchen Sperre sowie dem Schaden, die der vermeintliche Aktionismus anrichten kann. Kritik hagelt es dabei aus mehreren Seiten. So hinterfragte der Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft (FITUG) den wahren Sinn solcher Sperrlisten: „Sexueller Missbrauch von Kindern und die Verbreitung von Kinderpornographie müssen konsequent verfolgt werden. Internet-Sperren sehen auf den ersten Blick sinnvoll aus, sind in diesem Zusammenhang aber nicht nur wirkungslos, sondern kontraproduktiv. Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen erinnert mich mit ihren Sperr-Vorhaben an meine zweijährige Tochter: Sie hält sich die Augen zu, und schon ist für sie die Welt außen herum verschwunden“, so FITUG-Vorstandsmitglied Alvar C.H. Freude in einer Pressemitteilung. Freude kritisiert vor allem die Schamlosigkeit, mit der die Allheilwirkung der Listen propagiert wird, obwohl ihre Wirksamkeit gemeinhin nicht anerkannt werden könne. So enthalte die Mehrheit der in einigen Ländern bereits etablierten Sperrlisten auch legale Angebote, die ebenfalls unzugänglich gemacht würden. Zudem könne ein Provider viel schneller auf ihm gemeldete illegale Internetseiten reagieren als dies aktualisierte Filterlisten könnten.
Besonders pikant ist unterdessen, dass die meisten der betroffenen Internetseiten mit kinderpornografischem Inhalt aus den USA, Kanada, Australien und Europa – inklusive Deutschland – kämen. Man müsse sich an dieser Stelle jedoch fragen, warum der Einsatz von Filterlisten forciert wird, statt die mitunter hierzulande ansässigen Server vom Netz zu nehmen. Vor diesem Kontext stellt Freude in Frage, ob es überhaupt um die Bekämpfung der Kinderpornografie gehe. Er vermutet, das Hauptziel der Regierung sei es, staatlich gelenkte Filterlisten zu etablieren, die auch für andere unliebsame Sperren eingerichtet werden könnten. Tatsächlich ließen etwa der medienpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Wolfgang Börnsen, und der Justiziar der Union, Günter Krings, bei der Verabschiedung des Eckpunktepapiers durchscheinen, dass die „Freiheit im Cyberspace“ ihre Grenzen habe. Auch Rassismus und Gewaltverherrlichung, Volksverhetzung oder Nazi-Propaganda dürften im Netz nicht geduldet werden, so die beiden Politiker weiter. Nicht zu Unrecht mahnt da wohl der Michael Frenzel, Sprecher von 1&1, an, man öffne mit dem Anliegen möglicherweise „Pandoras Büchse der Internetzensur“.
Pikant und von Kritikern ebenso zu Recht aufgegriffen wird die Frage, wie sicher die Filterlisten sind und wie groß ihre Wirksamkeit daher überhaupt ist. Auf der Internetseite Wikileaks, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, geheime Informationen und Analysen zu veröffentlichen, wurden bereits einige der schwarzen Listen aus den Ländern Australien, Thailand und Dänemark veröffentlicht. Bei dem Domaininhaber der Internetseite, Theodor Reppe, wurde daher am Dienstagabend von der sächsischen Polizei eine Hausdurchsuchung vorgenommen. Das Beispiel zeigt, dass allein die Sicherheit der Listen nicht gewährleistet ist. Ihr Bekanntwerden würde das Umgehen der Sperren aber erleichtern.
Darüber hinaus ist die Effektivität von Filterlisten ohnehin zweifelhaft, wie Experten bemängeln. Man könne sie mit der Eingabe der entsprechenden IP-Adresse der Seite ebenso umgehen wie mit Proxyservern oder Anonymisierungsdiensten. Es sei weiterhin fraglich, ob das Internet überhaupt hauptsächlich für die Verbreitung von Kinderpornografie verantwortlich ist. Experten verweisen darauf, dass die Szene bereits auf geschlossene Netzwerke oder das Mobiltelefon ausgewichen sei, um die illegalen Daten zu tauschen. Filterlisten im Internet seien daher eher der Kategorie des wahlkampfwirksamen Aktionismus denn wirklicher Ursachenbekämpfung zuzurechnen. Von den Bundestagsfraktionen scheint dies aber nur Die Linke so zu sehen. So äußerte sich etwa Jörn Wunderlich, familienpolitischer Sprecher der Fraktion, kritisch gegenüber den aktuellen Vorgängen: „Wer Kinderpornografie bekämpfen will, muss effektiv gegen die Produzenten vorgehen. Das hat die Bundesregierung seit Jahren versäumt und daran ändert sich auch mit den jetzt beschlossenen Eckpunkten nichts. Die meisten Experten halten die vorgeschlagenen Maßnahmen für wirkungslos. Sie sind selbst für technische Laien leicht zu umgehen. Ein derart nutzloses Instrument dürfte aber schon bald zu weiteren Debatten über schärfere Maßnahmen zur Internetüberwachung führen. Statt Kinderpornografie wirksam zu bekämpfen wird das Gesetz eher als Einfallstor für die nationale Zensur des Internets dienen.“
Dem stimmt auch der Dresdner Datenschutzrechtler Andreas Pfitzmann zu, der die Pläne von der Leyens als „weitestgehend wirkungslos“ bezeichnete. Wer wirklich an Kinderpornographie kommen wolle „und nicht mal aus Versehen auf eine Seite tappt“, werde trotz der Sperren weiterhin vollen Zugriff auf solche Inhalte haben, sagte er im rbb-Sender Radio Eins. „Die Ressourcen, die gebunden werden durch diese technisch völlig unsinnige Diskussion, sind eine Riesen-Verschwendung.“