Umfrage: Über 90 Prozent gegen Netzsperren
Welch heikles Thema Umfragen sein können, wurde gestern einmal mehr deutlich, als mit etwas Erstaunen die Meldung von einer angeblich breiten Zustimmung der deutschen Bevölkerung für die geplanten Internetsperren per DNS-Filter aufgenommen wurde. Heute nun muss man von einer kompletten Kehrtwende berichten.
Auslöser der jubelnden Bekundungen des Vereins Deutsche Kinderhilfe war gestern ein Umfrageergebnis des renommierten Instituts Infratest dimap. Dieses befragte im Auftrag der Deutschen Kinderhilfe 1.000 zufällig ausgewählte Bundesbürger nach ihrer Meinung zu den geplanten Netzsperren. Soweit – so legitim. Problematisch und nunmehr auch nachweislich für das medienwirksame Ergebnis verantwortlich war jedoch die Formulierung der beiden Fragen, in deren Konsequenz 92 Prozent der Umfrageteilnehmer für den Gesetzesentwurf stimmten, der über eine Änderung des Telemediengesetzes die Sperrung von Internetseiten mit kinderpornographischem Inhalt realisieren soll.
Der Verein Deutsche Kinderhilfe gab nämlich nicht nur die Umfrage in Auftrag, sondern stellte auch die Fragen. Das ist allerdings ein Problem, sofern man sich möglichst neutrale Ergebnisse erhofft, denn die Organisation unter der Leitung Georg Ehrmanns äußerte sich mehrfach kritisch gegenüber den Gesetzesgegnern und wischt Argumente gerne mit Meinungen vom Tisch. Wie und wer würde die schon im Namen inkorperierte Kinderhilfe in puncto Kinderpornographie auch in Frage stellen? Einer tat dies bedenkenlos: Der Verein Missbrauchsopfer gegen Internetsperren (Mogis) gab eine eigene Studie beim selben Meinungsforschungsinstitut in Auftrag. Die Ergebnisse der Umfrage sind mindestens so sensationell wie die gestrigen.
Eine der getätigten Aussagen lautete: „Der Zugang zu Internetseiten mit Kinderpornographie sollte durch eine Sperre erschwert werden, das reicht aus, auch wenn die Seiten selbst dann noch vorhanden und für jedermann erreichbar sind.“ Laut der Zeit, der die Ergebnisse exklusiv vorliegen, stimmten über 90 Prozent infolge dessen gegen die Netzsperren, nur fünf Prozent waren dafür. Noch gestern schienen 92 Prozent der Befragten für die Netzsperre zu sein – ein voraussehbares Ergebnis. In beiden Fällen. Für die Löschung entsprechender kinderpornographischer Seiten und für die strafrechtliche Verfolgung der Betreiber stimmten darüber hinaus 92 Prozent der Befragten, womit – rein theoretisch – ein Großteil der Befragten Maßnahmen verlangt, die über einen simplen „Sichtschutz“ hinausgehen, wie das geplante Gesetz von Kritikern genannt wird. Die genauen Umfrageergebnisse werden im Laufe des Tages auf der Internetpräsenz von Infratest dimap veröffentlicht.
Klar sein sollte jedoch, dass das jeweilige Umfrageergebnis durch eine suggestive Fragestellung verzerrt wird und damit keine der beiden Meinungsanalysen Aussagenrelevanz besitzt.